Noch verfügt der Mensch nicht über unbegrenzte Energiequellen. Daher ist Energiesparen nötig. In Zukunft sollen Maschinen, Geräte, Gebäude und sonstige Einrichtungen weniger Strom, Gas und sonstige Energiequellen als bisher benötigen.
Die EU beflügelt dieses Bestreben durch die Richtlinie 2012/27/EU. Das seit 1. Jänner geltende österreichische Bundes-Energieeffizienzgesetz (EEffG) setzt diese Richtlinie um. Demnach haben unter anderem Energielieferanten ab diesem Zeitpunkt bis einschließlich 2020 eine Reduktion ihres jeweiligen Energieabsatzes um jährlich 0,6 Prozent als „Effizienzmaßnahme nachzuweisen“.
Sparen oder zahlen
Es sind also bisherige energierelevante Einrichtungen entsprechend umzurüsten und zu dokumentieren. Gelingt das nicht, werden die Energielieferanten „bestraft“: Sie haben für jede einzusparende kWh, die nicht eingespart wurde, an den Bund einen „Ausgleichsbetrag“ in der Höhe von derzeit 20 Cent pro kWh zu bezahlen. Dieser Betrag kann durch Verordnung der E-Control unter bestimmten Umständen erhöht, nicht aber gesenkt werden.
Die Energieversorger können nicht alle von ihnen erwarteten Einsparungsmaßnahmen in ihrem eigenen Betriebsbereich stemmen. Diese Maßnahmen müssen vielmehr in erheblichem Maße von den Kunden selbst gesetzt oder auf andere Weise (insbesondere durch vom EEffG erlaubten Zukauf auf entsprechenden „Handelsplattformen“) besorgt werden.
Die Energielieferanten können ihre Kunden nicht zwingen, solche Einsparungsmaßnahmen zu setzen. Nur werbendes Zureden, Beraten und Vermitteln diverser Förderungen sind möglich. Solche Investitionen sind aber oft teuer oder rentieren sich erst auf lange Sicht, sodass die Kunden sie unterlassen. Die Energielieferanten selbst können also das vorgeschriebene Sparprogramm nicht strikt durchsetzen. Dennoch müssen sie, wenn es nicht erfüllt wird, an den Bund „Ausgleichszahlungen“ leisten.
Kostenabwälzung als Selbstbefreiung und Druckausübung
Es liegt daher für die Energielieferanten nahe, von den Kunden (wenigstens) zu verlangen, sich an den „Strafzahlungen“ auf adäquate Weise zu beteiligen. Auf diese Weise schieben die Energielieferanten eine Last ab, für die sie weitgehend nichts können, und erhöhen gleichzeitig durch Verteuerung der gelieferten Energie den Druck auf die Kunden, Energiesparmaßnahmen zu ergreifen.
Es ist verständlich, dass die Energielieferanten diese Entlastung auf möglichst einfache Weise erreichen wollen. Viele von ihnen berufen sich daher auf die in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) ihrer Energielieferungsverträge enthaltenen Preisanpassungsklauseln. Sie sehen im vorliegenden Sachverhalt einen Anwendungsfall dieser Klauseln und wollen den Kunden ohne weiteres einseitig den ihnen zugemessenen Anteil am künftig möglicherweise fälligen Ausgleichsbetrag verrechnen.
Diese Vorgangsweise stößt auf Widerstand.
Zum einen sprach sich die E-Control gegen eine Überwälzung drohender Ausgleichsbeträge auf Kunden aus, die Verbraucher nach dem Konsumentenschutzgesetz sind. Dies führte dazu, dass die Energielieferanten die Kostenüberwälzung auf unternehmerisch tätige Kunden beschränkten.
Doch wollen sich auch viele unternehmerische Kunden mit einer einseitig dekretierten Kostenüberwälzung nicht abfinden. So schaltete sich die Bundeswirtschaftskammer in Kooperation mit den Landeskammern ein, um eine Eskalation des Konflikts zu vermeiden und eine zweckentsprechende Lösung zu fördern. Demgegenüber sehen sich die Energielieferanten im Recht und verweisen auf die bestehenden Energielieferungsverträge.
Keine einseitige Kostenabwälzung ohne vertragliche Preisänderungsklausel
Es steht jedenfalls fest, dass ein Energielieferant angesichts des vorliegenden Sachverhalts ohne eine vereinbarte Preisänderungsklausel keine Möglichkeit hätte, einseitig eine Änderung des vereinbarten Energiepreises oder einen sonstigen Kostenzuschlag zu verrechnen. Die Energielieferanten können sich also nur auf bestehende Preisänderungsklauseln berufen. Diese müssen allerdings auf den vorliegenden Sachverhalt anwendbar sein.
Daher ist zu fragen, was die Ansicht rechtfertigt, die Energielieferanten dürften sich im vorliegenden Zusammenhang nicht auf ihre AGB-Preisanpassungsklauseln berufen.
Einem Vertragspartner das Recht einzuräumen, nachträglich einseitig den vereinbarten Vertragsinhalt zu ändern, also insbesondere einseitig einen neuen Preis festzusetzen, ist eine heikle Angelegenheit, weil sich hier der Vertragspartner vorweg einer Fremdbestimmung durch den anderen unterwirft. Es liegt nahe, dass sich niemand schranken- und restlos der Fremdbestimmung eines anderen unterwerfen kann.
Fremdbestimmung nur „im Rahmen billigen Ermessens“
Allgemein ist anerkannt, dass Rechte auf nachträgliche einseitige Vertragsänderung nur „im Rahmen billigen Ermessens“ ausgeübt werden können. Dabei sind die „Maßstäbe von Treu und Glauben“ zu beachten. Werden sie „in gröbster Weise verletzt“ und ist die „Unrichtigkeit der Leistungsfestsetzung einem sachkundigen und unbefangenen Beurteiler sofort erkennbar“, dann kann sich niemand auf eine vereinbarte Preisänderungsklausel berufen.
Es darf davon ausgegangen werden, dass sich die hier interessierende Kostenüberwälzung „im Rahmen des billigen Ermessens“ bewegt.
Das Zivilrecht reagiert erheblich sensibler, wenn ein Vertrag zwischen Personen zustande kommt, die einander nicht gleich stark gegenüberstehen. Der Gesetzgeber pflegt hier die schwächere Seite durch zwingendes Recht zu stärken, um so das Gleichgewicht zwischen den Beteiligten herzustellen. So schützt das Arbeitsrecht die Arbeitnehmer, das Mietrecht die Mieter, das Versicherungsvertragsrecht die Versicherungsnehmer, das Konsumentenschutzrecht die Verbraucher.
Insbesondere wird auch derjenige besonders geschützt, der sich AGB gefallen lassen muss, ohne die Möglichkeit zu haben, über deren Inhalt mit dem Verwender der AGB verhandeln zu können. So darf derjenige, der sich fremden AGB unterwerfen muss, um einen Vertrag abschließen zu können, durch Nebenbestimmungen in AGB nicht „gröblich benachteiligt“ werden (§ 879 Abs 3 ABGB).
Wann aber liegt eine derartige „gröbliche Benachteiligung“ vor? Insbesondere: Unter welchen Umständen ist eine Preisänderungsklausel „gröblich benachteiligend“? Und konkret: Sind Preisanpassungsklauseln in AGB von Energielieferern im Hinblick auf die angestrebte Überwälzung von EEffG-Lasten der Energielieferer auf die Kunden „gröblich benachteiligend“?
Gröblich benachteiligende Preisanpassungsklauseln
Bei der Konkretisierung der „gröblichen Benachteiligung“ hilft eine Bestimmung des Konsumentenschutzgesetzes, die Preisanpassungsklauseln gewidmet ist. Diese Bestimmung (§ 6 Abs 1 Z 5 KSchG) lässt solche Klauseln nur zu,
- wenn sie sowohl Preiserhöhungen als auch Preissenkungen vorsehen,
- wenn die maßgeblichen Umstände der Preisänderung im Vertrag konkret beschrieben sind,
- wenn der Eintritt dieser Umstände nicht vom Willen des Unternehmers abhängt und
- die Umstände der Preisänderung sachlich gerechtfertigt sind.
Es ist anerkannt, dass diese KSchG-Regelung nicht nur für Verbrauchergeschäfte beachtlich ist, sondern auch für Unternehmergeschäfte, bei denen die eine Seite der anderen dadurch unterlegen ist, dass diese andere Seite AGB verwendet, über deren Inhalt nicht verhandelt werden kann.
Decken die Preisänderungsklauseln der AGB die Überwälzung der EEffG-Ausgleichsbeträge?
Entscheidend ist im vorliegenden Zusammenhang also, ob die in den AGB der Energielieferanten enthaltenen Preisanpassungsklauseln den genannten Kriterien einerseits überhaupt und andererseits insbesondere im Hinblick auf die Überwälzung der Ausgleichsbeträge nach dem EEffG entsprechen.
Bezüglich der Preisänderungsklauseln in AGB von Energieversorgungsunternehmen bestehen im Hinblick auf den hier interessierenden Sachverhalt folgende rechtliche Bedenken:
Keine Abwälzung bloß fiktiver Ausgleichsbeiträge. Es ist sachlich nicht gerechtfertigt, Ausgleichsbeträge abzuwälzen, die den Energielieferanten im Ergebnis gar nicht entstehen. Dies ist dann der Fall, wenn die Energielieferanten anrechenbare Energiesparmaßnahmen von dritter Seite erwerben, die den Umfang der Ausgleichsbetragsverpflichtungen der Energielieferanten mindern, ohne dass diese Minderung auch in den Überwälzungsbeträgen entsprechend berücksichtigt würde. Hier geht es
- um den anrechenbaren Erwerb von Energiesparmaßnahmen auf Handelsplattformen nach § 20 EEffG,
- um anrechenbare Maßnahmenerwerbe bei Kunden, die vom Kostenüberwälzungssystem gar nicht erfasst sind, und
- um anrechenbare Maßnahmen, die im eigenen Unternehmen des Energielieferanten getroffen werden.
Die Summe der tatsächlich die Energielieferanten belastenden Ausgleichsbeträge darf nicht niedriger sein als die Summe der den unternehmerischen Kunden verrechneten Beträge.
Eine Verrechnung bloß fiktiver Ausgleichsbeträge fördert überdies die Tendenz, den gesetzlichen Vorrang der Energiesparmaßnahmen im Ergebnis zu unterlaufen. Dies aber widerspricht dem Anliegen und Zweck des EEffG, kann also als gesetzwidrig qualifiziert werden.
Unterschiedliche Preisgestaltungen für Verbraucher und Unternehmer sind zwar an sich zulässig, doch darf dies, was die Überwälzung von Ausgleichsbeträgen betrifft, nicht zu sachlich ungerechtfertigten Ergebnissen führen. Die Energielieferanten dürfen also Ausgleichsbeträge, die durch das Maßnahmendefizit im Bereich der Haushalte ausgelöst werden, nicht den unternehmerischen Kunden überwälzen, sondern müssen von den Energieversorgern selbst getragen werden.
Vorausüberwälzungen künftig fälliger Ausgleichsbeträge, deren Höhe erst später festgestellt werden kann, kommen für Kunden, die Verbraucher im Sinne des KSchG sind, schon aufgrund der Gesetzeslage (Elektrizitätswirtschafts- und –organisationsgesetz (ElWOG), Gaswirtschaftsgesetz (GWG)) nicht in Betracht, sind aber auch bei Unternehmern sachlich nicht gerechtfertigt und bei verfassungskonformem Gesetzesverständnis auch durch das ElWOG und GWG nicht gedeckt. Die Energieversorgungsunternehmen dürfen nicht heute schon verrechnen, was sie erst im Jahr 2016 (und dann möglicherweise in anderer als heute prognostizierter Höhe) zu bezahlen haben.
Für das Jahr 2014 fallen keinesfalls Ausgleichsbeträge an; daher kann diesbezüglich auch nichts überwälzt werden. Dass bereits im Jahr 2014 anrechenbare Energiesparmaßnahmen gesetzt werden können, steht damit in keinem Zusammenhang. Solche Energiesparmaßnahmen sind jedoch für das Jahr 2015 anzurechnen.
Einvernehmliche Vertragsänderung oder Neuabschluss unter Festsetzung neuer Preise
Kommt eine einseitige Preisänderung zwecks Überwälzung der Ausgleichsbetragslast der Energielieferanten auf unternehmerische Kunden nicht in Betracht, kann der Energielieferant dem Kunden eine einvernehmliche Vertragsänderung oder Vertragsbeendigung anbieten, die Änderungskündigung oder die unbedingte Kündigung des Vertrages aussprechen.
Die Festsetzung neuer Preise im Zuge des Neuabschlusses oder der einvernehmlichen Änderung von Energielieferungsverträgen gewährt den Energielieferanten keine Preisgestaltung nach Belieben. Vielmehr sind der Preisfestsetzung gewisse energierechtliche Schranken gesetzt.
Überhaupt können die Energielieferanten zweckmäßigerweise nicht mit jedem Kunden einen Sonderpreis vereinbaren oder Sonderregelungen über die Kostenüberwälzung treffen, weil dies ein sachgerechtes Überwälzungssystem konterkarieren würde. Sehr wohl aber können die Energielieferanten neue Preise so gestalten, dass genügend Raum für die Überwälzung zu erwartender Ausgleichsbeträge bleibt.
Gilt Schweigen des Kunden als Zustimmung zum neu angebotenen Preis?
Im Allgemeinen bindet eine in einem Vertragsänderungsangebot enthaltene Klausel, wonach Schweigen des Adressaten als Annahme des Angebotes gelten soll, den Kunden ebenso wenig wie das Angebot selbst. Ob bloßes Schweigen des Kunden als Zustimmung zu deuten ist, beantwortet das allgemeine Zivilrecht; es setzt eine zweifelsfreie Situation voraus, die üblicherweise durch bloßes Schweigen nicht gegeben ist.
Gibt es eine in einem bestehenden Vertrag enthaltene Regel, die das Schweigen auf ein Angebot, den Vertrag zu ändern, als Zustimmung wertet, so ist eine derartige Regelung bei Verbrauchergeschäften nur unter bestimmten Voraussetzungen wirksam (Näheres sagt § 6 Abs 1 Z 2 KSchG). Auch bei Unternehmergeschäften kommt diese Bestimmung unter der Voraussetzung zur Anwendung, dass das Unternehmergeschäft auf einer Ungleichgewichtslage beruht, die dem Verbrauchergeschäft vergleichbar ist.
Zu Unrecht Bezahltes
Beträge, welche Kunden zu Unrecht von sich aus bezahlt oder Lieferanten zu Unrecht beim Kunden über Einziehungsaufträge abgebucht haben, können vom Kunden zurückgefordert beziehungsweise gegenverrechnet werden.
Zur Person: Em. o. Univ-Prof. Dr. Heinz Krejci Geb. 1941 in Wien; Dr. iur 1963; 1963 – 1973 Assistent am Institut für Arbeits- und Sozialrecht der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien; 1972 Habilitation für Bürgerliches Recht, Arbeitsrecht und Sozialrecht; 1973 – 1976 ao. Univ.-Professor der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien, 1973/74 Gastprofessor an der Freien Universität Berlin, 1976 – 1985 Ordinarius für Privatrecht und Wirtschaftsrecht an der Karl-Franzens-Universität Graz, dort Vorstand des Instituts für bürgerliches Recht; ab 1985 Ordinarius für Handels- und Wertpapierrecht an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien, 16 Jahre bis zur Emeritierung Vorstand des Instituts für Unternehmens- und Wirtschaftsrecht. Nach wie vor Vortragender, Rechtsgutachter, Schiedsrichter, rechtspolitischer Berater insbesondere des BMJ. Über 400 wiss. Publikationen auf den Gebieten des Unternehmens- und Gesellschaftsrechts, Zivilrechts, Versicherungsrechts, Verbraucherrechts, Bauvertragsrechts, Arbeits- und Sozialrechts.