Kulturminister zerstört Kulturgut

Was darf ein Kulturminister? Darf ein Kulturminister das ihm anvertraute Kulturgut zerstören? Ein Kulturminister hat unserer Auffassung nach das Ihm anvertraute Kulturgut zu bewahren und zu fördern.

Die Instrumentensammlung in der Neuen Hofburg als Teil des Kunsthistorischen Museums in Wien ist in ihrer Gesamtheit ein solches Kulturgut. Sie ist durch Hundert Jahre gepflegt und aufgebaut (1916 von Julius Schlosser erstmals eingerichtet) und seit dem 2. Weltkrieg über 65 Jahre systematisch geordnet worden. Die derzeitige Aufstellung ist erst vor einigen Jahren mit erheblichen Geldmitteln in ihre jetzige Form gebracht worden und wurde modernsten Ausstellungsprinzipien angepasst.

Sie ist nicht nur ein ästhetisches, sondern auch ein didaktisches Gesamtwerk. Sie ist viel bewundert in der ganzen Welt und zeigt die Entwicklung des Instrumentenbaus und des Instrumentariums von 1500 bis in unsere Zeit in klarer, übersichtlicher Form. Sie ist somit als ein Gesamtwerk zu betrachten und kann nicht zerrissen werden.

Nun sollen gut zwei Drittel der Sammlung dem neu geplanten „Haus der Geschichte“ weichen. Der zentrale Saal, der auch für Konzerte wichtig ist, und der gesamte linke Flügel im ersten Stock der neuen Burg, der vorwiegend die Klavierinstrumente beherbergt, soll diesem neuen Museum weichen.

Das bedeutet, dass diese Instrumente nach dem derzeitigen Plan in Räume des Halbstocks transportiert werden sollen, die für eine Aufstellung der Klaviere denkbar ungeeignet sind. Tatsache ist, dass es bei dem immer wieder betonten Geldmangel wahrscheinlich gar nicht zur Wiederaufstellung kommen wird und die Klaviere im Depot verschwinden werden.

Wir erheben dagegen heftigen Einspruch. Wem immer man in der ganzen Welt von diesem Plan erzählt, greift sich an den Kopf und hält es, wie Nicolaus Harnoncourt in den Salzburger Nachrichten schreibt, für „einen Wahnsinn“.

Ein Wahnsinn muss den zuständigen Minister befallen haben, in einer Zeit größter Sparsamkeit ein solches Projekt durchzuführen. Entweder wir haben genügend Geld, um ein neues Museum „Haus der Geschichte“ in Räumen der Musiksammlungen einzurichten, was die völlige Neuadaptierung der Räume bedeutet – plus Abtransport der Klaviere und Aufstellung in neuen Räumen – oder nicht. Die Kosten für diese doppelte Umfunktionierung sind bestimmt ebenso hoch, wie wenn man das „Haus der Geschichte“ neu an anderem Ort errichtet.

Die Bezugnahme auf den laut Volksmund sogenannten „Hitler-Balkon“ und den Heldenplatz ist läppisch: Dort hat sich das schlechteste Heldenstück abgespielt in der ganzen Geschichte Österreichs – nämlich das Ende als selbständiger Staat. Wenn unbedingt die Nähe zum Heldenplatz gefordert wird, würden es die Räume im Halbstock der neuen Burg und die großen Räumlichkeiten und Vorhallen im Stiegenhaus des ersten Stockes ebenso tun. Abzuwarten, wie die Reaktion des Auslands auf diese Bezugnahme ausfällt!

Kleine Buberln pflegen, wenn sie mit Bauklötzen oder Lego spielen, als erstes das Vorhandene zu zerstören um dann ihre neuen Ideen auszuführen. Die Zerreißung der Instrumentensammlung gleicht dem Zerstör-Instinkt vieler Kinder, die gerne Puppen oder Bären als erstes Arme oder Beine ausreißen (der linke Flügel der neuen Burg und der Mittelsaal können stellvertretend für Arm und Fuß gelten).

Aber nicht genug damit: dem Völkerkundemuseum wird ein neuer hochtrabender Titel verliehen – „Weltmuseum“ – aber zugleich ein Teil genommen. Ob der einzigartigen Waffensammlung nach dem neuen Titel „Hofjagd- und Rüstkammer“ ein ähnliches Schicksal droht, wurde noch nicht ausgesprochen.

Wie unterirdisch und undemokratisch die Planungen vorgenommen wurden, ersieht man daran, dass erst seit wenigen Wochen die Öffentlichkeit wirklich Kenntnis dieser Ungeheuerlichkeiten bekommen hat. Wenn überall gespart werden muss, ist es überhaupt der Zeitpunkt, ein neues Museum einzurichten? Wenn ja, bieten sich verschiedene Örtlichkeiten an, z.B. der Glück-Glaspalast an der Kreuzung Stadiongasse/2er-Linie und vor allem das Winterpalais des Prinz Eugen. Dieses, derzeit dem Museum des 20. Jahrhunderts angegliedert, wäre ein Idealfall eines „Hauses der Geschichte“, beginnend mit der wirklichen Glanzzeit Österreichs mit den Siegen Prinz Eugens gegen Türken und Franzosen. Derzeit wird es missbraucht, um im Prunksaal eine Holzhütte als Erzeugnis moderner Kunst auszustellen.

Zurück zur Frage: Darf ein Minister, der bestenfalls einige Jahre in seinem Amt ist, die Arbeiten seiner Vorgänger zerstören, die immer alle mit den Steuergeldern unserer Bürger gemacht worden sind? Wie viel an eitler Überheblichkeit und jugendlichen Übermut liegt in solchen Vorgehen? Minister Ostermayer wirkt in seinem Umgang und Äußeren sehr sympathisch. Wir freuen uns, dass er durch seinen Entschluss, den „Beethovenfries“ für Österreich zu bewahren, eine mutige Tat gesetzt hat und beglückwünschen ihn von Herzen dazu. Man kann nur hoffen, dass er in Hinsicht der Instrumentensammlung Einsicht und Größe zeigt um nach reichlicher Überlegung auch von einem einmal gefassten Entschluss abzugehen.

Eduard Melkus ist em. Prof. der Musikuniversität Wien, Geiger und Musikwissenschaftler von Weltruf. Er spricht für viele gleich denkende Menschen.

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