Das neue Islamgesetz wurde, nach monatelangen Debatten, am 25. Februar im Nationalrat mit der knappen Mehrheit der Regierungsfraktionen beschlossen und ist am 12. März im Bundesrat bestätigt worden. Die von zahlreichen Experten auf der juristischen sowie auf der religionswissenschaftlichen Ebene vorgebrachten Kritikpunkte wurden vollständig ignoriert, wohingegen die aufgeregten Proteste der muslimischen Funktionäre in der endgültigen Fassung ihre deutlichen Spuren hinterlassen hatten. Das Ergebnis ist ein legistisches Monstrum – ein Gesetz, dessen wesentlichste Aufgaben nicht vollziehbar sind, das verfassungswidrig ist und fragwürdige Einrichtungen und Zustände konserviert, anstatt sie zu beseitigen – und das in der Frage des Umgangs mit dem Islam und der Real-Gefahr der Islamisierung das Gegenteil dessen bewirken wird, was jetzt der Anschein ist.
In der Öffentlichkeit ist von der Politik der Eindruck erweckt und medial verstärkt worden, dass das Islamgesetz ausländischen Einfluss reduzieren, Übergriffe radikaler islamischer Kräfte eingrenzen, konstruktive Kräfte fördern und sogar zur Entstehung eines “friedlichen Euro-Islam” beitragen wird. Tatsächlich haben sich die islamkritischen Kreise in den letzten Wochen um die Regierung geschart und diese gegen künstlich aufgeregte, dreiste Stimmen aus der Türkei in Schutz genommen. Und ebenso haben Islam-Vertreter und ihre selbsternannten Versteher ihren Theaterdonner um „Islamophobie”, „Generalverdacht” und „Diskriminierung” fortgesetzt und verstärkt und damit zur Verfestigung des Scheingefechtes um das Islamgesetz beigetragen. Jedoch haben beide Seiten das Gesetz und seine Konstruktionsfehler sowie seine präsumptiven Wirkungen nicht verstanden bzw. wollen diese nicht verstehen.
Obwohl dieses Gesetz also in Kraft treten wird, soll daher an dieser Stelle die Wahrheit über dieses Gesetz dargestellt werden. Die Entwicklung der nächsten Monate und Jahre wird die Unterstützer und die Kritiker verifizieren oder falsifizieren. Die Folgen und Wirkungen dieses Machwerkes werden ihr objektives und für jeden nachvollziehbares Urteil sprechen.
Die Fakten sind eindeutig
Das neue Islamgesetz hat den Status des Islam als eine gesetzlich anerkannte Religion beendet. Erstaunlich, dass dies von den weinerlich agierenden Moslem-Vertretern nicht erkannt und gewürdigt wurde. Im Artikel 1 des alten Islamgesetz wird der Islam über seine Anhänger anerkannt und – soweit er nicht den Gesetzen Österreichs widerspricht(!) – geschützt. Im § 1 des neuen Gesetzes werden ausschließlich „Religionsgesellschaften” zum Subjekt des Gesetzes erklärt, welches nur den Zweck hätte, deren „äußere Rechtsverhältnisse” und Zulassungsmodaltäten zu regeln.
Ausschließlich in diesem Gesetz in ihrer Existenz bestätigt und abgesichert wird die sogenannte IGGiÖ (islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich), daneben der Sonderfall der Minderheitenvertretung der ALEVI (Islamische Aleviten). Mit der IGGiÖ wird eine Einrichtung konserviert und verabsolutiert, über die der zuständige Kultusminister, Dr. Josef Ostermayer in der Sitzung des parlamentarischen Verfassungsausschusses vom 13. Jänner auf Anfrage folgendes sagte: „Die Zahl ihrer Mitglieder ist uns unbekannt. Sie besitzt keine eigene Moschee und unterhält keinen eigenen Kultusbetrieb. Aber das macht nichts, denn die IGGiÖ ist ja nur ein Dachverband.” Der zuständige Minister gab damit zu verstehen, dass ihm der unauflösliche Widerspruch zwischen der Konzeption eines Dachverbandes und den Wesenszügen einer gesetzlich anerkannten Religionsgesellschaft nicht bewusst ist. Allein deswegen ist sein Gesetz ein unauflöslicher Widerspruch in sich selbst.
Das Gesetz enthält in den Paragraphen 9 bis 15 bzw. 16 bis 22 die Rechte und Pflichten der IGGiÖ bzw. der ALEVI. Für weitere, nach diesem Gesetz zu gründende islamische Glaubensgesellschaften sind keine „Rechte und Pflichten” vorgesehen. Experten sind sich daher einig, dass nach diesem Gesetz künftig überhaupt keine weiteren Gesellschaften gegründet und zugelassen werden können. Dies widerspricht aber zwei fundamentalen Urteilen des Verfassungsgerichtshofes. Dieser hatte eine Verengung der Zulassung des Islam auf einzelne Denominationen (damals: auf den „hanefitischen Ritus“) für unzulässig erklärt (G 146/87, G 147/87 vom Dez. 1987) sowie den „Alleinvertretungsanspruch” der IGGiÖ, der jetzt faktisch zementiert wird, als verfassungswidrig zurückgewiesen (B 1214/09 vom Dez. 2010). Das Gesetz ist daher verfassungswidrig.
Das Gesetz enthält nominell zwei der wichtigsten Forderungen all jener, die sich in den letzten Jahren für eine Gestaltung der staatlichen Beziehungen mit dem Islam im Sinne eines Schutzes vor wildwüchsiger Islamisierung und dem Einfluss radikaler Kräfte eingesetzt hatten. Einerseits die Verpflichtung zur „Offenlegung der Lehre” (§6 (1) 5) und andererseits das Verbot der Finanzierung des Religionsbetriebes seitens ausländischer Einrichtungen bzw. (staatlicher) Behörden (§ 6 (2)). Es steht außer Zweifel, dass diese Regelung nur für gesetzlich anerkannte Religionsgesellschaften gilt und gelten kann. Nicht davon erfasst hingegen werden die rund 460 Moscheenvereine in Österreich. Ausschließlich in diesen finden Kultusbetriebe bzw. der Religionsvollzug statt. Sie allein sind das faktische Substrat des realen Islam in Österreich.
§ 3 (4) dieses Gesetzes erweckt bei oberflächlicher Betrachtung den Anschein, das Problem des Moscheen-Wildwuchses und der daraus sich ergebenden vollkommenen Unkontrollierbarkeit der Verbreitung eines radikalen, staats- und kulturfeindlichen Stadiums der islamischen Entwicklung tendenziell lösen zu können. Hier wird verfügt, dass mit dem Erwerb der Rechtspersönlichkeit durch eine islamische Religionsgesellschaft jene Vereine aufzulösen sind, „deren Zweck in der Verbreitung der Religionslehre der betreffenden Religionsgesellschaft besteht”. Dieses Passus ist damit der archimedische Punkt des gesamten Gesetzes. Bei sorgfältiger Betrachtung erweist es sich nämlich, dass eine Auflösung von Vereinen auf der Basis dieser Norm aus seiner Vielzahl von Gründen unmöglich ist.
§ 31 des Gesetzes legt fest, dass die für die Auflösung zuständige Behörde das Innenministerium ist, d.h. die Oberbehörde für den Vollzug des Vereinsgesetzes. Faktum ist jedoch: Weder die Innenministerin, noch einer ihrer Legisten oder Vollzugsbeamten wurden je dahingehend konsultiert, ob die ihnen zugedachte Vollzugsaufgabe zu bewältigen ist. Tatsächlich gibt es für den Versuch einer derartigen Auflösung von Vereinen weder eine Rechtsgrundlage noch auch nur die für die Führung eines derartigen Verfahrens erforderlichen fachlichen und materiellen Ressourcen. Und zwar weder im Innenministerium, noch beispielsweise im Kultusamt.
Im Kern würde es um den Nachweis der Identität der Lehre eines Vereines mit derjenigen einer Religionsgesellschaft gehen. Allein die Frage nach einer „Lehre” könnte von einem Verein auf der Basis des Gleichbehandlungsgesetzes zurückgewiesen werden. Vereine könnten feststellen, dass sie keine Lehre vertreten, sondern „lediglich eine Moschee” betreiben, wozu keine Lehre als „Befähigungsnachweis” erforderlich sei. Sie könnten – ohne widerlegt zu werden – behaupten, dass sich ihre Lehre (wenn sie denn eine hätten) von der anderer Einrichtungen substantiell unterscheiden würde. Und sie könnten es ohne jede Anstrengung verhindern, dass ihr Vermögen (Moscheen und sonstige Anlagegüter) enteignet oder sonst wie verfügt werden könnten.
Islamische Einrichtungen im In- und Ausland haben – trotz fortgesetztem Theaterdonner – die Nicht-Vollziehbarkeit des Islamgesetzes erkannt. Die türkischen und bosnischen Vereine haben am 15.2. beschlossen, dass sie sich keineswegs auflösen lassen werden. Die Muslimische Jugend hat festgestellt, dass das Islamgesetz für sie völlig gegenstandslos ist. Und der Chef der türkischen Religionsbehörde hat festgestellt, dass es selbstverständlich eine Fortsetzung der Finanzierung von Imamen und damit eine verstärkte Einflussnahme in Österreich geben wird – jetzt eben verstärkt über die Moscheenvereine. Alle Behauptungen betreffend einer den Radikalismus einschränkenden Wirkung des Gesetzes sind daher bereits vor dessen Inkrafttreten Makulatur.
Es bleibt das in diesem Gesetz festgelegte Voranschreiten der Rechte und öffentlichen Zuwendungen für die islamischen Gemeinschaften bzw. Gesellschaften. Diese werden in Zukunft eigene Friedhöfe betreiben, dürfen in militärischen und medizinischen Einrichtungen sowie in Gefängnissen (teils staatlich finanzierte) „Seelsorge” betreiben, erhalten eigene staatliche Universitätsinstitute und können die Separation muslimischer Gemeinschaften durch die Produktion und den Vertrieb von rituell hergestellten Lebensmitteln vorantreiben. All das als Bemühung zur „Integration” zu verkaufen, muss als blanker Zynismus begriffen werden.
Mit dem Beschluss und dem Inkrafttreten des neuen Islamgesetzes bleibt auf Dauer ein mehr als schaler Beigeschmack verbunden. Das Gesetz dient der Regierung – allen voran den zuständigen Ministern – als Projektionsfläche für politische Propaganda und Klientelpolitik: als Beruhigungstablette für die verunsicherte und schutzbedürftige Bevölkerung, als Präsentationsutensil bei internationalen Auftritten, als Umarmungsgeste gegenüber kooperationswilligen Muslimen (mit deren Herkunftsländern man ja noch Geschäfte machen will) und sogar als Märchenplattform für den Mythos vom „Euroislam”. Es ist aber faktisch nicht vollziehbar bzw. wird die gegenteiligen der behaupteten Effekte haben. Als legistische Missgeburt enthält es keine reale Vollzugskompetenz und kein nachvollziehbares Vollzugsmodell, besonders auch keine ankündigbaren Zwangsmaßnahmen oder Rechtsfolgen bei Nicht-Vollzug. Es konserviert ein verfassungswidriges islamisches Zwei-Sektoren-Modell mit einer Islamischen Glaubensgemeinschaft als Fassade und politischem „Dialogpartner” auf der einen und einem wildwüchsigen Moscheensektor auf der anderen Seite.
Besonders bedauerlich ist es, dass die Entscheidungsträger der Regierungsseite dieses Gesetz trotz vielfacher Warnungen durchgepeitscht haben, ohne auch nur den Versuch zu unternehmen, die kritischen Argumente zu widerlegen. Es muss angenommen werden, dass hier, allenfalls um bloß das Gesicht zu wahren, eine sachfremde Agenda betrieben wird.
Noch bedauerlicher ist die klägliche Rolle, die dem Parlament in dieser Angelegenheit von der Regierung zugeordnet wurde: Von Anfang an gab es keine ersthafte Bereitschaft, sich mit den Argumenten der (gesamten) Opposition ernsthaft auseinanderzusetzen. Der Beschluss ist daher eine finstere Stunde für den Parlamentarismus in diesem Lande und letztlich politscher Betrug an der verunsicherten Bevölkerung.
Mag. Christian Zeitz ist wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Angewandte Politische Ökonomie und Islambeauftragter des Wiener Akademikerbundes.