Großartig verhandelt, Herr Mitterlehner!

Reflektiert man die nun zu Ende gegangenen Verhandlungen der Regierungsparteien zur Steuerreform, so hat die SPÖ, die eben noch von vielen als Verlierer angesehen wurde, in Wahrheit auf allen Linien gewonnen: Die von ihr vehement geforderte Tarifsenkung der Lohn- und Einkommensteuer kommt, die Registrierkassenpflicht kommt, und es gibt zum Teil empfindliche Erhöhungen mehrerer vermögensbezogener Steuern.

Was die SPÖ nicht durchsetzen konnte, sind Maximalforderungen, von denen im Fall einer allgemeinen Vermögenssteuer von vorneweg klar war, dass diese nicht konsensfähig ist und also nicht kommen würde. Die Taktik, Maximalforderungen zu stellen, um das eigentlich Gewünschte tatsächlich zu erreichen, ist aufgegangen. Wenn nun 500 Millionen Euro durch vermögensbezogene Steuern eingebracht werden sollen und davon der Löwenanteil durch die Erhöhung der Grunderwerbssteuer, so hätte auch das SPÖ-Konzept einer Erbschaftssteuer 500 Millionen einbringen sollen.

Die ÖVP, die sich als Gewinner sah oder immer noch sieht, ist in Wahrheit auf allen Linien umgefallen. Alles fängt schon damit an, dass sie auf eine Steuersenkung gar nicht erpicht war, aber die SPÖ sie wollte. Es ist also schon ein Kompromiss, dass die ÖVP unter ihrer neuen Führung überhaupt in Verhandlungen eingetreten ist. Doch denkt man in der ÖVP nicht daran, schon dies Eintreten (aus Angst, von den Medien totgeprügelt zu werden?) als ein Entgegenkommen darzustellen. Man tut indes so, als habe man ebenfalls von Anbeginn die Steuerreform gewollt.

Während die SPÖ ihren Verzicht auf eine Vermögenssteuer als „großzügige“ Geste verkaufen konnte, würde der ÖVP außerdem nicht im Traum einfallen, ihr Abrücken von einer vorzeitigen Angleichung des Frauenpensionsalters an das der Männer ebenfalls als ein Entgegenkommen zu titulieren. Offenbar schämt man sich für diese Forderung bzw. fürchtet die Medien, obwohl der frühere Pensionsantritt gerade qualifizierten Frauen massiv schadet, weil er Einstellungen und Beförderungen verhindert.

Ungeachtet der Durchsetzung der Tarifreform überhaupt, der Registrierkassenpflicht sowie vermögensbezogener Steuern wird die SPÖ sich weiterhin als „Opfer“ der ÖVP inszenieren, die die „Besitzenden“ verteidige. Der Glaube, das Thema Vermögens- und Erbschaftssteuern sei nun endlich vom Tisch, wird sich als Irrglaube erweisen. Die ÖVP wird von den linksdominierten Medien weiterhin als unsozial verprügelt werden.

Dabei hat die SPÖ nicht nur vom Volumen her durchaus jene Erbschaftssteuer bekommen, die sie wollte: Da die Grunderwerbssteuer hinkünftig vom Verkehrswert berechnet wird und bereits ab einem Verkehrswert von 400.000 Euro ein Steuersatz von 3,5 Prozent fällig wird, stößt sie in Dimensionen vor, wo Faymanns Erbschaftssteuer („Millionärssteuer“) mit einem Freibetrag von einer Million Euro noch gar nicht gegriffen hätte.

Nachdem 3,5 Prozent vom gesamten Verkehrswert zu bezahlen sind (und nicht etwa 0,5 Prozent für die ersten 200.000 Euro, 2 Prozent für die nächsten 200 000 Euro usw.), besteht bei einem Immobilienwert ab 400.000 Euro übrigens kein Unterschied mehr zur Weitergabe außerhalb der Familie. Ein großes Lob an die „Familienpartei“ ÖVP!

Selbst für das Erben des eigenen Hauptwohnsitzes von den Eltern bzw. für die Übernahme der Wohnung vom verstorbenen Ehepartner scheint nach dem bisher Kolportierten keine Erleichterung vorgesehen. Unter Beibehaltung der bisherigen Grunderwerbssteuer (zwei Prozent vom dreifachen Einheitswert) wäre also in etlichen Fällen noch Faymanns echte Erbschaftssteuer moderater ausgefallen! Hinzu kommt, dass das von der SPÖ wiederholt als Vorbild genannte Deutschland Schenkung und Erbe des Hauptwohnsitzes auch bei einem Verkehrswert von über einer Million Euro unter Eheleuten gänzlich sowie bei Kindern weitgehend steuerfrei stellt. (Die in Deutschland zuweilen hohe Grunderwerbssteuer kommt bei Schenkungen und Erbschaften generell nicht zum Tragen.)

Was bringt namentlich Familien die Steuerreform? Nehmen wir ein geräumigeres Haus im „Speckgürtel“ von Wien (sind Kinder vorhanden, braucht man Wohnraum!), so ist ein Verkehrswert von (sagen wir) 850.000 Euro rasch erreicht (wenn nicht jetzt, dann angesichts der Entwicklung der Immobilienpreise in zehn Jahren!). 3,5 Prozent davon ergeben knapp 30.000 Euro. Geht man von einem Erbanfall alle 30 Jahre aus und dividiert man durch 30, ergeben sich 1000 Euro Mehrbelastung pro Jahr. Die gepriesene jährliche Ersparnis von 900 Euro durch die Tarifreform der Einkommensteuer ist alleine durch die Erhöhung der Grunderwerbssteuer mehr als wettgemacht!

Die Pikanterie des Verkehrswertes liegt schon darin, dass ein Eigentümer, der seine Immobilie schlicht bewohnen und nicht verkaufen will, diesen zumeist nicht kennt. Vor allem unterliegt der Verkehrswert Wertsteigerungen, die der Eigentümer nicht im Geringsten beeinflussen kann. Es ist also durchaus ein Lotteriespiel, im (hinsichtlich seines Eintritts ebenfalls nicht kalkulierbaren) Erbanfall zu erfahren, ob der eigene Hauptwohnsitz 300.000 Euro oder vielleicht drei Millionen Euro wert ist. Hinzu kommt, dass die Berechnung des Verkehrswertes alles andere als trivial und alles andere als eindeutig nachvollziehbar ist.

Während die Immobilienpreise (schon aufgrund der Inflation) weiter steigen werden, stagnieren die Löhne und erst recht die Sparzinsen. Gerade kinderreiche Familien werden in vielen Fällen gar kein Vermögen bilden können, um einen fünf- oder dereinst sechsstelligen Betrag mir nichts dir nichts berappen zu können.

Es kommt also nunmehr genau das, was die ÖVP verhindert zu haben vorgibt: Eine massive Belastung des Mittelstandes – und allemal eine schwere Hypothek, die fortan über vielen Familien lastet. (Eine Hypothek, die auch zur Investitionsbremse wird, zumal Erneuerungen am Haus dessen Marktwert erhöhen.) Vielen Dank, Herr Mitterlehner!

Dr. Wilfried Grießer (geb. 1973) arbeitet in der Erwachsenenbildung und lebt mit seiner Familie in Mödling bei Wien

zur Übersicht

Kommentieren (leider nur für Abonnenten)

Teilen:
  • email
  • Add to favorites
  • Facebook
  • Google Bookmarks
  • Twitter
  • Print




© 2024 by Andreas Unterberger (seit 2009)  Impressum  Datenschutzerklärung