Ernüchterung im Nationalrat

Es war mein erstes Jahr in der Politik und ich empfinde es als große Ehre, für die österreichischen Bürger zu arbeiten. Ich dachte – wohl etwas naiv – dass die meisten Politiker diese Einstellung teilen, aber ich bin zu der ernüchternden Erkenntnis gekommen, dass neben einigen Idealisten viele Politiker sitzen, die in erster Linie den eigenen Machterhalt und Klientelpolitik im Auge haben.

Auch wir sind nicht fehlerfrei, im Gegenteil. Wir sind schnell gewachsen und Milliardär Frank Stronach hat die unterschiedlichsten Charaktere angezogen. Wir haben uns für unsere Fehler oft entschuldigt und sind sogar dafür verhöhnt worden. Von Seiten der Regierung habe ich noch nie eine Entschuldigung gehört, nicht einmal von den damals verantwortlichen Politikern zur Causa Hypo-Alpe-Adria.

Ich bin beeindruckt vom Bericht der Griss-Kommission. Er zeigt das Totalversagen des politischen Systems schonungslos auf. Auf sachliche Art wird Kritik am großkoalitionären System geübt, das sich wie eine Krake über das Land ausgebreitet hat und in alle wichtigen Bereiche der Gesellschaft eingedrungen ist.

Die Oppositionsparteien haben kaum eine Chance, einen Beitrag zu leisten. Jeder Vorschlag, und mag er noch so konstruktiv sein, wird reflexartig von der Regierung abgelehnt. So zu arbeiten war mir neu. In der Wirtschaft geht man offen an ein Problem heran, in der Politik wird alles zerredet. Es gibt Klausuren, Ausschüsse, Unterausschüsse. Aber letztlich ist es egal, was man vorschlägt. Die Entscheidung ist längst gefallen und im Parlament gibts die große Show für das TV-Publikum.

Das ist schade, denn es gibt wirklich gescheite Köpfe in allen Parteien, aber der Regierung geht es vor allem darum, ihren absoluten Machtanspruch zu verteidigen. Und wenn neue Parteien auftauchen, die diesen Anspruch gefährden könnten, unterstützen die systemrelevanten Medien deren Demontage und damit den Machterhalt des Systems. Die Neos werden in wochenlangen Diskussionen um Cannabis demontiert und einer der erfolgreichsten Unternehmer dieses Landes, Frank Stronach, wird respektlos angeschüttet, ob seiner sicher ungewöhnlichen Ausdrucksweise. Alle stürzen sich voll Häme auf die Verpackung.

Wenn ich an unsere Hauptwahlkampfthemen denke, das waren steigende Arbeitslosigkeit,  steigende Steuerlast und der wachsende Schuldenberg. Wir haben nie an diese Voodoo-Ökonomie geglaubt, dass man mit noch mehr Schulden aus der Verschuldung herauskommt. Wir haben auch nie an dieses Euro-Konstrukt geglaubt, das Staaten verschiedenster Volkswirtschaften über einen Kamm schert. Dass die Schweizer Nationalbank sich von der Euro-Bindung gelöst hat, ist „eine schallende Ohrfeige für die Euro-Ökonomie, die aus der EU endgültig eine Transferunion macht“, wie der Wirtschaftschef einer österreichischen Tageszeitung geschrieben hat.

Frank Stronach hat vor all dem gewarnt, aber hierzulande scheinen Rhetorik und NLP-Kurse (Neuro-linguistisches Programmieren) wichtiger als Inhalte zu sein. Ich gebe zu, ich habe nach zwölf Jahren Kanada an ein ganz anderes Österreich geglaubt, an eines der vielen fleißigen Bürger und Unternehmer. Aber das Parteibuch-dominierte Österreich, das ich jetzt kennengelernt habe, ist unfähig zur Selbstreflexion und kennt keine politische Verantwortung. Im Zweifel wird nicht die Wahrheit gesagt, in der Hoffnung, dass die Bürger aufgrund der Komplexität den Überblick verlieren.

Dank des Griss-Berichts liegen jetzt die Fakten auf dem Tisch. Es gibt einen Hoffnungsschimmer für eine bessere Demokratie. Ich setze vor allem auf die Oppositionsparteien und die vernünftigen Leute in den Regierungsparteien, dass wir über alle ideologischen Grenzen hinweg einen Schulterschluss schaffen. Es erfordert einen Kraftakt, diese obersten System- und Machterhalter auszuhebeln. Unser Rechtsstaat muss auch für sie gelten und die politische Verantwortung darf keine Worthülse sein.

Wenn eine politische Klasse für Ihr Tun, selbst wenn es noch so fahrlässig, verantwortungslos oder gar kriminell ist, nicht zur Verantwortung gezogen wird, während der steuerzahlende Bürger mit immer neuen Gesetzen und Vorschriften gegängelt und selbst für Bagatellen bestraft wird, dann ist das Vertrauensverhältnis zwischen Bevölkerung und Regierung schwer gestört. Wenn es am Ende die politische Willkür ist, die Steuergesetze auslegt und über Strafe oder Freiheit entscheidet, dann nähern wir uns wohl eher einer Gesellschaft mit diktatorischen Zügen!

Mühsam haben unsere Vorfahren sich ihre Freiheiten und Bürgerrechte erkämpft, wir dürfen uns diese nicht einfach nehmen lassen, sei es durch den Versorgerstaat, der durch Umverteilungspolitik das Recht auf Eigentum gefährdet und die Menschen in Abhängigkeit hält, oder sei es durch das neue Bedürfnis nach Sicherheit nach den grauenvollen terroristischen Anschlägen in Europa.

Ich hoffe, dass die österreichischen Bürger das bekommen, was sie verdienen. Nämlich eine fleißige und anständige Regierung, die das Beste für das Land und nicht das Beste für sich selbst tut. Aus Patriotismus und aus Liebe zu Österreich.

Dr. Kathrin Nachbaur ist Nationalrats-Abgeordnete. Sie war Industrie-Managerin und Fraktionsvorsitzende des Teams Stronach.

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