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Die Erfindung des hässlichen Deutschen

Selbst 100 Jahre danach zeigt die Kriegspropaganda der Entente noch immer Wirkung. Noch heute trägt der Schurke im Hollywoodfilm einen deutschen Namen, spricht mit deutschem Akzent oder fährt wenigstens ein deutsches Auto. Der 1914 in die Welt getretene Mythos vom „hässlichen Deutschen“, vom kulturlos-brutalen, kindermordenden und vergewaltigenden „Hunnen“, lebt fort.

Wer den Deutschen heute Böses will, greift zwar gerne auf Nazi-Stereotype zurück (siehe die antideutschen Ausfälle im Rahmen der aktuellen Schulden- und Währungskrise in Europa – ohne Hitlerbärtchen geht da gar nichts). Der Keim dieser – offen rassistischen – Affekte wurde jedoch schon 20 Jahre vor der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten gelegt.

Der Buchautor, Theologe und Historiker Karlheinz Weißmann spürt der Entstehungsgeschichte der germanophoben Stereotype nach. Fündig wird er im Jahr 1914, als der Erste Weltkrieg ausbricht. Zwar gibt es auch davor schon massive antideutsche Ressentiments in Frankeich (Revanche für 1871!) und England („Made in Germany“). Doch erst mit Beginn der Kriegshandlungen – namentlich mit dem „Überfall“ auf Belgien – brechen schließlich alle Dämme.

Von wenigen Ausnahmen wie etwa Bertrand Russel abgesehen, ist faktisch die gesamte Intelligenz der Entente-Mächte: Literaten, Wissenschaftler und Intellektuelle vom ersten Tag des Krieges an bemüht, ihrem Feind nicht bloß die Alleinschuld am Kriegsausbruch anzulasten. Sie schrecken auch nicht davor zurück, mit frei erfundenen Gräuelmärchen die Deutschen zu einer Nation von Monstern zu stilisieren. Da wimmelt es von durch die Soldateska des verhassten Kaisers auf Bajonette gespießten Kindern, vergewaltigten Frauen und von zu Seife verarbeiteten Leichen gefallener Gegner. Motto: Im Krieg ist alles erlaubt – der Zweck heiligt alle Mittel.

Diese Art der Kriegsführung ist neu und überaus erfolgreich. Die Mittelmächte stehen ihr bis zum Kriegsende absolut rat- und hilflos gegenüber. Die Wirkung der alliierten Gräuelpropaganda zeigt sich zunächst an der erfolgreichen Rekrutierung von Kriegsfreiwilligen und 1917 schließlich am Kriegseinritt der USA auf Seiten der Entente.

Zitate aus Publikationen der Zeit ab 1914 und viele Illustrationen dokumentieren den herrschenden, antideutschen Rassismus. Die stereotypen Darstellungen der Deutschen als Pickelhauben-bewehrte Insekten, Affen und Monster stehen den später von den Nationalsozialisten benutzten Darstellungen von „Untermenschen“ um nichts nach.

Der Große Krieg wird von den Alliierten aus zwei Gründen geführt: Zum einen, um „die Welt sicher für die Demokratie zu machen“ (Woodrow Wilson). Zum anderen, um damit, ein für allemal, „alle Kriege zu beenden“ (H. G. Wells).

Mark Twain verdanken wir die Erkenntnis: „Geschichte widerholt sich nicht, aber sie reimt sich.“ Schließlich findet die Legende von der Deutschen Alleinschuld am Kriege – auf Druck Frankreichs und Englands – im Artikel 231 des Versailler Vertrages ihren Niederschlag. Dass dieser beispiellose Akt von Siegerwillkür und böswilliger Demütigung des Kriegsverlierers schließlich zur Keimzelle eines noch verheerenderen Krieges werden könnte, wurde von hellsichtigen Zeitgenossen schon damals kritisiert.

Fazit: unbedingt lesenswert!

1914 Die Erfindung des hässlichen Deutschen
Karlheinz Weißmann
Junge Freiheit Verlag GmbH & Co. KG, 2014
205 Seiten, gebunden
ISBN 978-3-929886-45-0
34,90 Euro

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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