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Und jetzt auch noch ein „Selbstmord“

Als ob der österreichischen Justiz im Megakrieg zwischen dem kasachischen Geheimdienst und Ex-Botschafter Aliyev nicht schon genug Fehler passiert wären: Jetzt hat der kasachische Exdiplomat anscheinend – oder scheinbar – auch noch Selbstmord begangen. In der Untersuchungshaft im Wiener Landesgericht. Das ist schon deshalb mehr als aufklärungsbedürftig, als Aliyev zuletzt sogar die Haft noch dem Leben in Freiheit unter ständiger Angst vor kasachischen Mordagenten vorgezogen hat.

Spätestens jetzt ist dringender Handlungsbedarf für den Justizminister gegeben: Und der kann nur darin bestehen, nicht nur die Umstände dieses wirklich oder angeblichen Selbstmords, sondern auch das Verhalten der Wiener Staatsanwaltschaft in allen anderen Aspekten dieser Causa extern untersuchen zu lassen. Er muss dies zumindest dadurch machen, dass er den ganzen Akt an die Korruptionsstaatsanwaltschaft überträgt.

Denn die Untätigkeit der Staatsanwaltschaft Wien insbesondere in Hinblick auf die Aktivitäten des kasachischen Geheimdienstes und auf dessen Helfershelfer in bestvernetzten Wiener Juristenkreisen ist absolut unerträglich geworden. Es kann nicht sein, dass der Verfassungsschutz von diesen Aktivitäten überzeugt ist und intensiv darüber berichtet. Dass dann aber nichts geschieht.

Es ist zwar psychologisch verständlich, dass der Justizminister als ehemaliger Strafverteidiger Aliyevs sich da möglichst heraushalten will. Aber es ist trotzdem seine oberste Aufgabe, die Korrektheit einer ihm unterstellten Behörde sicherzustellen. Am effizientesten kann das nur durch eine komplett externe Untersuchung geschehen, wo also nicht wieder – wie einst im Fall Kampusch – kollegiale Geister Staatsanwälte überprüfen.

Wenn sich Herr Brandstetter da kein Durchgreifen zutraut, dann sollte er die Konsequenzen ziehen. Österreich ist ja voll von glanzlos aus dem Amt geschiedenen Ministern.

So wie sich der Rechnungshof bei der Verwaltung glücklicherweise ständig unbeliebt macht, wenn er penibel und (zumindest noch unter der jetzigen Führung) völlig unabhängig seine stichprobenartigen Kontrollen macht und über deren Ergebnisse berichtet, so wäre das auch in der Staatsanwaltschaft dringend notwendig. Vor allem das Missverhältnis zwischen den vielen de facto ignorierten Delikten und jenen Causen, wo dann plötzlich die volle Staatsgewalt gegen Kritiker der Staatsanwaltschaft aufgefahren wird, ist absolut unerträglich geworden.

Das Vertrauen in den Rechtsstaat ist die absolut wichtigste Grundlage jedes funktionierenden Staates. Geht das verloren, führt das zu noch schlimmeren Konsequenzen für ein Land, als es schon die in den letzten Jahren stattfindende Explosion der Staatsschulden tut.

Jetzt ist Aliyev tot. Jetzt fehlt damit auch noch das Korrektiv eines hoffentlich korrekten und unbefangenen Prozesses außerhalb der Ingerenz der Staatsanwaltschaft, bei dem viele Wahrheiten aufgedeckt werden könnten. Umso wichtiger ist nun ein Substitut für diesen Prozess.

All das heißt keineswegs, dass ich von Aliyevs Unschuld überzeugt bin. Oder gar von seinem anständigen Charakter. Aber das darf doch noch kein Anlass sein, dass ein asiatischer Diktator seine Machtspiele und Familienfehden ungehindert auf österreichischem Boden stattfinden lassen kann.

 

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