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Die Bürger im Abwehrkampf

Traditionelle bürgerliche Wertvorstellungen, die über Jahrhunderte zum Selbstverständnis des Bürgers gehörten, sind heute nicht mehr passend. So will es der Mainstream der politischen Korrektheit. Alles offiziell Politische drängt, sofern es als gut und legitim angesehen werden will, zur gesichtslosen, dafür aber umso zeitgeistigeren Mitte.

Dort in der Mitte kann man sich hinter leeren und gutmenschlichen Phrasen verstecken und seine politische Nicht-Positionierung mit Toleranzbekenntnissen trefflich verbergen. Was neben der Mitte im politischen Spektrum noch erlaubt, wenn nicht sogar gewünscht ist, sind aufgeweichte und schwammige, will heißen: moderne linksideologische Ansichten aller Art. Denn diese gelten als prinzipiell in Ordnung und sind für jede Kritik a priori sakrosankt.

Diese neue Art des Politikverständnisses führt keineswegs zu einer Besserstellung des Einzelnen, wie dies oft behauptet wird, sondern lässt nur die Beliebigkeit wuchern. Niemand muss sich mehr an die traditionellen Werte halten, alle dürfen alles und allen steht alles zu. Der Clou dabei: Geht einmal etwas schief, erklären sich die Betroffenen zum Opfer und werden dadurch immun gegen althergebrachte und bewährte Pflichten wie Selbstverantwortung und Eigenständigkeit.  

Der viktimisierende Gestus ist durch den politisch ausgelösten Werteverlust zum Kennzeichen der öffentlichen Debatte geworden: Jeder ist eine unterdrückte Minderheit und jeder kommt deswegen zu kurz. Die Wohlstandsgesellschaft ist zwar für alle da, das aber ständig zu wenig. Alle sind wir daher Opfer.

Die Politik der Mitte, die sich zu nichts bekennt, es jedem recht machen will und keine Werte mehr besitzt, steht deswegen unter permanentem Zugzwang und muss alle diese Opfer ständig betreuen, bedienen und befriedigen. Traditionelle Werte wie Verantwortungsgefühl, Ehre, Disziplin, Anstand, Glaube, Nächstenliebe, Verlässlichkeit und Pflichtbewusstsein, aber auch die Fähigkeit zum Verzicht und der Wille zur Anstrengung gelten als obsolet. Und wenn es schon Werte geben soll, dann bitte nur für die anderen. Die sind dann sowieso selber schuld an ihren verstaubten Vorstellungen und ihrem Griesgram. 

Die vor nicht allzu langer Zeit von zwei großen und eindeutig zeitgemäß agierenden Elektronik-Märkten geprägten Werbe-Slogans „Ich bin doch nicht blöd, Mann“ und „Geiz ist geil“ können als Sinnsprüche für die postmoderne wertefreie Grundhaltung gelten: Wer ist schon so blöd und wird traditionelle Werte als Leitmotive für sein Leben wählen? Mit ein bisschen Geschick und Gewitztheit kann man sich doch alles nehmen, was das Leben so zu bieten hat, die Letztverantwortung für jedes Tun und Handeln liegt sowieso beim Staat.  

Und Geiz wird deswegen als geil empfunden, weil der Geiz eine egozentrische gesellschaftliche Haltung darstellt und damit gut ins Konzept der Beliebigkeit passt: Nimm Dir, was du brauchst! Zuerst kommst Du, dann erst die anderen. Und wenn die anderen besser bedient werden, dann schrei und werde zum Opfer, siehe oben.

Werteverlust führt zu unstillbarem, materialistischem Anspruchsdenken und zu einer daraus resultierenden ständigen Enttäuschung. Ohne Orientierung an den traditionellen Grundwerten entstehen dumpfe Ressentiments und Frustrationen, die wiederum die Aggressionspotenziale steigern. In einer Gesellschaft ohne Werte regiert die politische Armseligkeit, welche einen allgemeinen Niedergang erzeugt und diesen danach stetig fördert. Wer das nicht erkennt und wacker die Errungenschaften der politischen Postmoderne preist, ist zwar im Zeitgeist zuhause, in Wirklichkeit aber ein Wegbereiter des Zerfalls.

Eine klare Richtschnur für das persönliche Handeln zu haben, ist außerdem recht gefährlich geworden: Sind Sie bürgerlich eingestellt und haben traditionelle Vorstellungen von Arbeit, Familie, Gesellschaft und Staat? Dann seien Sie vorsichtig, denn mit dieser klassischen rechten Haltung gelten Sie als unmodern, wenn nicht gar als gefährlicher Reaktionär. Wenn Sie auch noch Elitenbildung gutheißen und wirtschaftsliberale Ideen fördern und verbreiten, dann gehören Sie ohnehin zu den neoliberalen Zerstörern des Wohlfahrtsstaates, vor denen man sich in den Zeiten der Krise hüten muss. Wenn Sie zudem noch eine christliche Grundeinstellung zu Ihrem Werte-Portfolio zählen, wird man Sie überdies als Unterstützer einer verurteilenswerten und durch die Kirche beförderten Doppelmoral denunzieren.

Und wenn Sie der Meinung sind, dass Kultur grundsätzlich nur durch die Bewahrung der Unterschiede zwischen den Sozietäten zu entwickeln und zu erhalten ist, dann geraten Sie in bedenkliche Nähe zu Rechtsaußen-Positionen, die a priori und ohne Differenzierung abzulehnen sind. Und last but not least: Sollten Sie patriotische Gefühle haben, behalten Sie diese lieber für sich, weil Begriffe wie „Vaterland“ oder „Heimat“ darf heute nur mehr derjenige benutzen, der es aushält, in den Traktaten der veröffentlichten Meinung als Nationalist oder gar Rassist bezeichnet zu werden.

Allerdings besteht berechtigte Hoffnung, wenn Sie bei Ihrer Linie bleiben: Degeneration und Beliebigkeit haben noch nie zu einer dauerhaften Überlebensfähigkeit einer Gesellschaft geführt. Klare Linien, eindeutige Haltungen und Mut zum Widerstand gegen nivellierende Tendenzen sind der einzige Weg aus dem Morast der Mitte.

Dr. Marcus Franz ist Arzt und Nationalrats-Abgeordneter des Team Stronach.

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