Es waren abscheuliche Taten, Journalisten und andere Menschen zu ermorden. Der Anlass: grenzwertige Satiren. Der Hintergrund: Frustrationen der arabischen Welt. Die Anschläge fordern Frankreich, die Demokratie, die Pressefreiheit heraus.
Pressefreiheit ist geschichtlich bitter erkämpft worden und ein sehr hohes Gut – und äußerst mutige Journalisten haben bis heute dafür ihr Leben aufs Spiel gesetzt. Dies alles muss vorausgeschickt werden.
Meinungsfreiheit – auch die der Satire – ist in keiner demokratischen Gesellschaft völlig unbegrenzt. In vielen publizistischen Äußerungen ist das übersehen worden. Freie Meinung – auch in Karikaturen – setzt ein Mindestmaß an Achtung anderer voraus.
Es braucht Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, besser: Geschwisterlichkeit unter allen Menschen. Und auch Medien müssen ein Mindestmaß an Respekt und Toleranz beachten, auch wenn es Religionen betrifft. Die Gier nach Aufmerksamkeit ist nicht das Maß aller Dinge.
Satire wird nicht überall gleich verstanden, nicht in riesigen Vorstädten wie in Paris mit muslimischen Migranten. Um richtig verstanden zu werden, braucht Satire ein kulturelles Umfeld, ein muslimisches Publikum, das gelernt hat, mit Satire und Religionskritik umzugehen. Was wurde dafür an politischer Aufklärung geleistet, damit diese Menschen Werte der Demokratie und der Pressefreiheit verstehen?
Das Recht auf „lustig“ in Satiren kann in der globalisierten Welt zum Problem werden. Sind eklatante religiöse Provokationen der Sonderklasse von „Charlie“ angetan, Verständnis unter Muslimen zu finden? Wem nützten diese beleidigenden Karikaturen, die als radikale Schmähungen und Spott aufgefasst werden? Und da wird gefragt, ob der Islam „spaßbefreit“ ist.
Auch die ZiB 2 am 13.1. diente nicht der Aufklärung, sondern war eine maximale Provokation versus christlicher Überzeugungen. Wie viele Seher kennen den Doppelsinn eines gekreuzigten Frosches? In dieser mehr als ambivalenten Darstellung sehen Kunstkenner die gekreuzigte Natur. Warum wird dies ohne Aufklärung sekundenschnell Hunderttausenden an den Kopf geworfen? Muss alles, was als heilig empfunden wird, in den Dreck gezogen werden?
Rundherum gab es als Draufgabe die Forderung, den Blasphemie-Paragraphen abzuschaffen. Im Gegensatz zu Worten des Bundespräsidenten. Gerade jetzt angesichts der Toten ist diese Forderung absurd – und im Blick auf Religionskriege immer fragwürdig. So diffizil seine Anwendung auch ist. Auch nicht religiös Glaubende wünschen, dass religiös Glaubenden mit Respekt begegnet wird und sie nicht mit maßloser Schmähung und beleidigendem Spott überschüttet werden. Und dies in Karikaturen. Selbstverständlich hat sprachliche Religionskritik ihre Legitimität und war und ist auch wichtig, aber es gibt auch antireligiösen Fanatismus, der übersieht, dass seit 250 Jahren die säkularen Kräfte für die Welt von heute verantwortlich sind.
Im „Standard“ wird wieder die Beschneidung von Kindern als „Körperverletzung“ aufs Korn genommen, vielleicht sollte der Autor einmal mit einem Urologen reden, um Neues zu erfahren.
Em. Prof. Dr. Mag.mult. Hans Högl ist Medien- und Kultursoziologe; er war früher Präsident der „Vereinigung für Medienkultur“