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Nuhr keinen Ärger mit dem Islam

Es war nur eine Frage der Zeit. Ein Moslem aus Osnabrück, angeblich Salafist, hat den deutschen Kabarettisten Dieter Nuhr angezeigt. Wegen „blöder, dummer Hetze" gegen den Islam. Das Delikt: Beschimpfung von Bekenntnissen und Religionsgesellschaften. Strafrahmen bis zu drei Jahre Haft. Es verwundert nur, dass das nicht schon viel früher passiert ist.

Aber Salafisten dürften eher selten deutsche Kabarettbühnen besuchen und Satire-Sendungen im öffentlich-rechtlichen Fernsehen ansehen, wo Dieter Nuhr für gewöhnlich auftritt. Im Grunde genommen sollten sie das aber, denn normalerweise sind sie dort entweder gar kein Thema oder sie werden als Opfer des gemeinen deutschen Rassisten oder des amerikanischen Imperialismus hofiert. In der Regel sind deutsche Kabarettisten äußerst Islam- und Islamismus freundlich. Bis auf gang ganz wenige Ausnahmen. Dazu gehört neben Dieter Nuhr eigentlich nur noch Andreas Rebers.

Die deutschsprachige Kabarett- und Comedy-Landschaft ist eine gut bevölkerte Einöde. In ihr tummeln sich zwei Kategorien von Spaßmachern. Die linken (tendenziell unlustigen) Kabarettisten, die Abend für Abend ihr politisch-korrektes Glaubensbekenntnis ablegen, ihre linken Botschaften von der Kleinkunstkanzel herab predigen und sich über die Rückständig- und Engstirnigkeit und die Phobien des gemeinen deutschen Bürgers beklagen.

Auch die zweite Kategorie der Bühnenhumoristen schwimmt im politisch-korrekten Mainstream, ihre Witze sind aber so flach, dass es nicht sofort auffällt. Sie beklagen nicht wie ihre „intellektuelleren“ Kollegen Muttis pseudokonservative Politik und das Ausbleiben der linken Weltrevolution, sondern das schlechte Fernsehprogramm oder die Dummheit irgendwelcher C-Promis.

Aber im Grunde genommen unterscheiden sich Kabarettisten und Comedians nur oberflächlich voneinander. Die einen bedienen mit intellektuellem und kritischem Gestus das politisch-korrekte Neospießertum, die anderen mit billigen Kalauern die hedonistische Unterschicht. Im Grunde ist es aber dieselbe Sauce. Man reichert den politisch-korrekten Einheitsbrei, mit dem der Bürger tagtäglich gefüttert wird, mit ein paar Witzen und Pointen an, fertig ist die kabarettistische Schonkost.

Was beide Gruppen zudem vereint, ist ihre Rückgratlosigkeit. Denn das Schweigen der Kollegen zur Anzeige gegen Dieter Nuhr ist schon sehr laut. Da kämpfen die Kabarettisten seit Jahrzehnten mutig gegen den längst verwesten Adolf Hitler, mit dem quicklebendigen Islamismus legt man sich lieber nicht an. Was für Helden. Dass er ziemlich alleine dasteht, weiß Nuhr. „Die ziehen den Schwanz ein“, so der Kabarettist über seine Berufskollegen.

Harald Schmidt und Eckart von Hirschhausen sind wenigsten ehrlich genug, um offen zuzugeben, dass sie den Islam deshalb nicht kritisieren, weil sie Angst haben. Ihre Kollegen haben nicht einmal den Mut, das zuzugeben. Stattdessen windet und verrenkt man sich, erfindet seltsame Begründungen und Ausreden, obwohl ohnehin alle Beteiligten die wahren Gründe kennen. Aber sie leben seit vielen Jahren gut von ihrer revolutionären, aufklärerischen und kritischen Pose (für eine Haltung bräuchte man mehr Rückgrat), von ihrer Besserwisser- und Klugscheißerei.

Und weil ihr Publikum zumeist ebenso verfasst ist, funktioniert dieses kabarettistische Geschäftsmodell auch ganz gut. Für Demokratie, Presse- und Meinungsfreiheit kämpft man nur solange, solange es nicht weh tut und ungefährlich ist. Deshalb geht man jetzt in Deckung, wartet ab, was mit Nuhr passiert, wer sich mit ihm solidarisiert, wer ihm in den Rücken fällt und ob er alles unbeschadet überstehen wird. Dabei ist die Anzeige selbst gar nicht das Problem, in einem Rechtsstaat darf man das und es wird wahrscheinlich nicht einmal zu einer Anklage oder gar Verurteilung kommen.

Wenn die Luft rein ist, kann man aus seinem Loch hervor kriechen und Stellung beziehen. Wenn nicht, tritt man – nach dem Motto: Selber schuld, kein Mitleid – auf Nuhr als islamophoben Hetzer ein, das hat sich ja auch schon bei anderen Promis ganz gut bewährt.

Da macht es auch nichts, dass Nuhr bis gerade eben noch als einer der intelligentesten Satiriker Deutschlands gefeiert und erst kürzlich mit dem renommierten Jacob-Grimme-Preis ausgezeichnet worden ist. Aber so etwas kann sich schnell ändern. Schon jetzt schreiben viele Journalisten nur noch über die „Islamwitze“ von Nuhr, von Satire, Kritik, Aufklärung oder gar feiner Klinge liest man nur noch wenig.

Die meisten Medien reagieren vorsichtig abwartend. Die Osnabrücker Zeitung, die als erstes über die Anzeige berichtet hat, lässt anfänglich nur Erhat Toka, der Nuhr angezeigt hat, zu Wort kommen. Er wird darin als toleranter und humorvoller Mensch dargestellt, der „keine Spaßbremse sein will“.

Aber beim Islam hört sich der Spaß dann bekanntlich doch auf. Auch einschlägige Religionswissenschaftler dürfen Nuhr kritisieren. Nuhr selbst kommt nicht zu Wort. In einem weiteren Artikel legt das biedere Provinzblatt nach: „Dieter Nuhr zieht inzwischen nicht nur Kritik von Muslimen und Religionswissenschaftlern auf sich. Auch Migrationsforscher (…)

Anhand dieser Artikel ist gut ersichtlich, wie sehr sich das Klima in Deutschland gewandelt hat, wie sich die Machtverhältnisse Stück für Stück verschieben, wie schnell und sorglos demokratische Grundwerte wie Meinungsfreiheit in Frage gestellt werden.

Man ist lieber vorsichtig, man will sich nicht mit den falschen anlegen. Und das Internet vergisst nicht. Wenn in zehn oder 15 Jahren… Wer weiß, lieber nichts riskieren. Daran ist gut abzulesen, wie viel Macht, Autorität und Vertrauen der Staat und seine Institutionen bereits verloren haben.

Auch andere Medien haben anfangs ähnlich regiert. Man hat entweder ganz vorsichtig und neutral berichtet oder versucht, wie in solchen Fällen üblich, das Ganze zu verharmlosen. Der „Focus“ beginnt seinen Artikel mit: „Über Humor lässt sich bekanntlich streiten“, der „Stern“ fragt: „Was darf Satire?

Aber es geht natürlich nicht um die Grenzen von Satire und Humor, es geht ausschließlich um den Islam und die Islamkritik. Das wissen auch diese Medien, denn die Kirche wird seit Jahrzehnten Abend für Abend in TV und auf Kabarettbühnen verarscht und kritisiert. Alles kein Problem. Auf die Befindlichkeiten von Christen braucht man keine Rücksichten zu nehmen.

Die Grenzen des Humors werden von der Macht, dem Willen und der Durchsetzungsfähigkeit jener Gruppen festgelegt, die Ziel der jeweiligen humoristischen Spitzen sind. Daran lassen sich die Macht- und Kräfteverhältnisse im jeweiligen Land recht gut ablesen.

Deshalb heben die Mainstream-Medien die unangenehme Islam-Debatte rund um Dieter Nuhr auf die unverfänglicher Ebene, was Satire darf und was nicht. Da fühlt man sich wieder halbwegs sicher. Genau daran erkennt man auch, wie wichtig Islamkritik ist.

Einige Medien sind in den vergangenen Tagen etwas mutiger geworden und sprechen das Thema nun direkter an. Grund dafür dürften die zahlreichen Reaktionen in den Foren und sozialen Netzwerken gewesen sein. Sie zeigen, dass die „einfachen“ Leute oftmals mehr Mut haben, als die eitlen und selbsternannten Kämpfer für Demokratie in Medien, Kultur und Politik.

Werner Reichel ist Journalist und Autor aus Wien. Kürzlich sind seine neuen Bücher „Die Feinde der Freiheit“ und „Das Phänomen Conchita Wurst: Ein Hype und seine politischen Dimensionen“ erschienen.

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