Nicht weil es leicht ist …

Der Antiamerikanismus ist ein erstaunliches Dauerphänomen. Er ist bei völkisch gefestigten Putinflüsterern, die sich wieder einmal nach einem starken Mann sehnen, genauso vertreten wie bei grünen Weltverbesserern, die alle Menschen gegen ihren Willen glücklich machen wollen. Man kann viele Gründe dafür anführen, der Hauptgrund dürfte darin liegen, dass wir Europäer, und ganz besonders wir Österreicher, erfolgreiche Menschen und Staaten grundsätzlich unter Generalverdacht stellen. Wir können leider nicht anders.

Sehen wir uns ein paar Tatsachen an.

In allen Universitätsrankings sind die USA uneinholbar. Unter den ersten zehn Universitäten befinden sich acht amerikanische und zwei britische Universitäten. Es ändert sich nichts, wenn man die ersten 20 betrachtet: 16 amerikanische, drei britische und eine Schweizer Universität (ETH Zürich). Unter den ersten hundert befinden sich auch mehrere deutsche, kanadische und israelische Universitäten. Über die Position der Österreicher hüllen wir gnädig den Mantel des Schweigens.

In den führenden Techniken (Elektronik, Biochemie, Genetik) sind die Amerikaner, wenn überhaupt, nur noch von Engländern und Deutschen einholbar. Bei der Zahl der Nobelpreisträger sind sie gegenüber dem Rest der Welt in einer fast schon deprimierenden Weise dominierend.

Das weltweite Internet wurde von der US-Army in den Sechziger Jahren entwickelt, 1969 an der Universität San Diego in Kalifornien in Betrieb genommen und gemeinsam mit CERN in Genf weiterentwickelt. Die erfolgreichsten Computerbetriebssysteme (UNIX, Windows, Apple-OS und andere) sind ausschließlich amerikanische Entwicklungen. Der Transistor und die Computerchips wurden in den USA erfunden und bis heute weiterentwickelt. Die großen Prozessorfirmen (IBM, Intel, Motorola, Texas Instruments etc.) befinden sich in den USA, Europa und Asien können gerade noch halbwegs mithalten.

In der Raumfahrt hat das Ende des Space Shuttle-Programms zu Götterdämmerungs-Kommentaren geführt. Die Wahrheit sieht anders aus. Während das Sojus-Raumschiff der Russen seit seinem Erstflug im April 1967 nur im elektronischen Bereich verbessert wurde, die Russen also seit einem halben Jahrhundert mit dem gleichen Modell fliegen, arbeiten die USA nach Mercury, Gemini, Apollo und Space Shuttle nun an ihrer fünften bemannten Raumschiffgeneration. Gleichzeitig entwickeln die Amerikaner die größte und leistungsstärkste Raketenserie aller Zeiten. Die „Ares V“ ist sogar für extreme Schwerlasttransporte zu Mond und Mars konzipiert. Keine Nation kann hier noch mithalten. Neuentwicklungen in der Raumfahrt haben immer einen weltweiten Technologie- und auch Euphorieschub bewirkt. Diesmal wird es nicht anders sein.

In der Energieversorgung wird sich in Kürze alles ändern. Waren die Amerikaner jahrzehntelang von Ölimporten abhängig, so werden sie schon in Kürze durch neue Fördertechniken zum Ölexporteur mutieren, was ihre Politik noch unabhängiger machen wird. Ob uns das gefällt oder nicht, spielt keine Rolle. Fakten sind von Gemütsverfassungen unabhängig.

In der Unterhaltungsindustrie sind die USA ebenfalls einsam unterwegs. Man schaue einmal genau hin, was unsere Jugend begeistert. Kennen Sie „Breaking Bad“, „Sons of Anarchy“, „House of Cards“, Game of Thrones“, „True Detective“ oder „Homeland“? Nie gehört? Dann fragen sie die Jungen in ihrer Bekannt- und Verwandtschaft. Es handelt sich um grandiose amerikanische TV-Serien, auf die unsere Jugend „voll abfährt“, wie es im Jargon heißt. Es gibt zwar ein paar europäische TV-Serien, die verkauft werden konnten, aber sie reichen an Breitenwirkung niemals an die genannten US-Serien heran.

Auch in der Medienpolitik und -technik geben die Amerikaner den Ton an und zwar im Alleingang. Alle Welt hat das Zeitungssterben inzwischen mitbekommen, das Damoklesschwert über den klassischen TV-Sendern ist aber noch kein Gesprächsthema:

Das Internet ist in den letzten Jahren durch Glasfasertechnik deutlich schneller geworden. Lag das Herunterladen von einigen Bytes vor Jahren noch im Bereich von Minuten, so kommt heute die gleiche Datenmenge in Sekundenbruchteilen daher. Diese Schnelligkeit ermöglicht es Anbietern wie „Netflix“, für TV-Sender zu einer tödlichen Bedrohung zu werden. Für eine Monatsgebühr, die in der Größenordnung von zehn Euro liegt, können alle Filme und TV-Serien und jede beliebige TV-Sendung jederzeit „gestreamt“ und angesehen werden.

Dies hat dazu geführt, dass in den USA der Markt für DVDs zusammengebrochen und der für Blu-rays schwer angeschlagen ist. Inzwischen haben die ersten Produktionsfirmen bereits angekündigt, große Serien nicht mehr für Fernsehsender, sondern nur noch für Netflix und vergleichbare Netze zu produzieren.

In Europa versuchen private TV-Sender mit den Netzanbietern zu kooperieren, einige Sender haben sogar eigene On-Demand-Streaming Services gegründet. So hat etwa die private Pro-7-Gruppe den noch wenig bekannten Dienst „Maxdome" (www.maxdome.at) ins Leben gerufen. Sollten der ORF und andere verstaatlichte TV-Sender an dieser unaufhaltsamen Entwicklung nicht zugrunde gehen, so werden sie zumindest an Bedeutung verlieren. Ihre Propagandakraft wird schwinden, worüber nur wenige Österreicher trauern werden.

Nein, es geht nicht darum, alles undifferenziert zu verteidigen, was die Amerikaner tun. Die USA betreiben Machtpolitik, wodurch sie sich Feinde geschaffen haben. Sie haben Fehler gemacht, aber wer dauernd aktiv ist, macht Fehler. Fehlerlos sind nur die Inaktiven und Toten.

Winston Churchill hat es auf den Punkt gebracht: „Die USA machen am Ende immer alles richtig, nachdem sie zuvor sämtliche falschen Möglichkeiten durchprobiert hatten.“ So sind beispielsweise die Abhöraktionen der NSA kein Ruhmesblatt. Die empörten Berichterstattungen über die elektronischen Schnüffeleien der Amerikaner gingen erst zu Ende, als bekannt wurde, dass andere große Länder, darunter auch Geheimdienste der EU-Staaten, das Gleiche machen. Der Unterschied liegt lediglich darin, dass die Amerikaner schneller und effizienter sind.

Was die Amerikaner von den meisten Völkern unterscheidet, ist ihr beharrlicher Wille, einmal Begonnenes durchzuziehen, komme, was da wolle. Präsident Kennedy hat diese Mentalität in einer Rede an die Nation in einem Satz zusammengefasst: „We choosed to go to the moon in this decade, not because it is easy, but because it is hard.“ (Wir haben uns entschieden [noch] in diesem Jahrzehnt zum Mond zu fliegen, nicht weil es leicht ist, sondern weil es schwierig ist.)

Das 21. Jahrhundert wird nicht das Ende der wissenschaftlichen, wirtschaftlichen und militärischen Vormachtstellung der USA sehen, so sehr dies auch von USA-Gegnern herbeigebetet wird.

Mag. Dr. Rudolf Öller hat an einem öffentlichen Gymnasium und einem Privatgymnasium Biologie, Physik, Chemie und Informatik unterrichtet. Er bereist die USA regelmäßig seit seiner Jugendzeit, ist promovierter Genetiker der Universität Tübingen und ehrenamtlich Rettungssanitäter und Lehrbeauftragter des Roten Kreuzes.

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