Gleichheit bedeutet Stillstand – Plädoyer für die Eliten

Das rhetorische Hantieren mit hehren Begriffen wie Gleichheit, Solidarität oder Gerechtigkeit durchzieht den politischen Alltag wie der sprichwörtliche rote Faden. Quer über die Parteigrenzen sind sich alle einig: Diese unsere Grundwerte sind zu schützen! Und trotzdem oder gerade deswegen muss die Gültigkeit dieser Begriffe immer wieder hinterfragt werden: Es könnte nämlich sein, dass nicht alles glänzt, was politisch als golden bejubelt wird. Und es könnte sein, dass einstmals durchaus berechtigte Bestrebungen, gewisse Werte umzusetzen, heute zu kontraproduktiven Faktoren geworden sind.

Von linksideologisch geprägten Leuten wird bis heute nicht akzeptiert, dass eine der Grundvoraussetzungen jedes prosperierenden gesellschaftlichen Lebens Ungleichheit heißt. Diese Nicht-Akzeptanz ist erstaunlich, denn alle historischen Entwicklungen beweisen, dass nur unter grundsätzlich ungleichen Verhältnissen jene dynamischen Prozesse entstehen können, die eine Weiterentwicklung von Gesellschaften ermöglichen.

Egal, ob in Kunst oder Wissenschaft, ob in der Wirtschaft oder im Sport oder in welcher Sparte auch immer, Weiterentwicklungen gedeihen nur dann, wenn Einzelne oder Gruppen neue Ideen und Leistungen bringen oder wenn sie das Neue und Unbekannte wagen und sich damit abseits der Gleichheit bewegen. Die Motive sind hierbei unerheblich, es ist prinzipiell gleichgültig, ob jemand mehr verdienen will oder schneller und besser sein will als sein Konkurrent oder ob er einfach nur etwas bisher noch nicht da Gewesenes kreieren möchte – das Ergebnis zählt.

Am meisten haben Gesellschaften von im wahrsten Sinne Unternehmungslustigen profitiert: Von Menschen, die in irgendeiner Weise aufgebrochen sind, um etwas zu verändern. Historische Belege dafür füllen ganze Bibliotheken.

Politische Ideologien, die a priori auf dem Willen zur staatlichen Herstellung einer gesellschaftlichen Gleichheit beruhen, weisen in eine prinzipiell kontraproduktive Richtung. Zum einen, weil sie wider die menschlichen Grundeigenschaften wie Ehrgeiz, Erfindungsgeist und Mut agieren und zum anderen, weil sie durch das Ansinnen der Gleichheit immer nur eine Nivellierung nach unten begünstigen, da ja zuerst eine biologische Gleichheit der Menschen in jeder Hinsicht herzustellen wäre und dies bekanntermaßen nicht möglich ist: Menschen sind ganz einfach nicht gleich.

Gerade diese Unterschiede erzeugen die Fülle von individuellen Möglichkeiten und Lebensläufen und bieten Raum für Phantasien, Vorbildwirkungen und Kreativität. Der Wille zur Gleichheit führt daher letztlich zur Hemmung der Weiterentwicklung.

Sozio-ökonomischer Fortschritt gelingt nur, wenn sich immer wieder Eliten bilden, die als Avantgarde einer Gesellschaft Neues schaffen und auf diese Weise anderen Gesellschaftsgruppen Anreize geben, ihnen nachzufolgen. Das Szenario der gesellschaftlichen Gleichheit ist das Ende jedes Individualismus, jeder persönlichen Freiheit und jedes Fortschrittsgedankens. Gleichheit bedeutet das Absterben jedes dynamischen gesellschaftlichen Prozesses und letztlich also den Stillstand allen Lebens.

Erstrebenswert hingegen ist es sehr wohl, im Sinne des gesellschaftlichen Fortschritts den Einzelnen möglichst breite und gleiche Chancen zur Bildung und Weiterentwicklung zu geben und die Voraussetzungen zu schaffen, dass sich diejenigen, die das Potenzial haben, möglichst gut entfalten können – und zwar ohne Ansehen von Herkunft, Rang oder Namen.

Förderung von Förderungswürdigen und nicht Versorgung von Unwilligen um jeden Preis sollte dabei die Devise sein. Dass dabei niemand unter die Räder kommen soll, versteht sich in einer christlich-europäisch geprägten zivilen Gesellschaft wie der unseren von selbst. Zweifellos müssen soziale Probleme thematisiert werden, aber nüchtern und sachlich und nicht mit jenem pseudo-emotionalen Gestus und jener phraseologischen Wortwahl, welche nur allzu oft von den hauptamtlichen „Sozial-Fightern“ gepflegt werden.

Vor allem der inhaltsleere Begriff der Sozialen Gerechtigkeit sollte aus dem politischen Vokabular herausgenommen werden. Die Begründung dafür hat der österreichische Ökonom und Nobelpreisträger F.A. Hayek schon vor über 30 Jahren geliefert: „Das Wort Soziale Gerechtigkeit ist Unsinn, weil der Begriff Gerechtigkeit die Regeln des Handelns bestimmt und nicht eine Zuteilungstätigkeit. Und handeln können nur Individuen, nicht der Staat. Die ganze Idee, dass der Staat bestimmt, was jeder haben soll, hat mit dem eigentlichen Gerechtigkeitsgedanken überhaupt nichts zu tun; es ist ein Missbrauch des Wortes.“ (Zürich, 1981).

Grundsätzlich würde es dem sozialpolitischen Diskurs also gut tun, die längst untauglich gewordenen Begriffe Gleichheit, Soziale Gerechtigkeit und Solidarität neu zu definieren: Gleichheit kann es nur im rechtlichen Sinne als Gleichheit vor dem Gesetz und als Gleichheit der Chancen geben. Auf der anderen Seite ist klar festzuhalten, dass die Ungleichheit der Individuen das Lebenselixier jeder Gesellschaft und zunächst daher prinzipiell notwendig ist. Der Topos Soziale Gerechtigkeit sollte aufgrund seiner Unsinnigkeit überhaupt ersatzlos aus der politischen Diktion gestrichen werden.

Und der Begriff Solidarität darf nicht als Einbahnstraße unter der Prämisse „Zahlen und Helfen sollen die Anderen!“ verstanden werden, sondern in erster Linie als Aufruf zur Eigenverantwortung und Selbstbestimmung, denn nur wer für sich selbst sorgen kann oder sich zumindest redlich darum bemüht, wird dies auch für andere können.

Aus der Selbstverantwortung entsteht bei mündigen Menschen der für das Gedeihen des sozialen Gefüges notwendige Altruismus. Kein Staat der Welt kann für die Individuen agieren, das können immer nur die Individuen füreinander tun.

Dr. Marcus Franz ist Arzt und Nationalrats-Abgeordneter des Team Stronach.

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