Geldalchemie: Ende der Fahnenstange

Mit der Entscheidung, den Leitzins von 0,15 auf das historische Tief von 0,05 Prozent zu senken, hat die Europäische Zentralbank ihr letztes Pulver verschossen. Zu erwarten, dass Unternehmen, die das schon vorher extrem billige Geld nicht nehmen wollten, deshalb plötzlich Kredite aufnehmen werden, ist natürlich unsinnig. Es geht wohl eher um eine Bekräftigung der gefährlichen Drohung, notfalls die finanzpolitische „Bazooka“ auspacken zu wollen, falls der Markt nicht so will, wie die europiden Zentralbürokraten und Geldalchemisten sich das vorstellen.

Prompt wird von prominenten Kritikern wie Hans-Werner Sinn, Chef des Münchner ifo-Instituts, Jürgen Stark, ehemals Chefvolkswirt der EZB und Europarechtler Gunnar Beck, die lockere Geldpolitik bemängelt, indem sie auf die daraus resultierenden Gefahren und auf die bestehende Rechtssituation hinweisen. Die hemmungslose Ausweitung von Geld- und Kreditvolumen bedeutet nämlich ein Spiel mit dem Feuer und Fiskalpolitik zählt satzungsgemäß nicht zu den Aufgaben dieses ausschließlich auf die Erhaltung der Währungsstabilität verpflichteten Instituts. Der von EZB-Chef Mario Draghi angekündigte Ankauf verbriefter Firmenanleihen würde eine weitere Überschreitung des Mandats der Zentralbank bedeuten.

Nach der US-FED, der Bank of England und der Bank of Japan verkommt nun auch die Europäische Zentralbank zum geldpolitischen Werkzeug der stets auf der Suche nach noch mehr Geld befindlichen politischen Eliten – insbesondere jener der „Südstaaten“ und Frankreichs. Indes zeigt die Wirkungslosigkeit der expansiven Geldpolitik deren Grenzen auf: Man kann Pferde zur Tränke führen. Saufen müssen sie aber selbst. Tun sie das nicht, so hat das gute Gründe.

Wenn Geld selbst zum Nulltarif auf keine Nachfrage der Wirtschaftsakteure stößt, gilt dasselbe. Offensichtlich bestehen massive Zweifel daran, wie geborgtes Geld in zunehmend zu Tode regulierten und durch staatliche Interventionen verzerrten Märkten noch mit Aussicht auf Erfolg investiert werden kann. Zumal mit Spekulationen auf Staatsanleihen – dank der völlig falsche Signale aussendenden Politik der Notenbanken – zu weit geringeren Risiken deutlich mehr zu verdienen ist.

Um Prosperität vorzugaukeln, ist man in den USA soeben dabei, mit dem mehr als dubios anmutenden „Access to Affordable Mortgages Act“, eine Neuauflage der Subprimekrise von 2007 zu initiieren. Offensichtlich macht man sich hier – allen üblen Erfahrungen zum Trotz – unbekümmert daran, die nächste Immobilienblase aufzupumpen.

Nun werden ja die Zentralbürokraten in Euroland nicht eben dafür gerühmt, gescheiter oder weniger korrupt zu sein als ihre Kollegen in Übersee. Da aber der Einsatz „konventioneller Instrumente der Geldpolitik“ durch die EZB – außer einer weiter ausufernden Staatsverschuldung (so stieg etwa die Staatsverschuldung Frankreichs zwischen 2008 und 2014 von 65 Prozent auf über 94 Prozent an!) – keinerlei Wirkung gezeigt hat, steht zu befürchten, dass auch hier eine neue Eskalationsstufe ins Haus steht. Und zwar in Form des bereits ventilierten, direkten Einstiegs der Zentralbank in die Unternehmensfinanzierung oder mittels der Förderung einer aggressiven Kreditvergabepolitik der Geschäftsbanken für Privathaushalte.

Derartige Maßnahmen bilden in einer marktwirtschaftlich organisierten Ökonomie allesamt wesensfremde Elemente. Zinsregulative hebeln die unverzichtbare Signalfunktion des Geldpreises aus und begünstigen kollektive Fehlentscheidungen von Wirtschaftstreibenden und Konsumenten. Gegen Null manipulierte Zinsen pönalisieren das Sparen, fördern die Schuldenmacherei und beseitigen jedes Gefühl für eine solide Haushaltsführung. „Geschenktes“ Geld bedeutet überdies die Entkoppelung wirtschaftlicher Entscheidungen von jeder Verantwortung.

Wenn betriebswirtschaftliche Fehler keine Konsequenzen mehr nach sich ziehen, weil zum Beispiel Banken im Fall der Fälle – für das Geld der Steuerzahler – koste es was es wolle, gerettet werden, bildet das eben einen zum Fehlverhalten („Moral Hazard“) verführenden Anreiz.

Der Euro als Weichwährung, wie er etwa in Frankreich unentwegt gefordert wird, wem sollte der langfristig nutzen? Dass die Bundesrepublik bei der Einführung der Gemeinschaftswährung wesentlich besser aufgestellt war als Frankreich und Italien, war – auch! – deren seit dem Krieg betriebenen Hartwährungspolitik geschuldet. Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Landes ist bis heute ungebrochen.

Die „Grande Nation“ dagegen taumelt – trotz jahrelanger innereuropäischer Transferpolitik zu Lasten Deutschlands – eben in eine Depression. Italien steht nicht besser da. Es ist an der Zeit, sich von der Idee zu verabschieden, man könne Wohlstand mit der Notenpresse und entschlossenen Raubzügen gegen (im Ausland lebende) Sparer und Leistungsträger erreichen und erhalten.

Die Party ist einfach, trotz Null Prozent Zinsen, vorbei. Wenn das nicht bald auch die Verantwortlichen in Paris und Rom begreifen, könnten der Euro (und die EU?) rascher Geschichte sein, als die Mitglieder des Brüsseler Politbüros es in ihren übelsten Albträumen erleben…

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien. 

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