Jüngsten Medienberichten zufolge sollen bis 2020 Sonderpädagogische Einrichtungen weitestgehend abgeschafft werden. Unter der beschönigenden Formulierung „Inklusion“ sollen dann auch Kinder und Jugendliche, die den Anforderungen eines Regelschulbetriebs intellektuell und/oder aufgrund ihres Sozialverhaltens eigentlich nicht gewachsen sind, trotz dieses Umstandes in eben diesen mitübernommen werden.
Dass dieses Vorhaben den Pflichtschulbereich durchziehen soll, ist bereits seit längerem klar. Heißt es doch etwa im Schulorganisationsgesetz zu den Zielsetzungen der Neuen Mittelschule, dass Diversität und Inklusion, Chancen- und Geschlechtergerechtigkeit wichtige Ziele seien. Inklusion u.a. bedeute, zu „erkennen, dass Unterschiede zwischen den Schülerinnen und Schülern Chancen für das gemeinsame Lernen sind und nicht Probleme, die es zu überwinden gilt“.
Dieser ungeheuerliche Euphemismus geht allerdings an der Realität klar vorbei. Alleine Kinder mit psychosozial-emotionalen Entwicklungsstörungen, nur eine der bisher im sonderpädagogischen Bereich betreuten Gruppen, stellen nämlich den sinnvollen Unterricht in den Klassen massiv in Frage, denn sie sind häufig aggressiv, können nicht zwischen richtig und falsch unterscheiden und gefährden sich und andere Personen.
Dazu kommen noch viele andere, die nicht in der Lage sind, weiten Teilen des Unterrichts, zumindest in den Haupt- und klassischen Lernfächern sinnerfassend zu folgen und die auch den Lernfortschritt ihrer Mitschüler sicherlich nicht begünstigen, wenn sie ihn nicht überhaupt durch auffälliges Verhalten stören.
Es stellt sich die Frage, wo die im Gesetz erwähnten „Chancen“ tatsächlich liegen:
- Darin, dass durch den Einbezug von Kindern, die aufgrund geistiger Behinderung deutlich jedes Klassenziel verfehlen, das allgemeine Tempo des Lernprozesses gedrosselt wird?
- Darin, dass behinderte Kinder – trotz Förderung – im unmittelbaren Vergleich zu den nichtbehinderten Mitschülern regelmäßig erkennen müssen, dass sie schwächer sind und in vielen Bereichen nicht mithalten können (was zwangsläufig zu Frustrationserlebnissen führen muss)?
- Darin, dass (geistig) behinderte Kinder eventuell sogar Opfer von Spott und Missgunst von Teilen einer Klasse werden?
- Darin, dass (geistig) behinderte Kinder den Unterricht stören, wenn sie mehr oder minder unbewusst (laute) Geräusche von sich geben oder störende motorische Aktivitäten entwickeln?
Wo liegen die „Chancen“ denn wirklich? Zu erkennen, dass es Menschen mit Behinderung gibt und man sich diesen gegenüber anständig verhalten und gegebenenfalls behilflich sein soll, dafür braucht es keine „Inklusion“, sondern lediglich eine vernünftige Erziehung.
Maßstab für die Aufnahme behinderter Kinder in einen Regelschulbetrieb kann tatsächlich nur die Frage sein, inwieweit diese in der Lage sind, das Klassenziel zu erfüllen – durchaus mit entsprechenden technischen Hilfsmitteln wie Hörhilfen, Lernbehelfen mit Blindenschrift, einer bautechnisch barrierefreien Umgebung, aber jedenfalls ohne Störung des Unterrichtsbetriebs und ohne zusätzlichen Personalaufwand. Wird dieses Kriterium, das auch dem tatsächlichen (und nicht von ideologisch verblendeten Psychologen und Pädagogen oder gekränkten Eltern behaupteten) Kindeswohl am besten entspricht, erfüllt, dann gerne „Ja“ zur Inklusion; alles andere aber hilft weder den betroffenen Kindern noch den Mitschülern.
Doch das will die heimische Politik nicht erkennen. Aber nicht genug damit, dass die Pflichtschulen desavouiert werden sollen: Das Prinzip der „Inklusion“ soll nun auch noch auf alle darüber hinausgehenden Schulformen wie AHS und BMHS angewandt werden.
Dies mit der Begründung, dass „nicht nur Kinder mit Beeinträchtigung vom gemeinsamen Aufwachsen profitieren (würden), sondern auch die anderen Schüler durch den Erwerb von mehr Konfliktfähigkeit und sozialen Kompetenzen.“
Abgesehen davon, dass sich die Gymnasiasten und HAK-Schüler sicher freuen, wenn sie Woche für Woche in allerlei unangenehmen Situationen ihre „Konfliktfähigkeit“ entwickeln dürfen, so stellt sich ernsthaft die Frage, welcher Teufel die Verantwortlichen im Bildungsministerium geritten hat?
Will man wirklich auch noch die weiterführende Ausbildung zum Spielball gesellschaftspolitischer und klar ideologisch motivierter Experimente machen und sie auf dem Rücken von Schülern und Eltern nachhaltig beeinträchtigen?
Welcher Wert wird denn einer Ausbildung im Sinne von Wissenserwerb und echter Kompetenzaneignung (und nicht jener, die linke Sozialromantiker meinen) denn in diesem Land noch beigemessen?
Wenn nun etwa Bildungswissenschaftler Stefan Hopmann auf den „enormen personellen, fachlichen und räumlichen Bedarf von Inklusionspädagogik“ hinweist und die geplante Zielsetzung des Ministeriums in das Reich des Unmöglichen verweist, ist diese leichte Kritik zwar richtig, geht aber am eigentlichen Problem vorbei. Es wäre die eigentliche Aufgabe eines Bildungssystems, allen Kindern und Jugendlichen eine ihren Möglichkeiten entsprechende bestmögliche Ausbildung und Erziehung zu ermöglichen und dabei auch den Bildungs-, Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort nicht außer Acht zu lassen.
Das was nun geplant ist, stellt gerade das Gegenteil zu diesem Anspruch dar. Und die Folgen werden wir alle zu tragen haben.
Mag.iur. David Nagiller B.Ed. ist Jurist, freier Publizist und Lehrer für Neue Mittelschulen