Keine islamistischen Terroristen, sondern korangetreue Gotteskrieger

Seit Wochen verfolgt die Welt den gewaltsamen Vormarsch der ISIS – jetzt „Islamischer Staat“ (IS) – im Nordirak mit gelähmtem Entsetzen. Nach der brutalen Inbesitznahme von Mossul wurde das Einflussgebiet des sogenannten neuen „Kalifats“ von der Provinz um Aleppo in Syrien bis hundert Kilometer vor die Stadtgrenze von Bagdad ausgedehnt. In einer blutigen Schlacht wurden die Peshmerga-Milizen der irakischen Kurden aus der nordwestlichen Provinz Sinjar vertrieben.

Dies und die Heimsuchung vieler kurdischer Dörfer hat eine entsetzliche Tragödie für die mittlerweile in die Berge geflüchtete religiöse Minderheit der Jesiden zur Folge. Unter „Allah u Akbar“-Rufen wird ein Ort nach dem anderen brutalst okkupiert.

Die denkbar größte Katastrophe stellt das mörderische Wüten des IS für die Christen in der Region dar. Die größte christliche Stadt, Qaraqosh, mit rund 50.000 christlichen Einwohnern, wurde kürzlich von IS erobert und von Christen „gesäubert“. Dorthin hatten sich auch Christen aus Mossul und den inzwischen besetzten Ortschaften Tell Kayf, Bartella und Karamlesh zurückgezogen, die jetzt alle auf der Flucht sind.

Kirchen wurden besetzt und zerstört, Kreuze abgenommen und geschändet, Christen massakriert und deren Frauen vergewaltigt. Mittlerweile steht die Ebene von Ninive, in der viele Christen aus den Krisenherden des Nahen Ostens Zuflucht gefunden hatten, unter Kontrolle der ISIS. Und in diesen Stunden wird Kirkuk, wo es bislang eine christlich-chaldäische Minderheit gab, von ISIS-Kämpfern angegriffen.

Diese Kämpfer, Angehörige einer lawinenartig mächtiger werdenden sunnitisch-dschihadistischen Bewegung, werden im Westen oft als „islamistische Terroristen“ bezeichnet. Ihre Gewaltexzesse würden sie ganz gegen die Vorgaben des Korans vollziehen; denn Christen und überhaupt alle Angehörigen sogenannter Buchreligionen seien im Islam geschützt. So lautet jedenfalls die beschwichtigende Erklärung der Islam-Vertreter (auch in Österreich) sowie der selbsternannten „Islam-Versteher“ und ihrer Multiplikatoren in den Mainstream-Medien.

Doch was ist die Wahrheit?

IS-Chef Abu Bakr al Bagdadi, seit Jahren einer der am meisten gefürchteten Dschihadisten in der Region, hat seinen „Künstlernamen“ in genauer Kenntnis der Glaubensgrundlagen und der islamischen Tradition gewählt. Abu Bakr war als erster der „rechtgeleiteten Kalifen“ (632-634) der unmittelbare Nachfolger von Mohammed. In den sogenannten Ridda-Kriegen zwang er die abtrünnig gewordenen, bereits unter Mohammed islamisierten Stämme der Arabischen Halbinsel unter die Botmäßigkeit des Kalifats und stellte mit deren Tributpflichtigkeit die weitere militärische Expansionskraft des Islam sicher.

Mit kompromissloser Grausamkeit setzte er die Zwangskonversion von Juden und Christen durch oder ließ sie töten. Für den neuen IS-Kalifen ist der Name seines historischen Vorbildes Programm. Als abtrünnig bezeichnete Muslime (Schiiten, Alewiten, „laue“ Sunniten) werden beseitigt, ihre Heiligtümer (Schreine, Moscheen) systematisch zerstört. Erdölförderanlagen, Waffenlager, Logistikzentren und zuletzt der große Staudamm von Mossul werden als „Beute“ genommen, wie es der Koran vorsieht. Der Wert dieses Beutegutes wird mittlerweile auf drei bis vier Milliarden US-Dollar geschätzt.

Die ISIS-Kämpfer stellen im Zuge ihrer Eroberungen Christen und Angehörige anderer Religionen vor die Alternative, den einzig wahren Glauben, den an Allah, anzunehmen oder getötet zu werden. Handeln sie damit dem Koran zuwider?

Im Koran steht doch: „Und streitet nicht mit dem Volk der Schrift, es sei denn auf die beste Art und Weise.“ (Al Atkabut – Sure 29, 46)

Doch was ist die beste Weise? Gegenüber Schriftbesitzern, also Juden und Christen, wird im Koran befohlen:

Bekämpft diejenigen der Schriftbesitzer, die nicht an Allah und den jüngsten Tag glauben, und nicht verbieten, was Allah und sein Gesandter verboten haben, bis sie Djizyah (das ist die Kopfsteuer für „Unterworfene“) zahlen und erniedrigt sind." (Al Tauba – Sure 9, 29)

Was von den Christen erwartet wird, zeigt in Ergänzung dazu auch der salbungsvolle Vers 64 der Sure 3, welcher immer wieder als Beleg für die Dialogbereitschaft des Islam herangezogen wird. „Sprich: O Volk der Schrift, kommt herbei zu einem gleichen Wort zwischen uns und euch, dass wir nämlich Allah allein dienen und nichts neben ihn stellen und dass nicht die einen von uns die anderen zu Herren nehmen außer Allah." (Al Imran – Sure 3, 64)

Allah allein dienen zu wollen und nichts neben ihn zu stellen (ihm nichts „beizugesellen") ist aber nichts anderes als der Inhalt der Schahada, das ist das islamische Glaubensbekenntnis. Der Islam erwartet also von den Christen, dass sie das islamische Glaubensbekenntnis sprechen, damit sie geschont werden. Damit wären sie aber de facto keine Christen mehr, sondern eben Muslime.

Christen, die Christen bleiben, werden demgegenüber definitiv und unmissverständlich als Kuffar – „Ungläubige" – bezeichnet, woraus im Koran eminente Folgen resultieren. „Ungläubig sind die, die da sagen, dass Gott der Messias, der Sohn Marias ist." (Al Maida – Sure 5, 72)

Sowie genauso unmissverständlich: „Ungläubig sind diejenigen, die da sagen, dass Gott der Dritte von Dreien ist." (Al Maida – Sure 5, 73)

Für die Christen gilt daher ganz unzweifelhaft Al Nisa – Sure 4, 150 bis 151: „Diejenigen, die Allah und seinen Gesandten verleugnen und zwischen Allah und seinem Gesandten einen Unterschied machen wollen … das sind die wahren Ungläubigen."

Und Al Fath – Sure 48,13 stellt fest: „Wer nicht an Allah und seinen Gesandten glaubt – siehe für die Ungläubigen haben wir das Höllenfeuer bereitet."

Die Ungläubigen erwartet aber nicht nur das Höllenfeuer. Die Muslime sind aufgerufen, sie aktiv und bis zum Äußersten zu bekämpfen. Dieser Imperativ richtet sich angesichts der oben zitierten Verse ohne jeden Zweifel auch und besonders gegen Christen: „Bekämpft sie, damit es keine Beigesellung (Schirk) mehr geben wird und bis die Religion nur für Allah sein wird." (Al Anfal – Sure 8,39 sowie Al Baqara – Sure 2, 193)

Operativ bedeutet dies nach Al Tauba – Sure 9, 5: „Tötet die Ungläubigen, wo ihr sie findet, fangt sie ein, belagert sie und stellt ihnen aus jedem Hinterhalt nach."

Zitate dieser Art finden sich im Koran in großer Zahl. Aber die „politisch korrekte“ Leseart schreibt vor, dass die schrecklichen Verwerfungen, denen der gesamte Nahe Osten derzeit ausgesetzt ist, das Produkt sozioökonomischer Ungerechtigkeiten und illegitimer Einmischungen „des Westens“ sind.

Doch es kann und darf nicht sein, dass die wahren Quellen der Inspiration für dschihadistische Gewalttaten, wie wir sie jetzt im Irak erleben, auf Dauer verschleiert und ihr islamischer Hintergrund schöngeredet wird.

Das bedeutet natürlich nicht, dass alle Muslime sich mit derartigem Gedanken- und Glaubensgut identifizieren. Ganz im Gegenteil sind viele von ihnen, derzeit besonders Schiiten, aber auch nicht-orthodoxe Sunniten, selbst Opfer der Gewalt. Und nicht wenige bieten ihren christlichen Mitmenschen Schutz und Hilfe, wofür an dieser Stelle größter Dank und Hochachtung ausgesprochen werden soll.

Aber es ist zu wenig, wenn islamische Würdenträger guten Willens die Anwendung exzessiver Gewalt kritisieren und sie als nicht-islamisch bezeichnen. Vielmehr müssen sich alle Kräfte der Vernunft in der islamischen Welt ausdrücklich von Koran-Versen wie den oben zitierten distanzieren und diese für ungültig erklären. Nur dann kann es ein Umdenken unter den radikalisierten Muslimen geben und können die bislang gemäßigten Muslime vor einem Abgleiten in den Radikalismus bewahrt werden.

Das ist auch für unsere Breiten von höchster Bedeutung. Denn nur dann kann es eine gemeinschaftliche Orientierung an den allgemeinen Prinzipien der Menschlichkeit geben, deren Akzeptanz die Voraussetzung für eine gelungene Integration von Muslimen in westlichen Ländern darstellt.

In Österreich steht die Erneuerung des Islam-Gesetzes bevor. Christen wollen den Dialog mit den konstruktiven Kreisen der islamischen Gemeinschaft. Dazu bedarf es aber endlich der Offenlegung der Glaubensgrundlagen, und diese sollte im neuen Islam-Gesetz verbindlich vorgeschrieben werden. Nur, wer die Unterscheidung der Geister vorantreibt, fördert den Geist der Nächstenliebe und des Respekts voreinander!

Von der österreichischen Regierung ist die aktive Bekämpfung der Rekrutierung von Glaubenskriegern in unserem Land zu fordern. Dies gilt für alle Stadien der Verhetzung, wo immer sie stattfindet, egal ob sie die Regel ist oder nur die Ausnahme – ob im schulischen Islamunterricht, in den Moscheenvereinen oder in den Communities. Und vom politischen Österreich und der Europäischen Union insgesamt muss eine offensive politische und humanitäre Unterstützung der Christen im Nahen Osten, heute besonders in den geschundenen Regionen der alten Kulturnation des Irak, gefordert werden. Reden allein ist zu wenig.

Die ISIS-Kämpfer haben die Häuser der zu tötenden Christen mit dem arabischen „N“ – für Nazarener – gekennzeichnet. Inzwischen tragen mutige Aktivisten diesen Buchstaben auf Plaketten und Stickern als Zeichen der Solidarität während spontaner Protestkundgebungen und im Alltag. Tun wir es ihnen gleich! Denn wir sind alle Nazarener.

Mag. Christian Zeitz ist wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Angewandte Politische Ökonomie.

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