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Buchrezension: Ordnungspolitik für irrationale Menschen

Entscheidenden Anteil am „deutschen Wirtschaftswunder“ nach dem Zweiten Weltkrieg hatten die Ideen der „Freiburger Schule“ (des „Ordoliberalismus“). Sie wurden von Männern um Walter Eucken und Friedrich August von Hayek formuliert und unter Wirtschaftsminister Ludwig Erhard als „Soziale Marktwirtschaft“ in die reale Politik umgesetzt.

Können die Erkenntnisse der modernen Psychologie mit dem Ordnungsgerüst des Ordoliberalismus zu einer Synthese gebracht werden, um daraus Erkenntnisse zur Gestaltung einer zeitgemäßen Wirtschaftspolitik ziehen zu können? Hintergrund dieses Gedankens ist die Tatsache, dass die Kunstfigur des von der wirtschaftswissenschaftlichen „Neoklassik“ geschaffenen „homo oeconomicus“ in der realen Welt nicht existiert. Der ausschließlich auf Grund rationaler Überlegungen seinen Nutzen maximierende, weder an seiner Umwelt noch an seinen Mitmenschen interessierte Zeitgenosse, der nach wie vor die Basis aller wirtschaftspolitischen Modelle bildet, ist noch niemandem je begegnet.

Wird aber die Wirtschaftspolitik auf dem Zerrbild des emotionslosen Arbeitsvermeiders und Nutzenmaximierers aufgebaut, sind Fehlprognosen auf Makroebene unvermeidlich. Menschen agieren eben nicht allein auf Basis ökonomischer Überlegungen. Sie handeln vielfach und in hohem Maße altruistisch. Wird dieses Faktum ausgeblendet, tendiert die Politik gerne zu massiven Freiheitseinschränkungen, die darauf abzielen, „moralisches“ Verhalten zu erzwingen. Am Ende steht eine Gesellschaft unfreier Bürger.

Psychologische Erkenntnisse sprechen eher dafür, den Menschen gute Entscheidungshilfen zu liefern und gefühlte Ungerechtigkeiten abzubauen, anstatt freie Entscheidungen zu unterbinden, um sie dadurch vor sich selbst zu beschützen.

Ein Verzicht auf die Grundannahme rational handelnder Wirtschaftsakteure stellt die Ökonomie indes vor beträchtliche Probleme, überhaupt noch wirtschaftspolitische Empfehlungen formulieren zu können. Einen Ausweg bietet die Berücksichtigung von Erkenntnissen, die in vielen psychologischen Untersuchungen zu Präferenzen, Anreizen und Handlungsmotiven von Menschen gefunden wurden.

Die Autorin dieses gut strukturierten, passagenweise leider etwas redundanten Buches stellt ordoliberale Grundsätze und psychologische Erkenntnisse gegenüber. Sie zieht aus den Pro- und Contra-Positionen ihre eigenen Schlüsse. Die Frage, ob in unserer Zeit der totalen Politisierung und Regulierung allen Handelns von einer „sozialen Marktwirtschaft“ überhaupt noch die Rede sein kann, bleibt jedoch unberücksichtigt.

Es fragt sich auch, ob der von der Autorin präferierte „libertäre Paternalismus“ nicht am Ende wieder in der „guten, alten Planwirtschaft“ münden könnte. Ist das nicht ein Widerspruch in sich? Das klingt ein bisschen nach einem „veganen Rinderzüchter“. Dass aus libertärer Sicht bereits die zitierten Theoretiker des Ordoliberalismus weit übers Ziel geschossen und faktisch einer Sozialdemokratisierung der Gesellschaft das Wort geredet haben, sei nur am Rande erwähnt.

Dennoch: Das Buch enthält viele interessante Überlegungen – ist lesenswert!

Ordnungspolitik für irrationale Menschen
Inga Cornelia Schad
LIT-Verlag 2014
311 Seiten, broschiert
ISBN 978-3-643-12443-2
€39,90,-

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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