Kein Hochhaus im Historischen Zentrum Wiens. Die Eislaufplatz-Flächenwidmung muss erhalten bleiben. Das sind die zentralen Forderungen der Stadtbildschützer.
Spricht man diejenigen an, die das Hochhausprojekt im Historischen Zentrum Wiens unterstützen, weil ihre Partei, ihre Organisation oder sie selbst einen Vorteil daraus lukrieren, hört man von ihnen „das wird so nicht gebaut, weil es noch kein Projekt gibt“. Der auf die Abhaltung einer Bürgerversammlung angesprochene Bezirksvorsteher des dritten Wiener Gemeindebezirks sagte der Autorin „Das ist jetzt kein Thema, es gibt noch kein Projekt, über das wir reden könnten“.
Zugleich rollt aber eine riesige Werbekampagne mit immer neuen Projektvarianten durch fast alle Zeitungen Wiens, in der das Wunderwerk gepriesen wird. Und der Projektwerber tut in allen Interviews so, als ob er alle in der Tasche hätte. Vielleicht stimmt das ja auch. Daher ist es wichtig, hier einmal einige Fakten zu dem vom Stadterweiterungsfond (Innenministerium) 2009 laut Rechnungshof viel zu billig an Bunter Wohnen und über ein undurchsichtiges Firmengeflecht weiter an Wertinvest verkauften Areal des Wiener Eislaufvereins vorzulegen.
Kaiser Franz Josef widmete den Wienern vor 150 Jahren aus dem Stadterweiterungsfonds diese Freifläche zur Erholung und sportlichen Betätigung. Diese Flächenwidmung zu Erholungs- und Sportzwecken muss daher für die Bevölkerung erhalten bleiben.
2008 wurde das Grundstück Eislaufverein vom Stadterweiterungsfonds, vertreten durch das Innenministerium, um nur 4,2 Millionen Euro – trotz Angeboten von 9 Millionen – also deutlich zu billig, was der Rechnungshof auch kritisierte, verkauft. Entgegen dem Gründungszweck wurde der eingenommene Betrag zum größten Teil an religiöse Vereinigungen weitergegeben, anstatt sie widmungsgemäß zur Erhaltung und Restaurierung der öffentlichen Prachtbauten der Wiener Ringstraße zu verwenden, die sie dringend benötigen würden!
2012 wurde im Konzerthaus ein Hochhausprojekt präsentiert, wobei viele Bürgerinnen und Bürger in bereits aufliegenden Fragebögen ihre Meinung kundtun konnten. Doch der Bericht der Stadtpsychologin über die kundgemachte mehrheitliche Ablehnung des Hochhauses hatte keinen Einfluss auf das weitere Procedere und war wieder einmal nur Bürgerbeschäftigung! Denn weder NGOs wie die Initiative Denkmalschutz noch individuelle Bürger wurden zur rechtzeitigen Mitsprache eingeladen.
2013 wurde wieder ein neues Eisplatz-Hochhausprojekt von der Firma Wertinvest der Planungsstadträtin Vassilakou und hohen Beamten der Stadt Wien präsentiert. Das österreichische Nationalkomitee von ICOMOS (internationale nichtstaatliche Organisation für den Schutz und Bewahrung des historischen Kulturerbes), das mit dem Monitoring zur Erfüllung der UNESCO-Konvention zum Weltkulturerbe beauftragt ist, hat im kooperativen Verfahren die Unverträglichkeit des Hochhausprojekts mit dem Weltkulturerbe Historisches Zentrum Wien festgestellt.
Trotzdem wurde vom Rathaus aus nichts unternommen, die Höhenüberschreitung, massige Kubatur und Kompatibilität mit dem kulturhistorisch bedeutsamen Ort durch klare Vorgaben zu begrenzen und es hat 2014 ein neues Siegerprojekt mit Hochhausturm und sogar erhöhtem Hotel InterContinental gekürt. Dem Publikum wurden hingegen nur kleine Modelle gezeigt. Geodätisch richtige Visualisierungen des für das Stadtbild relevanten Belvedere-Blicks und die korrekte Darstellung des primitiv anmutenden Hochhausklotzes neben dem Konzerthaus wurden bis heute der Öffentlichkeit vorenthalten, obwohl die Stadt Wien jede Möglichkeit hat, solche Visualisierungen durchzuführen.
Das „besondere Projekt“ ist ein privates Projekt zu privatem Profit. Das Hochhausprojekt der Wertinvest nimmt sich heraus
- das Stadtbild zu schädigen
- die Eislauffläche fast um die Hälfte zu verkleinern
- öffentliche Flächen wie Gehsteig und Lothringerstraße zu beanspruchen, die Jahre zuvor mit öffentlichen Mitteln um 8,2 Millionen saniert wurden, und
- der Stadtbevölkerung den beliebten Erholungs- und Sportplatz wegzunehmen.
Das Projekt ist ein Parasit, der in Wahrheit keinen öffentlichen Nutzen bietet, seine Nachteile hingegen an die Öffentlichkeit auslagert. Denn die beworbene „Öffnung“ und „Durchlässigkeit“ von der Lothringerstraße zum Heumarkt wurde ja schon gewidmet. Die beiden Tore muss man nur öffnen!
Die Politik ist gespalten: Die Regierungsparteien im Rathaus sind anscheinend für das Projekt. Doch als die Grünen noch grün waren, haben die grünen Gemeinderätinnen Sabine Gretner und Claudia Smolik am 4.6. 2008 „betreffend Grundstück Wiener Eislaufverein“ den Antrag gestellt, „die Fläche des WEV als Erholungs-, Sport- und Spielplatz Öffentlichen Zwecks zu widmen“, und verlangt, „dass das Areal von Bebauung freigehalten werden soll“. Bezirksrätin Lachkovics ist nach wie vor für die Erhaltung der Flächenwidmung. Und die Bezirks-FPÖ hat sich deutlich gegen das Hochhaus ausgesprochen. Mit den übrigen Parteien suchen wir auf der Bezirks- wie auch auf der Landesebene das Gespräch.
Das Eislauf-Areal liegt in der Kernzone des Unesco-Weltkulturerbes „Historisches Zentrum Wien“, zu dessen Schutz und Erhaltung sich die Republik Österreich verpflichtet hat. Sie hat dazu 2001 einen Staatsvertrag mit der UNESCO abgeschlossen. Dazu gibt es einen Managementplan und die Hochhaus-Richtlinie von 2002. ICOMOS Austria ist beauftragt, die Erfüllung der UNESCO-Konvention zum Schutz und zur Erhaltung der in die Welterbe-Liste eingetragenen Wiener Innenstadt zu überwachen. Doch das Wiener Rathaus befolgt die Regeln nicht.
Mit dem Hochhausprojekt rückt eine direkte Bedrohung sogar in die Kernzone des Weltkulturerbes und zwar mitten in die Sichtachse des Belvedere vor, neben das von Ludwig Baumann 1913 erbaute Konzerthaus. Die Politiker und hohen Beamten des Rathauses, die das Projekt gegen alle Vernunft genehmigen wollen, hintergehen damit ihre eigene Hochhaus-Richtlinie von 2002, wonach die Welterbe-Zone Hochhaus-Ausschlusszone ist!
Trotz unserer Proteste und trotz der Petitionen der drei NGOs: Initiative Stadtbildschutz, Österreichische Gesellschaft für Denkmal- und Ortsbildpflege und Initiative Denkmalschutz, will die Stadt Wien das „private Hochhausprojekt zu privatem Profit“ nicht zurückziehen und stattdessen eher den Verlust des Welterbe-Prädikates in Kauf nehmen! Um, wie zu befürchten ist, Investoren zu erlauben, noch brutaler auf die historische Stadt zuzugreifen.
Nun droht die Aberkennung des Unesco-Weltkulturerbes, da das Wiener Rathaus bis dato weder den in der Unesco-Vereinbarung festgelegten Managementplan noch die Empfehlungen von ICOMOS Österreich einzuhalten gedenkt. Im Gegenteil präsentierte die MA 19 jetzt im Juni 2014 in der neuen Broschüre „Wien-Innere Stadt, Weltkulturerbe und Lebendiges Zentrum“, nicht nur die Hochhäuser an der Lände und die inkompatiblen Neubauten im Historischen Zentrum Wiens, sondern auch das Eisplatz-Hochhausprojekt als Teil des Welterbes! Die Rathausbeamten begehen mit dieser Broschüre eine dreiste Täuschung. Die Grenzen zu jenem Erbe werden verwischt, das mit Stand 2001 als „Weltkulturerbe Historisches Zentrum Wien“ eingetragen worden war. Das ist unverschämte Wahrheitsfälschung, und wenn aufgrund dieser Täuschung Taten folgen, wäre die Grenze zur Kriminalität erreicht.
Die Initiative Stadtbildschutz hat am 18.6. 2014 unter notarieller Aufsicht eine Passantenbefragung zum „Canalettoblick auf Wien“ vor dem Oberen Belvedere durchgeführt, mit dem Ergebnis, dass 94,88 Prozent der Touristen und Einheimischen gegen das Hochhaus und für die Beibehaltung des Belvedereblicks stimmten, nur 1,37 Prozent waren für das Hochhausprojekt und 3,75 Prozent waren unentschieden. Das ist ein überdeutliches Votum von Touristen und Einheimischen zur Erhaltung des Stadtbildes!
Weitere Protestaktionen der Initiative Stadtbildschutz und Gespräche mit Volksvertretern werden zeigen, ob die Politiker auf die Bevölkerung hören wollen oder eben bei den nächsten Wahlen jene Ernte einfahren werden, die sie wegen ihrer nicht mehr hinzunehmenden Fehlleistungen im Umgang mit unserem Natur- und Kulturerbe und ihrer unglaublichen Empfindungslosigkeit verdienen.
Das Wiener Rathaus missachtet den Willen der Wiener, die zu 80-90 Prozent das Natur- und Kulturerbe erhalten haben wollen. Laut einer IFES-Studie, die im Auftrag der Magistrats der Stadt Wien MA 18 über Leben und Lebensqualität in Wien im Dezember 2003 erstellt wurde, kamen auf die Frage „Was zeichnet Wien besonders aus“ 90 Prozent Zustimmung für das Kulturerbe (Gebäude und Sehenswürdigkeiten), 43 Prozent die Qualität der Stadtverwaltung und 32 Prozent auf die moderne Architektur. In Wien regt sich allerorten Widerstand, wie die vielen Bürgerinitiativen auf www.aktion21.at zeigen. Allein die 80.000 Unterstützer, welche die Initiative Steinhof unterschrieben haben, die sich für die Erhaltung des Jugendstilensembles Otto Wagner-Spital einsetzen und für dessen Eintragung als Unesco-Weltkulturerbe votieren, sprechen eine deutliche Sprache, die das Rathaus mit seiner veralteten, bevormundenden Einstellung den Mitbürgern gegenüber nach wie vor nicht hören will.
Ob das Stadtbild der Bundeshauptstadt Wien ruiniert werden darf und ob Wien Hochhausstadt werden soll oder nicht, kann daher nicht mehr alleine Sache des Wiener Rathauses sein. Das ist auch Bundessache! Die Frage über das Schicksal der ästhetischen und baulichen Identität der Bundeshauptstadt Wien ist der österreichischen Bevölkerung vorzulegen und zwar in Form einer Volksabstimmung!
Maria Ranacher ist ehemalige Amts-Restauratorin der Abteilung für Konservierung und Restaurierung im Bundesdenkmalamt und Restauratorin an der Gemäldegalerie im Kunsthistorischen Museum. Sie ist Gründerin des Österreichischen Restauratorenverbandes ORV; Gründerin der Initiative Energieeffizienz durch Temperierung (www.temperierung.net), Mitglied der Österreichischen Gesellschaft für Denkmal und Ortsbildpflege und derzeit Obfrau der Initiative Stadtbildschutz.
www.stadtbildschutz.at
E-mail: vorstand@stadtbildschutz.at