Die Steuerreform des ÖGB als Mutter aller Kampagnen

Österreich ist – das wird selbst vom Politbüro der hier heimischen Sozialisten nicht bestritten – ein Hochsteuerland. Beinahe jeder zweite Euro, der hierzulande verdient wird, verschwindet in den Kassen des Fiskus. Da es sich beim Staat (insbesondere dem österreichischen) um den denkbar schlechtesten Verwalter des mühsam erarbeiteten Geldes seiner Insassen handelt, ist also grundsätzlich jede Initiative zur Senkung der Steuerquote zu begrüßen.

Soeben startet der Österreichische Gewerkschaftsbund eine Kampagne zur Reduktion der Lohnsteuerbelastung. Denn inzwischen sind selbst die sich in seinen Reihen tummelnden, staatsverliebten Berufsklassenkämpfer auf die verheerende Langzeitwirkung der „kalten Progression“ aufmerksam geworden. Der ÖGB will daher mittels einer Tarifsenkung die Kaufkraft der Arbeitnehmer stärken. Ein lobenswertes Unterfangen. Als Wunschtermin wird das kommende Jahr angepeilt, was den – wie immer – überforderten Finanzministerdarsteller in erheblichen Zugzwang bringt (Maastricht lässt grüßen!).

Jedoch haben die heimischen Gewerkschafter von den Gesetzmäßigkeiten einer Marktwirtschaft bis heute keinen blassen Schimmer. Für sie läuft freies Wirtschaften immer noch auf ein Nullsummenspiel hinaus: Was A gewinnt, muss B verlieren. Die Vorstellung, dass es so etwas wie eine Kooperation (von Arbeitgebern und -nehmern) zum beiderseitigen Nutzen geben könnte, erscheint ihnen utopisch. Folgerichtig haben die wackeren Mannen des ÖGB, neben ihrer berechtigten Forderung nach einer Lohnsteuersenkung, noch ein weiteres, weniger erfreuliches Ansinnen im Sturmgepäck: Einen als „Millionärssteuer“ getarnten Anschlag auf die Unternehmen.

Den roten Klassenkämpfern geht es nicht um eine Senkung der Steuerquote, die ja Kürzungen bei den Staatsausgaben bedeuten würde. Dazu darf es aus ihrer Sicht nicht kommen! Immerhin wandern ja rund 40 Prozent der Aufwendungen des Staates in die Umverteilung und damit in Aktivitäten, die mit Kernaufgaben des Staates nichts zu tun haben, aber sehr wohl mit Anliegen der Gewerkschaft.

Allein der Bundeszuschuss zu den Pensionen beläuft sich heuer, mit rapide steigender Tendenz, auf runde zehn Milliarden Euro jährlich. Denn die Sozialisten – allen voran der aus dem ÖGB stammende Sozialminister – weigern sich hartnäckig, endlich eine Pensionsreform in Angriff zu nehmen, die diesen Namen auch verdient. Das aber soll möglichst nicht öffentlich debattiert werden. Kaum wagt es dennoch jemand, auf dieses strukturelle Problem im Lande hinzuweisen, wie kürzlich die Denkfabrik Agenda Austria, wird sie umgehend als neoliberaler Gottseibeiuns niedergemacht.

Wer glaubt, Indien sei das Land der heiligen Kühe, der hat noch nie einen Blick auf das kakanische Wohlfahrtsstaatsbiotop geworfen.

Der ÖGB wünscht also keine Staatsausgabenkürzungen, um seine Klientel weiterhin mit dem Geld fremder Leute bei Laune halten zu lassen. Fordert er eine Lohnsteuersenkung, die zu Mindereinnahmen für den Fiskus führt, muss klarerweise eine „Gegenfinanzierung“ her. Wo, bitte schön, wenn nicht bei den hartherzigen „Reichen“ wäre das dafür nötige Geld zu holen? Die Genossen können bei ihrer Neidkampagne (anders als das in der Schweiz der Fall wäre!) blind auf die Unterstützung der linientreuen linken Journaille einerseits, und auf die Affekte der vermeintlich zu kurz gekommenen proletarischen Massen andererseits vertrauen. Eine „Eat the rich!“-Kampagne ist im Land der Hämmer nicht einmal durch die Forderung „Goldene Uhren für jedermann!“ zu schlagen.

Da eine spürbare Entlastung der Arbeitseinkommen eine Manövriermasse von nicht weniger als sechs bis sieben Milliarden Euro erfordert, stellt sich die Frage, woher die – außer von den Unternehmen – kommen soll. Hinsichtlich der angepeilten „Gegenfinanzierung“ einer Lohnsteuersenkung darf man also keiner Illusion erliegen: Anders, als die Neidgenossen der Öffentlichkeit weismachen wollen, steckt der Großteil des Vermögens der Österreicher nämlich nicht etwa in Luxusvillen, Rembrandt-Gemälden, Hochseejachten und zehnkarätigen Brillanten, sondern in den Unternehmen. Wer eine signifikante Umverteilung der Steuerlasten fordert, kommt an diesen nicht vorbei.

In den kontrafaktischen Vorstellungen der Gewerkschafter verdienen sich die Arbeitgeber dumm und dämlich, während die Arbeitnehmer darben. Die von einem zum nächsten Rekord eilende Insolvenzstatistik beeindruckt keinen. Die abnehmende Zahl der „echten“ Selbständigen im Lande ebenso wenig.

Folglich wird die ohnehin bereits beachtliche Unternehmerfeindlichkeit durch die laufende ÖGB-Kampagne noch einmal gesteigert. Das Prügeln von Unternehmern ist – angesichts seit Monaten explodierender Arbeitslosenzahlen und einigermaßen düsterer Konjunkturprognosen – eine wahrhaft „geniale“ Taktik. Zumindest aus Sicht der Arbeitnehmer im Ausland.

Wer es daher schafft, ÖGB-Funktionären (und Mainstream-Journalisten) endlich erfolgreich zu vermitteln, dass Wohlstand aus der Produktion und nicht aus der Umverteilung folgt, hat sich damit den höchsten Orden der Republik verdient.

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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