Seit über 60 Jahren wird in Österreich die nationalsozialistische Vergangenheit intensiv aufgearbeitet. Ein riesiger einträglicher Geschäftszweig ist entstanden. Unzählige Dokus und Spielfilme sind gedreht, ebenso unzählige Bücher geschrieben und Theaterstücke aufgeführt worden. Der Nationalsozialismus und der Holocaust als einträgliches Geschäftsmodell und als identitätsstiftender Schuldkult.
Täglich werden im Fernsehen Hitler, seine Helfer und Helfershelfer und deren Gräueltaten in einer immerwährenden Rosenkranz-Dauerschleife dem Publikum vorgeführt. Politiker, Wissenschaftler, Experten, Künstler, Journalisten, Intellektuelle, Popsänger, Lehrer ermahnen die Bürger seit Jahrzehnten niemals zu vergessen und Zivilcourage zu beweisen. Unzählige Vereine, Initiativen und sonstige staatlich alimentierte Institutionen kämpfen gegen Nazis, rechtes Gedankengut und gegen Antisemitismus.
Wenn 100 (in Worten hundert) Identitäre auf die Straßen gehen oder die FPÖ einen Ball abhält, marschiert ein gewaltbereiter linker Mob auf, um die Gesellschaft mutig vor solchen „faschistischen Auswüchsen“ zu schützen.
In so einem Land, in so einem Klima denkt man, müssen Juden unbehelligt, friedlich und glücklich leben können. Denkt man. Doch für die Juden wird es in Österreich und in ganz Europa zunehmend enger. Die ersten verlassen bereits den Kontinent. Antisemitische Mobs sind durch dutzende Großstädte in Europa gezogen und haben die Ermordungen von Juden gefordert und angekündigt („Jude, Jude, feiges Schwein, komm heraus und kämpf allein!“ oder „Juden ins Gas“).
Die Polizei hat nicht darauf reagiert. In der Kleinstadt Bischofshofen attackiert eine Horde Antisemiten auf einem Fußballplatz Spieler eines israelischen Fußballklubs. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis in Österreich und Europa die ersten Synagogen brennen und die ersten Juden getötet werden.
Österreichs Politik und Mainstream-Medien reagieren gelassen und selbst das nur, weil internationale Medien wie etwa Daily Mail die Sache groß rausgebracht haben. Bundeskanzler Werner Faymann lässt offiziell verlauten: „Übergriffe auf Sportler (…) sind absolut nicht zu tolerieren.“ Das hat gesessen! Was für eine klare Ansage. In Österreich sind Sportler gefährdet, dagegen muss dringend etwas unternommen werden.
Ach ja, außerdem lädt er zum interreligiösen Dialog ein. Das ist nicht mehr als eine lächerliche Alibiaktion: Danke, Werner Faymann. Dass Bundespräsident Heinz Fischer, der sich gerne mit Diktatoren umgibt und der bösen FPÖ schon mal nahe legt, ihre Bälle künftig nicht mehr in der Hofburg abzuhalten, sondert, wie nicht anders zu erwarten, ein paar schwammige Worthülsen ab. Nichts Ernstes, nichts von Bedeutung.
Grünenchefin Eva Glawischnig stellt ihrem Statement gegen Judenfeindlichkeit in Österreich den Satz voran: „Appell für gemeinsames friedliches Auftreten gegen Blutvergießen in Gaza statt Verhetzung“. Business as usual auch bei den Grünen, die Juden sind eh selber schuld (vor allem die Fußballer). Und außerdem: Die Dutzenden Raketen, die täglich auf israelische Städte, Schulen, Geschäfte etc. abgefeuert werden, muss man eben erdulden. Das gehört schließlich zur Folklore der Hamas.
Dass die Türkische-Islamische Union (Atib) die Attacke in Bischofshofen als „Handgreiflichkeiten“ verharmlost und den israelischen Fußballspielern die Schuld an dem Übergriff gibt, wundert ohnehin niemanden mehr. Ebenso wenig die verharmlosende Berichterstattung des Staatsfunks. All das regt kaum jemanden in Österreich auf. Auch die linientreue Mainstream-Presse nicht.
Das Verhalten der heimischen Politiker und Meinungsführer ist einfach nur widerlich. Und auch die dauerempörten Gutmenschen aus den diversen staatlich geförderten NGOs, die notorischen Bedenkenträger, Mahner und Kranzniederleger sind seltsam still geworden oder sie verschicken zwar pflichtbewusst aber ganz allgemein und knieweich formulierte Pressemeldungen, in denen schwammig „Hass“ und „Übergriffe“ verurteilt werden.
All jene Menschen, die sich bei jeder dümmlichen Hakenkreuzschmiererei in der Provinz wie balzende Hähne aufplustern, eine runden Tisch gegen rechts und Polizeiaktionen fordern und gleich eine weitere steuergeldgetriebene Initiative gegen rechts ins Leben rufen, sind plötzlich verständnisvoll, um Dialog bemüht und ganz unkonkret. Man redet um den heißen Brei, um sich ja nicht mit der immer größer werden Gruppe von gewaltbereiten Islamisten anzulegen. Die sind nämlich, im Gegensatz zum Nazipopanz, wirklich gefährlich.
Keiner von diesen Berufs-Antifaschisten hat deshalb auf den Tisch gehaut und einen Aktionsplan gegen Islamismus oder islamischen Antisemitismus oder sonstige ernsthafte Konsequenzen gefordert. Stattdessen ist die allgemeine Stimmung unter den Couragierten: Mimimimimi…
Ist auch wirklich zu blöd. Da kämpft man jahrelang mutig, medienwirksam und einträglich gegen einen weitgehend virtuellen Feind und dann kommen die islamistischen Neobürger und machen ernst und damit das antifaschistische Geschäftsmodell kaputt.
Wie sich in den vergangen Tagen mehr als deutlich gezeigt hat, sind Parolen wie „Niemals vergessen" oder „Wehret den Anfängen“, nie mehr gewesen als leere Worthülsen, mit denen sich staatlich geförderte und hofierte Schönwetterkapitäne in Szene gesetzt haben: Maulhelden und -huren. Es war aber auch nichts anderes zu erwarten. Warum sollte es gerade im verweichlichten Europa unserer Tage überdurchschnittlich viele Helden und Menschen mit Zivilcourage geben. Lächerlich.
Beim ersten Gegenwind, bei der ersten Nagelprobe ist der antifaschistische Lack ab. All die selbsternannten Widerstandskämpfer entpuppen sich dieser Tage als rückgratlose Feiglinge. Wer jetzt nicht aufsteht und sich deklariert, wer jetzt nicht Ross und Reiter benennt, der hat jedes Recht verwirkt, sich als Hüter von Demokratie, Frieden und Freiheit aufzuspielen. Das gilt für den versifften Antifa-Punk genauso wie für den Bundespräsidenten.
Wer antisemitische Gewalt nur dann (glaubhaft) verurteilt und bekämpft, wenn sie von der autochthonen Bevölkerung ausgeht (was ohnehin kaum mehr vorkommt) und ansonsten sein Maul hält, ist nichts weiter als ein feiger Opportunist. Und für die Juden in Österreich ist jetzt auch eines klar: Vom heimischen Politpersonal haben sie außer Sonntagsreden und einem warmen Händedruck nichts zu erwarten.
Es ist absurd. Die Schönwetter-Antifaschisten verehren die ermordeten Juden aus NS-Zeit und sie verachten die heute lebenden. Ihr Antifaschismus war nie mehr als eine zeitgeistige Attitüde, ein Vorwand und Instrument, um die Bevölkerung zu bevormunden, zu gängeln und zu steuern. Genau jene Leute, die nun relativieren, verharmlosen, lügen oder schweigen, haben sich jahrelang als Hohepriester des NS-Schuldkultes aufgespielt und dank ihrer Deutungshoheit die Gesellschaft nach ihrem Gutdünken in gut und böse eingeteilt.
Werner Reichel ist Journalist und Autor aus Wien. Kürzlich sind seine neuen Bücher „Die Feinde der Freiheit“ und „Das Phänomen Conchita Wurst: Ein Hype und seine politischen Dimensionen“ erschienen.