Die hat gesessen: Hat doch der Presserat kürzlich tatsächlich einen „Kodexverstoß“ der Kronen Zeitung gegen den „Ehrenkodex der österreichischen Presse“ festgestellt. Anlass für diese Verurteilung war ein Artikel, in dem „bestimmte Kriminalitätsbereiche bestimmten ausländischen Tätergruppen“ zugeordnet wurden. Als Quelle wurde ein „anonymer Beamter“ genannt. Das war dem Presserat zu wenig: Man hätte „besser recherchieren“ müssen. Und nicht nur auf „pauschal verunglimpfte“ ausländische Tätergruppen eingehen sollen.
Da stellt sich gleich die umgekehrte Frage: Wo und wie gründlich hat der Presserat gegenrecherchiert, bevor er die Krone, die nicht einmal Mitglied im Rat ist, pauschal verurteilte? Journalisten, die sich – wie der Autor dieser Zeilen – seit rund 33 Jahren mit heimischer und internationaler Kriminalität beschäftigen und als Informanten zahlreiche Polizisten, Sonderermittler, (Staats-)Anwälte oder Richter gewinnen konnten, kommen nämlich unisono zum gleichen Ergebnis wie die Kronen Zeitung. Gut recherchierte Beispiele gefällig?
Bis in die neunziger Jahre hinein lag der Drogenverkauf in Österreich weitgehend in den Händen kaum organisierter Einheimischer, die auf eigene Faust nach Indien, Marokko oder Amsterdam pilgerten, sich dort mit Cannabis, LSD, Heroin oder Koks eindeckten, das sie hier dann mit Gewinn an einen meist eingeschworenen Kreis Gleichgesinnter verkauften, wobei die meisten die Drogen auch selbst konsumierten. Ab etwa 1994 tauchten dann plötzlich im Straßenbild noch ungewohnte Schwarzafrikaner auf, die zunächst am Westbahnhof, später in den U-Bahnen herumlungerten und Eingeweihten „Kugerln“ verkauften.
Die Kunden bekamen von den meist nicht selbst abhängigen Farbigen statt der gewohnten „Brieferln“ aus Papier nun mehrfach eingeschweißte Plastikkugeln mit mehr oder minder gutem Kokain darin. Die waren zwar nicht mehr so leicht auf den erwünschten Inhalt zu kontrollieren wie die Brieferln, aber fast ständig sowie recht preiswert verfügbar. Und im Falle einer Polizeikontrolle schnell zu schlucken, ohne den Inhalt zu zerstören. Schon bald boten die Afrikaner auch braune Kugerln mit Heroin an, für so genannte „Speedballs“, quasi Kreislaufakrobatik. Der professionelle Straßenhandel in Österreich, mit Hauptachse Wien-Graz, war geboren.
Bereits Mitte der 2000er Jahre sprach das Bundeskriminalamt bzw. das Innenministerium in seinen Kriminalitätsberichten gegenüber der Presse ganz offen von „einer Art Monopolstellung schwarzafrikanischer Tätergruppen, vorwiegend Nigerianern, im Bereich harte Drogen“. Egal, wie viele Schwarze festgenommen und (mangels Dokumenten nicht abgeschoben) wurden, sofort waren neue Straßenhändler da, die über das Mittelmeer in großer Zahl nach Europa kamen und kommen. Da bedarf es gar keiner „anonymen Beamten“ als Auskunftsperson, diese Tatsachen gehören längst zum Alltag jedes Streifenpolizisten.
Entgegen Behauptungen linker oder schlecht informierter Medien sind auch die Hintermänner keine „bösen Weißen“, die „arme Farbige“ als kleine Straßenhändler ausnutzen. Die Organisatoren dieses mittlerweile in allen europäischen Städten ähnlich funktionierenden Drogenkarussells sitzen in Brasilien, wo rund 200.000 Nigerianer leben; viele davon in beträchtlichem Wohlstand. Per Schiff wird das aus Kolumbien stammende Kokain Richtung Spanien oder Rotterdam verschickt, von dort weiter in den gesamten EU-Raum. Das Heroin kommt aus der anderen Richtung, nämlich über die Balkan-Route vom Quasi-Monopolisten Afghanistan, das rund 95 Prozent des Weltbedarfes abdeckt. Bis es im Mund eines schwarzen Wiener Straßenhändlers landet, ist es mehrfach gestreckt.
Ähnliches beobachten Fahnder im Bereich Einbruch – und auch nicht erst seit gestern. So stammen die meisten festgenommenen Täter im Raum Wien aus Georgien – man erinnere sich nur an den spektakulären Fund einer wertvollen Geige in einem Wiener Postamt, die die unwissenden Einbrecher bei einer bekannten asiatischen Musikerin erbeutet hatten und per Paket heim in den Kaukasus schicken wollten. In den Bundesländern sind wiederum Moldawier in Sachen Einbruch die Platzhirsche.
Die Liste lässt sich beliebig fortsetzen – etwa bei Taschendiebstahls-Serien in U-Bahnen oder Geschäftsstraßen, meist durchgeführt von Kindern, durch Roma-Banden aus den Balkanstaaten. Der Rotlichtbereich in Wien wird von Größen aus Ex-Jugoslawien regiert (Pour Platin/„Steiner“ & Co.) Selbst die Mehrzahl der gut 4.000 Wiener Prostituierten (rund 1.500 mit „Deckel“) stammt aus östlichen Nachbarländern, Asien und Afrika. Metalldiebstähle liegen überwiegend in der Hand von Polen, Motorraddiebstähle vielfach bei ungarischen Tätern mit weißen Kleinbussen, in denen die meist vorausbestellte Ware blitzschnell eingeladen und dann versteckt unter Schrott über die Grenze transportiert wird. Selbst bei den Morden überwiegen in jüngster Zeit deutlich Ausländer – wenngleich aus unterschiedlichen Ländern.
Wieder präsent im multikriminellen Wien sind derzeit Nordafrikaner, die nach ihrer Vertreibung in den 1990er-Jahren eher in Ungarn und Tirol auf leichte Rauschdogen wie Haschisch spezialisiert waren. Neu ins Geschäft drängen Tschetschenen und Afghanen, die bei Drogen und Einbruch mitnaschen möchten und als besonders gewaltbereit (Messer) gelten. Wer mit den Jugendstreifen, spezialisiert auf kriminelle Kinder- und Jugendbanden, unterwegs ist, bekommt auf die Frage nach den Tätern endlich die Antwort „90 Prozent Österreicher“. Fragt man weiter, kommt aber rasch die Ergänzung „die meisten zweite oder dritte Generation Einwanderer“.
Mit wachsender Sorge beobachten Kriminalisten wie Soziologen auch ein Phänomen, das man bereits aus Ex-DDR-Ländern wie Sachsen oder Mecklenburg-Vorpommern kennt: Homogene asiatische Gruppen, meist Vietnamesen, in den östlichen Grenzregionen – bei uns zwischen Kleinhaugsdorf und Pressburg – bieten auf Märkten zwischen gefälschten Uhren und Jeans zunehmend auch „Meth“ oder „Crystal Meth“ (Metamphetamin, früher Pervitin, ein schweres, im zweiten Weltkrieg von vielen Nationen massenhaft eingesetztes, schnell abhängig machendes Aufputschmittel) an. Paradoxerweise ist davon nicht etwa die Wiener Szene betroffen, sondern die Landjugend in den Gemeinden im Grenzgebiet. Die aber dafür kräftig.
Wo wir auch gleich beim zweiten Kritikpunkt des Presserates sind: Wie kann sich die Polizei mit tatsächlich aus Österreich stammenden Tätergruppen beschäftigen, wenn es solche in den meisten Kriminalitätsbereichen einfach nicht mehr gibt? Speziell im Drogen- oder Einbruchsbereich tauchen Einheimische als Täter schon seit etlichen Jahren so gut wie nicht mehr auf. Und wenn, dann nur als „Vermittler“, Kunden – oder Opfer. Die jüngste Kriminalitätsstatistik vom ersten Quartal 2014 zeigte ja besonders im Bereich Eigentumskriminalität wieder deutliche, teils sogar zweistellige Zuwachsraten, während die Aufklärungsquote stets so um die vier, fünf Prozent herumgrundelt.
Bleibt die Frage: Cui bono, Presserat? Wird politische Korrektheit nun schon vor die Realität gestellt? Liest man die schon fast gleichgeschalteten, politisch überkorrekten heimischen Medien, so kann man durchaus zu diesem Schluss kommen. Dass man der heimischen Bevölkerung damit einen Bärendienst leistet, scheint sekundär. Wenigstens sind auch Presserats-Mitglieder oder Politiker nicht immun gegen Einbrüche. Ein schwacher Trost.
Werner Grotte ist 52, langjähriger Redakteur bei Kurier, ORF, Wiener Zeitung u.a., Buchautor.