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Das Ergebnis der österreichischen EU-Wahl kennt viele Verlierer, aber kaum Gewinner. Verlierer sind die Meinungsforscher, die ein Kopf-an-Kopf um Platz eins und vier prophezeit haben. Verlierer sind die Neos, die – trotz des Fehlens des Teams Stronach – nur auf acht Prozent kamen und weit weg vom vierten Platz liegen. Verlierer sind die Freiheitlichen, die wegen schwerer Eigenfehler weit weg vom behaupteten Mitspielen um Platz eins sind: Sie haben zwar dazugewonnen, liegen aber voraussichtlich bei oder unter 20 Prozent. Verloren haben erwartungsgemäß die vier Kleinparteien, die allesamt unbedeutend blieben (auch wenn die Austrittspartei dort einen Achtungserfolg erzielt hat). Der größte Verlierer aber ist das EU-Parlament: Auch wenn die genaue Beteiligung erst Montagabend feststehen wird, so ist doch jetzt schon klar, dass neuerlich weniger als beim letzten Mal zu den Wahlen gegangen sind, obwohl schon beim letzten Mal weitaus die Mehrheit daheim geblieben ist.
Der neuerliche Rückgang der Beteiligung in den meisten Ländern außer Deutschland (wo die Sozialdemokraten erstmals einen Deutschen als europaweiten Spitzenkandidaten hatten, weshalb sie ganz gut mobilisieren konnten, und wo die bürgerliche Rechte mit der "Alternative" eine neue, stark genutzte Möglichkeit auf ihrer Seite hatten) ändert aber nichts an den Kompetenzen des EU-Parlaments. Diese sind groß. Auch wenn die Europäer mit der Entwicklung dieser EU immer weniger anfangen.
Zu viele katastrophale Fehler sind da begangen worden. Zu oft hat Europa die eigenen Verpflichtungen und Festlegungen gebrochen. In Österreich, aber auch in vielen anderen Ländern ist ein Wahlkampf voller Phrasen und Nebensächlichkeiten gelaufen. Es gab kein einziges Thema, das wirklich emotionalisiert hätte. Ein Wahlkampf mit Spitzenkandidaten wie Karas, Freund, Vilimsky, Mlinar oder Stadler kann nicht die Menschen begeistern.
Zu den Gewinnern zählen sich aber dennoch fast alle. Die ÖVP, weil sie trotz schwerer Stimmverluste ganz eindeutig auf Platz eins geblieben ist. Die Freiheitlichen und die Grünen, weil sie deutlich dazugewonnen haben – und die Verluste beim letzten Mal elegant verschweigen. Vor allem die Freiheitlichen müssen verschweigen, dass sie schon (bei Nationalratswahlen wie auch bei Umfragen vor der EU-Wahl) den 30 Prozent näher waren als den 20 Prozent, die sie jetzt knapp verfehlen dürften. Sie haben im letzten Moment unter Druck von außen ihren eigenwilligen, aber in allen Diskussionen sehr versierten Kandidat Mölzer ausgewechselt. Sie haben sich ganz auf die Seite Russlands gestellt. Und sie hatten keinerlei internationales Konzept. Gerade das Nichtmehrantreten des – von der Krone unterstützten! – EU-Skeptikers Martin und das De-facto-Ende des BZÖ hätten sich bei den Freiheitlichen ganz anders zeigen müssen. Die Stimmen jener Gruppierungen, die einst Aufmerksamkeit errungen haben, jetzt aber nicht mehr relevant oder überhaupt angetreten sind, teilen sich aber auf Freiheitliche, Grüne und Neos auf.
Die Neos sind wohl nicht so schwach, wie jetzt ihre Spitzenkandidatin war. Aber man muss schon festhalten: Es ist nicht nur Frau Mlinar, sondern auch Parteichef Strolz: Der rhetorisch-inhaltsleere Schwung von Seminar-Rhetorikern hält halt nur eine Zeit, dann würde man sich doch Klarheit erwarten, wofür diese Partei eigentlich steht. Und diese Klarheit gibt es bei den Neos heute weniger denn je seit ihrer Gründung.
Amüsant sind die Sozialdemokraten: Denn beim letzten Mal haben sie das schwache Ergebnis mit dem Antreten des einst unter SPÖ-Flagge gesegelten Hans-Peter Martin begründet. Nun aber haben ihre Propagandisten die Stimmenprozente Martins (der ja nicht mehr kandidiert hatte) rhetorisch komplett den Freiheitlichen zugeschlagen, damit Ihre Stagnation auf niedrigem Niveau nicht so auffällt. Man wendet halt die Argumente, wie man sie braucht.
Fast alle Politiker wundern sich, dass immer mehr Wähler daheim bleiben. Denn unbestreitbare Tatsache ist: Vor allem die EU-Kritiker sind daheim geblieben. Sie fanden entweder keine Partei, kannten sich nicht aus oder wollten der EU als Ganzes ihre Ablehnung zeigen. Damit konnten jene zwei Kandidaten, die sich im EU-Parlament auf Grund ihrer bisherigen Tätigkeit eindeutig besser als die anderen auskennen, gute Ergebnisse erzielen: Das waren vor allem die Grünen mit Ulrike Lunacek, die zwar ein komplett linkes Programm vertritt, die sich aber zweifellos in den letzten Jahren in Europa exzellent eingearbeitet hat und die bei allem Diskussionen ihren Standpunkt sehr gut vertreten hat.
Und das war auf der anderen Seite Othmar Karas, der im EU-Parlament einen guten Namen hat. Diese beiden waren weit besser als die Skeptiker imstande zu vermitteln, dass sie wussten, welche Kompetenzen das EU-Parlament hat. Sie konnten also diejenigen, die überhaupt wählten, am besten mobilisieren.
Aber nochmals: Beide haben nur dadurch das vermeintliche Kopf-an-Kopf-Rennen (das Medien und Meinungsforscher prophezeit hatten) für sich entscheiden können, weil es vor allem auf bürgerlicher Seite keine brauchbare Alternative gab, weil Prozentsätze ja immer nur von den gültigen Stimmen berechnet worden sind. Während – auch – ihre Anteile bei der Gesamtzahl der Wahlberechtigten erschreckend niedrig sind.