In der Karwoche lese ich in der „Kathpress“ eine Äußerung des Bischofs Manfred Scheuer zum Recht von Homosexuellen auf Adoption. Ich werde daraus nicht klug. Was soll das heißen: „Die Argumentation ist derzeit so, dass das Kind ein Anrecht auf einen leiblichen Vater und eine leibliche Mutter hat“?
Wer argumentiert so? Es wäre – mit Verlaub – unsinnig. Auf leibliche Eltern kann man kein „Anrecht“ haben. Entweder hat man sie noch oder sie sind schon tot. Deshalb gibt es ja überhaupt die Frage nach der Adoption, weil ein Kind keine leiblichen Eltern mehr hat, die für es sorgen könnten und man Menschen sucht, die dazu bereit sind.
Die „ganz zentrale Botschaft ist, dass homosexuell orientierte Menschen nicht diskriminiert werden dürfen“, sagt Scheuer. Daran wundert mich zunächst, dass ein katholischer Bischof die Terminologie der Gender-Ideologie verwendet, die Papst Benedikt XVI. in seiner Weihnachtsansprache an die Kardinäle 2012 eindeutig und mit großer intellektueller Klarheit verworfen hat. Homosexuell ist man durch eine genetisch bestimmte Veranlagung. Sich sexuell zu „orientieren“, also aus mehreren Möglichkeiten zu wählen, was man sein will, ist Gender-Ideologie.
Eigentlich habe ich immer gedacht, „ganz zentral“ bei der Frage nach der Adoption sei das Wohl des Kindes. Dieser Gedanke kommt bei Scheuer überhaupt nicht vor. Wodurch das Kindeswohl garantiert werden kann und wodurch es gefährdet wäre, ist genau der Gegenstand der Auseinandersetzung. Zwar verwendet Scheuer die von Bischof Egon Kapellari gern zitierte Wendung, dass „Differenzierung keine Diskriminierung“ sei. Was aber bedeutet das bezogen auf die Adoption: Sollen Homosexuelle nun adoptieren dürfen oder nicht? Ist es eine Diskriminierung, wenn sie es nicht dürfen?
Warum fällt Scheuer und seinen Mitbrüdern im bischöflichen Amt eine klare Antwort auf diese ethisch und gesellschaftspolitisch höchst relevante Frage so schwer? Die letzte Sitzung der Bischofskonferenz hat sich dazu nicht geäußert, obwohl die öffentliche Debatte dazu im vollen Schwange ist. Stattdessen hat sie sich für die Einführung der Finanztransaktionssteuer ausgesprochen. Dafür also fühlen sich die Bischöfe sachlich zuständig, nicht aber für eine Frage, bei der es immerhin um etwas geht, was nun wirklich zentral für die katholische Auffassung von der sozialen Existenz des Menschen ist, nämlich die Familie. Darin weiß ich mich mit Kardinal Kasper und Papst Franziskus einig.
Dürfen sich Katholiken, die sich etwa in der Politik eine Orientierung durch ihre Bischöfe erwarten (viele sind es ohnehin nicht mehr), wenigstens an Frau Schaffelhofer halten, die als Präsidentin der Katholischen Aktion ja in Übereinstimmung und unter der Oberleitung der Bischöfe handelt? Als sie für die klare Position, die sie im Fernsehen eingenommen hat, öffentlich denunziert und auch aus ihrem eigenen Verband kritisiert wurde, hat sich aber kein Bischof zu ihrer Verteidigung zu Wort gemeldet. Man wüsste gern: Weil man nicht ihrer Meinung ist oder weil man „nur“ nicht den Mut dazu hatte?
Die Bischöfe sollen sich nur nicht täuschen! Die Frage nach der Adoption ist nur ein Vorspiel. Es werden härtere Tage kommen und sie sind schon da: Wenn es demnächst um die Homo-„Ehe“ geht, dann um die Leihmutterschaft und um Sexualerziehung im Sinne von gendermäßiger Auswahl aus verschiedenen sexuellen „Orientierungen“, die gewissermaßen im Angebot stehen. Das wird dann auch für katholische Schulen gelten, versteht sich. Denn sie bekommen ja öffentliche Subventionen und die Lehrer bezahlt. Innsbruck ist nicht weit weg von Baden-Württemberg, wo das schon durchgespielt wird. Werden wir von den Bischöfen auch dann als „zentrale Botschaft“ hören, es dürfe niemand diskriminiert werden, vor allem nicht Homosexuelle?
Dr. Hans Winkler ist Kolumnist. Er war früher Leiter des Wiener Büros der „Kleinen Zeitung" und deren Stellvertretender Chefredakteur.