Je leerer die Staatssäckel, desto größer die Begehrlichkeit des Fiskus. Ausgabenseitige Budgetsanierung durch Sparen verbietet sich systembedingt: Wählerkorrumpierung durch Bereitstellung von Brot und Spielen ist eben teuer. Die Bürger um die Hälfte ihres Einkommens zu bringen, reicht daher längst nicht mehr aus. Weiteren Verschuldungsorgien aber schieben internationale Verpflichtungen („Maastrichtkriterien“) einen Riegel vor. Der Ausweg: Substanzsteuern auf mittels versteuerten Geldes erarbeitete Vermögen. Bei linken Neidgenossen besonders beliebt: Erbschaftssteuern. Die lassen sich besser als jede andere Enteignungsaktion mit „gerechtistischen“ Schmähs argumentieren.
Der Frage „Wie gerecht sind Erbschaftssteuern?“ war eine Podiumsdiskussion der liberalen Denkfabrik „Agenda Austria“ gewidmet. Als Diskutanten fungierten Sibylle Hamann, eine durch ihre Kolumnen im Wiener „Falter“, der deutschen „Emma“ und in der Wiener „Presse“ bekannte linke Politikwissenschaftlerin und Journalistin, der evangelische Pfarrer von Küssnacht, Peter Ruch und der Wirtschaftswissenschaftler Reiner Eichenberger, Professor an der Universität Fribourg.
Dass zwei der Redner aus der Schweiz kamen, war kein Zufall. Schließlich verfügt man in der Schweiz über langjährige Erfahrungen mit Vermögens- und Erbschaftssteuern.
Reiner Eichenberger beleuchtete in seinem Impulsreferat die Gegebenheiten in der Schweiz. Er wies darauf hin, dass die Einkommensverteilung in seinem Heimatland – vor Steuern – eine geringere Spreizung aufweist als in Österreich. Die Erhebung von Vermögens- und Erbschaftssteuern sei Kantonssache. In direkter Linie (Kinder und Ekelkinder) werde keine Erbschaftssteuer erhoben. Dafür werde der „Neffe fünften Grades“ massiv belastet. Die steuerliche Schonung der Kinder führe dazu, dass keine Ausweich- oder Umgehungslösungen gesucht würden. Die von den eidgenössischen Sozialisten derzeit angestrebte Einführung einer bundesweiten, 20prozentigen Erbschaftssteuer werde zu einer Vertreibung potentieller Erblasser ins Ausland führen. Keiner, der im Laufe vieler Jahre ein nennenswertes Vermögen aufgebaut habe, sehe tatenlos der mutwilligen Zerstörung seines Lebenswerkes durch den Staat zu. Eichenberger beklagte die Unehrlichkeit der Enteignungsbefürworter. Von einer geplanten „Besteuerung wirklich großer Vermögen“ könne keine Rede sein. Diese seien nämlich nirgendwo zu fassen, da sie sich durch entsprechend geschickte Vermeidungskonstruktionen jeder diesbezüglichen Initiative wirkungsvoll entziehen könnten. Belastet würde am Ende wieder nur der Mittelstand: Private Heimstätten und kleine Unternehmen, die nicht so mobil seien wie das „große Geld“.
In ihrer Erwiderung betonte Hamann, zum nicht geringen Erstaunen vieler der Anwesenden, „sehr für das Leistungsprinzip“ zu sein. Etwas zu erben habe mit Leistung aber nichts zu tun, weshalb (hohe) Erbschaftssteuern von Standpunkt der „Leistungsgerechtigkeit“ aus zu begrüßen seien. Zählen solle, „was ich tue, nicht wo ich hineingeboren bin.“ Doch nicht nur auf der individuellen Ebene, sondern auch gesamtgesellschaftlich seien Erbschaftssteuern ein Segen, weil damit Verstärkungstendenzen und Vermögenskonzentrationen entgegengewirkt werde.
Kirchenmann Ruch verwies zunächst auf einige Bibelstellen, aus denen kritische Vorbehalte gegen den Reichtum abzuleiten seien (z. B. Mk. 10,25: „Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr…“) hin, um danach die ebenso klar aus der Heiligen Schrift hervorgehende Verteidigung privaten Eigentums zu betonen (drei der zehn Gebote nehmen unmissverständlich darauf Bezug: das siebte, neunte und zehnte). Er jedenfalls könne aus der Bibel keinen Auftrag ableiten, „…dass der Staat mittels Besteuerung zur Besitzlosigkeit anleiten solle.“ Es sei wichtig, stets das „Prinzip Recht vor Macht“ zu beachten – besonders in Steuerfragen. Dass eine demokratisch legitimierte Mehrheit Steuern beschließe, von denen nur andere getroffen würden (z. B. von einer progressiven Einkommenssteuer), sei jedenfalls hochproblematisch. Eigentum sei die Voraussetzung für den Tausch und damit ein „anthropologisches Prinzip“. Tiere könnten nichts tauschen. Nur der Tausch aber biete die Möglichkeit zu Spezialisierung und Arbeitsteilung. Nur die ungehinderte Kapitalakkumulation biete die Möglichkeit, breiten Wohlstand zu schaffen. Diese aber erfordere lange Zeiträume – auch über Generationen hinweg – weshalb er Erbschaftssteuern für schädlich halte.
In der anschließenden Diskussion stellte Eichenberger klar, dass beim Erbrecht nicht die Interessen des Erben, sondern die des Erblassers entscheidend seien. Es gehe um sein Vermögen, weshalb allein er das Recht habe, über dessen Schicksal zu bestimmen! Es herrschten weithin völlig absurde Vorstellungen hinsichtlich der Möglichkeiten zur Substitution von Einkommens- durch Substanzsteuern. So betrage im Land mit der weltweit höchsten Erbschaftssteuer, Belgien, der Anteil dieser Steuerart am gesamten Staatsetat ganze 2,2 Prozent, in Großbritannien („mit seinen bissigen Erbschaftssteuern“) 0,7, in den USA ebenfalls 0,7 und in Deutschland 0,8 Prozent. Wer meine, die Einführung einer Erbschaftssteuer werde zu einer Senkung der Lohn- und Einkommenssteuern führen, erliege einer Illusion. „Noch niemals wurde wegen der Einführung einer neuen Steuer eine andere abgeschafft, denn der Staat hat niemals genug Geld. Je mehr er bekommt, desto weniger hat er.“
In den bei sozialistischen Umverteilern so beliebten Vermögensvergleichen werde regelmäßig darauf „vergessen“ Anwartschaften aus den Pensionskassen zu beachten. Diese aber stellten reale Vermögen dar, deren Berücksichtigung ein völlig anderes Bild der Vermögensverteilung (nämlich wesentlich geringere Verteilungsunterschiede) ergeben. Die Staatsquoten seien zu hoch, weshalb der Einführung neuer Steuern entschieden entgegenzutreten sei. Das in der Schweiz praktizierte, direktdemokratische Prinzip erweise sich diesbezüglich als vorteilhaft. Immer wieder werde von den Stimmbürgern gegen neue oder höhere Steuern entschieden.
Dass Sibylle Hamann, die sich in ihrem Eingangsstatement zum Leistungsprinzip bekannt hatte, im Verlauf der Diskussion vehement für progressive (also hochgradig leistungsfeindliche) Einkommenssteuern eintrat, wirft ein grelles Licht auf die Konsistenz linker Positionen in Steuerfragen. Pure Heuchelei wurde offenbar, als sie behauptete, sich angesichts einer namhaften, „unverdienten Erbschaft“ schlecht zu fühlen, sich zu einer Schenkung an eine karitative Organisation aber letztlich doch nicht durchringen kann…
Fazit: Am Ende geht es der Linken in der Debatte um Vermögens- und Erbschaftssteuern ausschließlich um die Instrumentalisierung von Neidreflexen – getarnt hinter empirisch widerlegten Behauptungen, mit ihrer Hilfe „mehr Gerechtigkeit“ herstellen zu wollen.
Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.