Was passiert, wenn das Russengas ausbleibt

Die Krimkrise weckt alte Befürchtungen, was die Gasversorgung Europas betrifft. Russlands Gazprom ist Hauptversorger der EU bei Gas. Rund 30 Prozent werden über das ukrainische Pipelinesystem geliefert. Die Ukraine kann aber ihre eigene Gasrechnung in Höhe von derzeit 1,4 Mrd. Euro nicht bezahlen, weshalb Gazprom droht, kein Gas mehr an die Ukraine zu liefern.  Für den Gastransit nach Europa könnten damit aber, wie bereits bei der Gaskrise 2009, Probleme entstehen, da die Ukraine der Versuchung, Gas für den Eigenbedarf abzuzweigen erliegen könnte. 2009 gab es die Gasproblematik im tiefen Winter, jetzt ist Frühling, der Gasbedarf weit geringer, außerdem verfügt die Ukraine auch über umfangreiche Gasspeicher (30 Mrd. cbm).

Aber auch in der EU hat man in den letzten Jahren bei Gasspeichern kräftig aufgerüstet, außerdem steht mit der Nord-Stream-Gaspipeline ein neues, potentes Versorgungssystem zur Verfügung. Seitens der heimischen Politik wird auch immer wieder betont, dass Österreich über riesige Gasspeicherkapazitäten verfüge. Das stimmt zwar – aber nur teilweise, weil große Speicherkapazitäten für den österreichischen Markt gar nicht zur Verfügung stehen. Derzeit sind 7,5 Mrd. cbm Speicher vorhanden (ab Ende April kommen noch einmal 700.000 cbm dazu). Davon entfallen jedoch  2,6 Mrd. auf die Speicher Haidach, die von Gazprom und Wingas befüllt werden, nur für die Versorgung Deutschlands gedacht sind und auch nur in diese Richtung liefern können. Beim Speicher 7Fields (E.ON), der früher auch nur Richtung Deutschland liefern konnte, ist seit Anfang des Jahres auch eine Belieferung des heimischen Marktes möglich. Die restlichen Kapazitäten gehören OMV und RAG (Rohöl-Aufsuchungs Aktiengesellschaft). Übrigens: Die OMV-Speicher sind derzeit zu 30 Prozent voll, 7Fields ist mit 50 Prozent befüllt.

Wie sieht die Gasversorgung in Österreich generell aus? Bisher gab es bei den Gasimporten ein Übergewicht von Gazprom mit 70 Prozent, 30 Prozent kamen aus Norwegen und Deutschland. Diese Mengen bestehen allerdings auch nur auf dem Papier, da sie abgetauscht wurden, sodass in der Praxis alle Importe Russengas sind. Sollte Russengas generell ausbleiben, wäre es die Aufgabe von Norwegen und Deutschland, dieses Gas selbst anzuliefern. Experten gehen davon aus, dass dies nur teilweise möglich wäre.

Erschwerend kommt hinzu, dass bisher 20 Prozent der Gasversorgung aus heimischen Lagerstätten kam, was in Zukunft nicht mehr möglich ist, da die heimische Gasversorgung wegen versiegender Quellen im Vorjahr nachhaltig um 20 Prozent gesunken ist. Der Eigenversorgungsgrad liegt deshalb nur noch bei rund 16 Prozent. Dieses Problem gibt es auch in Deutschland, wo die Eigenversorgung ebenfalls um 10 Prozent geschrumpft ist. Dieses Phänomen ist übrigens europaweit festzustellen, auch die Gasquellen in Norwegen, Holland und Großbritannien schrumpfen.

Daher ist immer öfter der Ruf zu hören, dass sich Europa auf neue Bezugsquellen hin orientieren sollte. Nur wie? Pipelinegas aus Russland ist mittelfristig nicht zu ersetzen. Daran hätte auch die gescheiterte Nabucco-Leitung nichts geändert. Das dafür geplante Gas aus Aserbeidschan wird – erst ab 2020 – über die griechisch-italienische TAP (trans-adriatic)-Pipeline kommen. Vorher dürfte noch die South-Stream-Gasleitung in Betrieb gehen – mit russischem Gas. Es ändert sich somit nichts.

Aber in den USA gibt es doch viel, billiges Gas. Ja, aber nicht für Europa. US-Gas und Öl durfte bisher nicht exportiert werden, es wird zwar in den kommenden Jahren einige Ausnahmegenehmigungen geben, für einen Export größerer Mengen fehlen aber die dafür notwendigen Verflüssigungsterminals. Ein erster LNG (Flüssigerdgas)-Terminal geht 2015 in Betrieb, weitere Stationen sind geplant. Künftige LNG-Mengen dürften aber vorrangig nach Fernost gehen, denn dort ist die Gewinnspanne höher.

Die USA kommen somit nicht wirklich als Gaslieferant in Frage. Aber es gibt noch andere Lieferanten von LNG. Abu Dhabi hat riesige Verflüssigungsanlagen gebaut, die nun am Weltmarkt verkauft werden können. In Europa gibt es bereits einige Verflüssigungsterminals (vor allem in England), ein weiterer Ausbau wurde bisher wegen der neuen Gaspipelines zurückgestellt. Das muss aber nicht so bleiben, wenn die EU aus strategischen Überlegungen darauf drängen würde, neue Routen aufzumachen. Etwa in Italien durch den Bau von LNG-Anlagen, wo dann die vorhandene TAG-Pipeline umgedreht werden könnte in Richtung Mitteleuropa. Eine echte Abhilfe wäre aber auch LNG nicht, damit könnte höchstens die rückläufige europäische Gaserzeugung ausgeglichen werden.

Bliebe noch als Ausweg vielleicht doch auch in Europa in die Schiefergas-Produktion einzusteigen, wie dies auch Schoeller-Bleckmann Oilfield-Chef Grohmann als strategische Variante vorschlägt. Selbst wenn dafür grünes Licht gegeben würde, wonach es derzeit nicht aussieht, würde es mehr als zehn Jahre dauern, bis erstes Gas fließen könnte. Bei den derzeitigen Gaspreisen könnte europäisches Schiefergas, das zwar um einiges teurer als jenes der USA wäre, durchaus konkurrenzfähig sein.

Also was bleibt? Eine Gaskrise im Frühjahr brächte keine Versorgungsengpässe. Die derzeit halbleeren Speicher reichen für einige Monate aus. Anders wäre die Lage im tiefen Winter. Europa ist wegen neuer Speicher und technischer Adaptierungen der vorhandenen (Reverse Flow) besser gerüstet als vor fünf Jahren. Die Idee, die Not leidende Ukraine mit Gas aus Westeuropa zu versorgen, besteht vorrangig auf dem Papier, die derzeitige Infrastruktur dafür ist nur unzureichend vorhanden.

Russland wird jedoch wenig Interesse haben, die sprudelnden Geldquellen aus Europa zum Versiegen zu bringen. Schließlich ist Putins Staatskasse nicht gerade prallvoll, auch wenn es für alle Fälle eine „Kriegskasse“ gibt. Aber man kann schließlich nie sagen, wie machtbewusste Politiker reagieren.

Dieter Friedl ist Österreichs führender Energie-Journalist. Er gibt 14-tägig den unabhängigen elektronischen „Energiedienst“ heraus, der unter der E-Mail Adresse kontakt@elisabethgall.at abonniert werden kann. Der „Energiedienst“ informiert über alle Energiefragen.

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