Postzensur: Tiroler Adler fällt politischer Korrektheit zum Opfer

Des Freiheitskämpfers Andreas Hofer gedenkt man alljährlich in Tirol beiderseits des Brenners. Wenngleich er und seine Mannen 1809 im Kampf gegen den napoleonischen Eroberer und dessen bayerische Mitläufer unterlagen, so wurde er doch weithin in Europa für all jene zum Idol, die sich wie er wider Fremdherrschaft erhoben. Ein einfacher Gastwirt und Pferdehändler war der Hofer Andrä aus Passeier.

Viel Schulbildung hatte der Sandwirt nicht genossen; manche seiner Fehlentscheidungen und Misserfolge mögen auch darauf zurückzuführen sein. Doch weil ihn seine Überzeugung und die Treue zu sich selbst sowie zu seiner Heimat zwangsläufig zum Aufstand wider die fremden Eindringlinge führten, wurde er zum Helden. Andreas Hofer glaubte an das, wofür er kämpfte und er ging dafür auch aufrecht in den Tod. Keine äußeren Einflüsse, keine Verlockungen oder Schmeicheleien konnten ihn von dem als richtig erkannten Weg abbringen.

Davon überzeugt, für eine gerechte Sache gekämpft zu haben, trat er vor das Erschießungskommando. In Mantua wurde der Volksheld aus dem Südtiroler Passeiertal füsiliert. Von daher rührt der von Julius Mosen 1831 verfasste Text zur sechsstrophigen Tiroler Landeshymne, von der hier die erste in Erinnerung gerufen und wiedergegeben sei:

Zu Mantua in Banden
Der treue Hofer war,
In Mantua zum Tode
Führt ihn der Feinde Schar.
Es blutete der Brüder Herz,
Ganz Deutschland, ach, in Schmach und Schmerz.
Mit ihm das Land Tirol,
Mit ihm das Land Tirol.

Alljährlich im Spätherbst gedenkt man im Südteil Tirols – im Überetsch, und zwar auf dem Friedhof von St. Paul – der Tiroler Freiheitskämpfer der 1950er und 1960er Jahre, der toten ebenso wie der (noch) lebenden. Wer an dieser Gedenkfeier teilnimmt, bringt ihnen Respekt, Achtung sowie Dank für ihren selbstlosen, uneigennützigen Einsatz und Opfertod für Volk und Heimat Tirol zum Ausdruck.

Sepp Kerschbaumer, ihr Kopf und rührigster Organisator aus Frangart, entstammte wie Hofer bescheidenen Verhältnissen. Auch er war ein Mann aus dem Volke ohne große Schulbildung, ein Greißler und Kleinlandwirt mit Fehlern und Schwächen. So war der Befreiungsausschuss Südtirol (BAS), die von ihm initiierte und geführte Gruppe von Idealisten, eher dilettantisch denn straff organisiert. Der BAS stellte sich der als Besatzer und Kujonierer empfundenen italienischen Staatsmacht und ihrer auch in demokratischem Gewande fortgeführten faschistischen Assimilationspolitik mittels Anschlägen auf Sachen (nicht Menschen) entgegen, um die Welt auf das himmelschreiende Unrecht aufmerksam zu machen.

Einer der größten Fehler der Kerschbaumer-Gruppe: Jeder kannte jeden. Unter der Folter kamen dann die Namen. Gleichwohl war der zutiefst christlich inspirierte Kerschbaumer mit sich im Reinen, innerlich gefestigt und von seinem Tun, dem Kampf für die Selbstbestimmung der Südtiroler und – daraus folgend – die Vereinigung seiner Heimat mit Tirol und also die Rückkehr zu Österreich überzeugt. Nicht einmal die schweren Folterungen in der berüchtigten Carabinieri-Kaserne von Eppan, an deren Folgen er später sterben sollte, konnten ihn brechen. Im Gegenteil: Gleich Hofer nahm auch Kerschbaumer im Mailänder Prozess alle Schuld auf sich.

Über Hofer heißt es in der dritten Hymnenstrophe:
Doch als aus Kerkergittern
Im festen Mantua
Die treuen Waffenbrüder
Die Händ er strecken sah,
Da rief er laut: „Gott sei mit euch,
Mit dem verratnen Deutschen Reich,
Und mit dem Land Tirol,
Und mit dem Land Tirol."

Beider Wirken insgesamt fand in der Bevölkerung höchste Anerkennung und Würdigung, ja nahezu heldengleiche Verehrung.

Trotz Andreas Hofers Wirken blieb Tirol – seinerzeit von Kufstein bis Ala – zunächst noch in Feindeshand. Auch Sepp Kerschbaumer und seine Mannen vom BAS erreichten ihr Ziel, die Selbstbestimmung für Südtirol, nicht. Doch nicht wegen (verfehlter Resultate) ihres Handelns wurden beide ins Heldische entrückt. Sondern weil sie geradlinig und konsequent ihren Weg gegangen sind. Weil es für sie kein Wanken gab, auch keine Furcht vor vermeintlichen Größen, wenn es um Unveräußerliches ging. Und auch weil sie Fanatismus und Selbstherrlichkeit abhold waren, nehmen die beiden Tiroler einen Ehrenplatz in der Geschichte ihres Landes ein.

Hofer ist zudem längst „historisiert“ und vermittels Geschichtsschreibung sowie Schulbuch kanonisiert. Jetzt sorgt der Südtiroler Heimatbund (SHB), die Vereinigung besagter Aktivisten und gleich gesinnter heutiger Sympathisanten, für eine Vergegenwärtigung des Heldenmuts Kerschbaumers und seiner engsten BAS-Mitstreiter. „Unsere Freiheitskämpfer – Ihre Opfer bleiben unvergessen" ist ein Bild betitelt, welches der Maler Rudolf Complojer im Auftrag des SHB aus Anlass des 50. Jahrestags des Todes von Sepp Kerschbaumer schuf. Darauf sind neben der Zentralfigur Kerschbaumers selbst auch die Konterfeis der nicht minder bekannten Freiheitskämpfer Luis Amplatz, Jörg Klotz und Kurt Welser zu sehen sowie Toni Gostner und Franz Höfler, die beiden unmittelbar unter italienischer Folter zu Tode gekommenen Mitstreiter, deren Särgen seinerzeit Zehntausende folgten.

Auf diesem Bild ist neben den Genannten auch eine Tiroler Fahne mit dem Tiroler Adler zu sehen, also die Symbole eines freien Tirols, wofür die Freiheitskämpfer sich mit ganzer Kraft eingesetzt haben. Sie sollten eine vom SHB angeregte und in Auftrag gegebene österreichische Briefmarke zieren.

Die Marke im Wert von 70 Cent ist zwar gedruckt worden und kann, über den SHB erworben, in Österreich auf Standardbriefe zum Versand ins europäische Ausland geklebt werden. Allerdings ist die Enttäuschung nicht nur im SHB darüber groß, dass auf den Adler in der Fahne verzichtet werden musste. Die österreichische Post hatte unter Hinweis auf die entsprechende Weigerung der österreichischen Staatsdruckerei, die Marke anzufertigen, Bedenken, den Tiroler Adler abzudrucken.

Man begründete das in Wien so: „Es kam in der Vergangenheit zu etlichen Problemen mit der Rechtsabteilung, da das Tiroler Wappen auf den Marken von Südtirol-Aktivisten benutzt wurde … Es gibt einige, die Südtirol wieder gerne bei Österreich sehen möchten, und da hat es in der Vergangenheit Besteller von Marken gegeben, die Mithilfe des Tiroler Wappens spezielle Marken drucken wollten.“

Kein Faschingsscherz: So weit geht „politische Korrektheit“ mittlerweile, dass der Tiroler Adler als identitätsstiftendes Emblem eines Landes und Volkes, dessen Freiheiten aus dem Maximilianischen Landlibell von 1511 älter sind als die aller Nationen und Nationalstaaten, der Zensur von Staatsdruckerei und Post in Österreich zum Opfer fällt. Weil er den Druck ermöglichen und die Briefmarke in Umlauf bringen will, hat der Südtiroler Heimatbund „schweren Herzens“, wie Obmann Roland Lang bekundet, auf den Adler verzichtet. Nicht, ohne darauf hinzuweisen, dass es Verbote, den Tiroler Adler zu zeigen, schon gab – während der Zeit des italienischen Faschismus.

Diese waren vergeblich, denn Heimatliebe und Freiheitsstreben konnte und kann man nirgends auf der Welt mit Verboten unterdrücken. Lang fügt hinzu, dass seine Mitglieder „bekennende Südtirol-Aktivisten“ sind, die sich mit friedlichen Mitteln für die Freiheit Tirols einsetzen. Das gezahnte selbstklebende 70-Cent-Postwertzeichen, wenngleich ohne Tiroler Adler, kann beim SHB unter http://www.suedtiroler-freiheitskampf.net/ angefordert und in ganz Österreich benutzt werden.

Herrolt  vom Odenwald ist deutsch-österreichischer Historiker und Publizist.

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