Buchbesprechung: Höllensturz und Hoffnung

Die westliche Welt hat nicht mit einer auf einen einzigen Bereich beschränkten Fehlentwicklung zu kämpfen. Es läuft vielmehr gegenwärtig vieles – zu vieles – gleichzeitig falsch. Krisenhafte Entwicklungen hat es in der Menschheitsgeschichte zwar immer wieder gegeben: Aber Seuchen, Kriege und Naturkatastrophen konnten den Bestand und die Entwicklung der Menschheit insgesamt noch niemals nachhaltig gefährden. Immer wieder konnten von den Betroffenen Auswege gefunden, alle Krisen glücklich überwunden werden.

Diese Gewissheit wird von den Herausgebern dieses Buches nicht mehr geteilt. Die (konservativen, christlich orientierten) Buchautoren sorgen sich davor, dass es an verschiedenen Fronten zeitgleich und länderübergreifend zu schwerwiegenden Einbrüchen kommt. Davon würde schon jeder für sich allein bereits gewaltiger Anstrengungen zu seiner Überwindung bedürfen. Die Herausgeber legen daher, zusammen mit einer Gruppe von zehn weiteren Professoren aus den unterschiedlichsten Fachbereichen, eine Art Menetekel des frühen 21. Jahrhunderts vor. Sie fürchten, dass das System insgesamt kippt, dass unsere gesamte westliche Zivilisation kollabiert.

In der Vergangenheit ist es schon mehrfach zum Untergang von Gesellschaften gekommen. Der amerikanische Evolutionsbiologe und Geograph Jared Diamond hat mit seinem 2005 erschienen Bestseller „Kollaps“ eine ganze Reihe solcher Katastrophen beschrieben. Diese blieben allerdings jeweils auf relativ kleine Kollektive, etwa auf die Bewohner der Osterinsel, begrenzt.

Die Autoren beschränken sich indes nicht auf den rein ökologischen Blickwinkel Diamonds, sondern beziehen religiöse, kulturelle, ethische, politische und wirtschaftliche (Fehl-)Entwicklungen in ihre Betrachtungen mit ein. Sie sehen die „abendländische“ Kultur durch soziale, kulturelle, physische und individuelle Katastrophen ernsthaft in ihrer Existenz bedroht. Ihr Ziel ist es, dem Leser die „falschen Hoffnungen zu rauben“, dass aus irgendeinem wundersamen Grund das Schlimmste – der physische Zusammenbruch unserer westlichen Gesellschaften – am Ende ja doch nicht eintreten werde, auch wenn wir uns nicht zu einem auf vielen Ebenen erfolgenden, radikalen Kurswechsel entschließen würden.

Eines der von den Autoren apostrophierten Problemfelder ist ein jede Moral langfristig zerstörender Utilitarismus, der ausschließlich das größte – materielle – Glück der größten Zahl anstrebt. Immer weiter zunehmende technische Möglichkeiten, bei gleichzeitig immer tiefer sinkender Moral (das dieser Tage viel debattierte belgische Euthanasiegesetz ist hierfür ein gutes Beispiel) öffnen Einfallstore für unabschätzbare Gefahren.

Scharfe Kritik wird auch am herrschenden Wachstumsdogma geübt. In endlichen Systemen ist unendliches, zudem exponentielles, Wachstum schlicht unmöglich. Eine Binsenweisheit, die anzunehmen zwar kein abgeschlossenes Physikstudium voraussetzt, die aber dennoch von sämtlichen politischen Verantwortungsträgern konsequent ignoriert wird.

Mit der „ökosozialistischen Doktrin der Gleichheit“ wird ebenfalls scharf ins Gericht gegangen. Mit ihr wird „Gleichheit über Gerechtigkeit, Chaos über Ordnung (…) und Einebnung über Differenzierung“ gestellt – mit fatalen Konsequenzen. Die moderne Ersatzreligion des Ökologismus ist nämlich nicht in der Lage, das Heil zu bringen. „Nicht Liebe und Geborgenheit, sondern Abtreibung ist die Natur des Ökosozialismus“ – starke Worte!

Der unserer Tage auf immer höhere Gipfel getriebene Genderwahnsinn, der in einer möglichst frühzeitigen Sexualisierung der Kinder – auch gegen den erklärten Willen der Eltern – seinen wohl ekelhaftesten Ausdruck findet, wird als eine weitere tödliche Bedrohung unserer Kultur geortet.

Die in der westlichen Welt herrschende „Wirtschaftskrise“ wird als das gesehen, was sie in Wahrheit ist: eine Schuldenkrise. „Heute gibt es dreieinhalb Mal so viel geliehenes wie gespartes Geld.“ Die Schuldenkrise wird daher konsequenterweise als „ethische Krise“ bezeichnet.

Die Autoren bieten eine recht komplette Zusammenfassung all jener Fehlentwicklungen, die jedem vernunftbegabten Zeitgenossen, dem ideologische Gleichschaltung, politische Korrektheit und Denkverbote aller Art das Hirn noch nicht restlos vernebelt haben, ins Auge fallen müssen.

Gemäß seinem Untertitel „Warum unsere Zivilisation zusammenbricht und wie sie sich erneuern kann“ widmet sich der letzte Teil des Buches der Hoffnung auf Besserung. Er ist deprimierend kurz geraten. Wer an dieser Stelle konkrete Handlungsanleitungen erwartet hat, wird herb enttäuscht. Das Buch schließt mit dem auch an den Beginn gestellten Fall eines 1985 in Japan infolge eines Wartungsfehlers abgestürzten Jumbo-Jets: Im Gegensatz zu den damals auf verlorenem Posten befindlichen japanischen Piloten hätten wir es heute in der Hand, das Steuer noch herumzureißen, „…um sicher zu landen. Aber wir brauchen ein neues Flugzeug, um sicher weiterfliegen zu können.“

Wo in aller Welt eine dafür geeignete Maschine zu finden ist, bleibt offen. Ernüchterndes Fazit: Viel Höllensturz und verdammt wenig Hoffnung…

Höllensturz und Hoffnung
Hans-Joachim Hahn, Lutz Simon
Olzog-Verlag 2013
256 Seiten, gebunden
ISBN: 978-3-7892-8197-6
22,90,- Euro

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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