Warum so mutlos?

Die ÖVP „blockiert die wichtigsten Themen, von der Bildung bis zur Steuerpolitik“ weiß der „Standard“ als Sprachrohr des links-grünen Feuilletons. Aber nicht nur die interessensgeleiteten Medien sind sich einig in ihrer Kritik an der ÖVP, auch parteiintern fallen viele auf den zeitgeistigen Schmäh herein, dass die veröffentlichte Meinung auch die öffentliche Meinung ist. Von Erhard Busek – no na! – bis zu selbsternannten Denkern in Bundesländern und Bünden nutzen viele den Zustand der Partei, um sich am Obmann abzuarbeiten, weil sie wissen, dass sie mit negativen Wortspenden jederzeit in die Medien kommen.

Die ÖVP ist „unmodern und verengt“, sie muss sich dem Zeitgeist „öffnen“, lautet die wohlfeile Forderung. Die Fakten sehen anders aus. So wie es in Österreich eine Mehrheit für die Wehrpflicht gab, was Demoskopen nicht wirklich überrascht hat, so gibt es etwa auch eine Mehrheit für Studiengebühren und wohl auch für das Gymnasium. Warum initiiert die ÖVP keine Volksbefragung zu diesen Themen, wie es die SPÖ bei der Wehrpflicht getan hat? Zwei Dauerthemen wären damit schlagartig „entblockiert“.

Es gibt nämlich nicht nur gute Argumente für Studiengebühren, sondern auch gute Gründe, die Gesamtschule abzulehnen, doch müsste man dies kompetent kommunizieren und nicht nur einfach „Njet“ sagen. Eine Mehrzahl der Eltern will für ihre Kinder eine ordentliche, gute Schule, und den Menschen ist auch klar, dass es verschiedene Begabungen, Interessen und Talente gibt, und dass ein differenziertes Schulsystem durchaus sinnvoll ist, weil eine Gleichbehandlung von Ungleichem neue Ungleichheiten erzeugt. In einem dümmlichen Trommelfeuer wird aber eine Gesamtschule gefordert, deren Wert alles andere als erwiesen ist, weder durch ausländische noch durch inländische Beispiele.

Aktuell zeigt eine erste Evaluierung der Neuen Mittelschule sogar, dass dieses teure ideologische Steckenpferd der gescheiterten Unterrichtsministerin Claudia Schmied schlechtere (!) Ergebnisse bringt als die kostengünstigere Hauptschule und AHS. Eine verantwortungsvolle Politik müsste sofort die Notbremse ziehen und diesen teuren Irrweg beenden.

Mündige Bürger?

Auch eine heterosexuelle Ehe/Partnerschaft mit Kindern ist immer noch der Mehrheitswunsch der Österreicher. Und, dass Menschen in homosexuellen Partnerschaften selbstverständlich nicht diskriminiert werden sollen, heißt nicht, dass eine derartige Partnerschaft mit einer Ehe gleichzustellen ist, denn es handelt sich auch hier um durchaus ungleiche Dinge, die folglich ungleich zu behandeln sind.

Viele Bürger, die sich etwas geschaffen haben und das Erarbeitete auch ihren Kindern vererben möchten, haben kein Verständnis für Erbschafts- und Vermögenssteuern. Sie haben kein Verständnis, dass ein disziplinloser, hochverschuldeter Staat rücksichtslos auf das Vermögen derer zugreift, die noch wissen, was ordentliches Wirtschaften heißt und die noch Vokabel wie „Leistung“ oder „Eigenverantwortung“ buchstabieren können.

Und viele Bürger sind daher auf der Suche nach einer Partei, die diese Interessen glaubhaft vertritt, die einen anderen Eigentums-, Gleichheits-, Gerechtigkeits- und Freiheitsbegriff hat als die links-populistischen Vorstellungen von Gleichmacherei, Bevormundung und Staatsabhängigkeit; es geht um ein Menschenbild von mündigen Bürgern statt abhängigen Subventionsempfängern.

Keine der im Nationalrat vertretenen Parteien ist in diesen Fragen auf Seiten der Bürger. Vom Koalitionspartner SPÖ ist diesbezüglich nichts zu erwarten, dort wurde die Fantasie- und Mutlosigkeit, unpopuläre Themen anzugreifen, sogar von Parteifreunden anlässlich des 125. Jubiläums wortreich beklagt. Auch von den Oppositionsparteien ist nichts zu erhoffen, weder von den Grünen, die ja die SPÖ links überholen wollen, noch von der FPÖ, die ja eigentlich eine sozialistische Partei ist, halt nur in der nationalen Variante. Das Team Stronach hat seine Chance gründlich verblödelt, und die NEOS dürften spätestens seit ihrer Fusion mit dem zeitgeistig linken LiF als glaubwürdige bürgerliche Alternative ebenfalls abgedankt haben.

Nicht „Verengung“ ist das Thema, sondern eine klare Fokussierung auf zentrale Werte wie Eigentum, Eigenverantwortung, Leistungsbereitschaft und dergleichen mehr, sowie eine glaubhafte Umsetzung in der Praxis. Politik ist Themensetzung, und die ÖVP ist seit geraumer Zeit nur mehr auf dem Rückzug in der Abwehr von Forderungen anderer Parteien. Warum traut sie sich nicht, richtig erkannte Themen nachhaltig zu besetzen, von der Zurückdrängung des übermächtigen Staates über die Steuerentlastung der Bürger bis hin zu überfälligen Privatisierungen? Sie hätte gute Argumente auf ihrer Seite.

Derzeit stehen ohnehin keine Nationalratswahlen auf dem Programm, man könnte also zur Abwechslung einmal versuchen, das Anständige und Vernünftige zu tun.

Prof. Dr. Herbert Kaspar ist Chefredakteur der ACADEMIA, der Zeitschrift des österreichischen Cartellverbandes. Dieser (leicht aktualisierte) Kommentar ist der Februar-Ausgabe entnommen.

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