Vor wenigen Tagen hat der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes den Vatikan wegen seines Umgangs mit pädophilen Priestern heftig kritisiert. Der UN-Ausschuss erklärte sich zutiefst besorgt, dass der Heilige Stuhl das „Ausmaß der begangenen Verbrechen nicht anerkannt" und die erforderlichen Maßnahmen nicht ergriffen habe. Stattdessen habe der Vatikan eine Politik und Praktiken verfolgt, die dazu führten, dass die Missbrauchsfälle andauerten und die Täter straflos ausgingen.
Während die Würdenträger der Kirche nun immer häufiger ihre Opfer um Entschuldigung bitten, bleibt die Republik Österreich konsequent. Selbst einfache Gesten des Bedauerns sind hier rühmliche Ausnahmen. Im glücklichen Österreich teilt sogar der Bundespräsident schriftlich mit, dass ihn die Verfassung daran hindere, sich im Namen der Republik bei den unter staatlicher Obhut missbrauchten und verprügelten Opfern zu entschuldigen: „Ich darf Sie daher um Verständnis ersuchen, dass der Herr Bundespräsident der – wie alle staatlichen Funktionsträger – an die ihm verfassungsrechtlich eingeräumten Kompetenzen gebunden ist, hier keine Veranlassungen treffen kann."
Außerdem sollen sich die Opfer damit abfinden, dass so eine öffentliche Entschuldigung „außerhalb seines verfassungsmäßigen Wirkungsbereiches liegt".
Zugegeben: In einer Gesellschaft, in der sich pädophile Gewalttäter über Jahrzehnte völlig ungestört an Kindern vergreifen, ist ein kollektives Schuldbekenntnis wohl kaum zu erwarten. Im Unterschied zum Vatikan können sich demokratische Staaten allerdings sehr wohl mit ihrer pädophilen Vergangenheit auseinandersetzen und deutliche Zeichen setzen.
So hat etwa der Deutsche Bundestag bereits im Frühjahr 2011 eine offizielle Aufarbeitung eingeleitet und damit den Opfern zumindest ein kleines Stück an Würde und Lebensqualität gegeben.
In Österreich gehen die Uhren anders. Von einer parlamentarischen Aufarbeitung können die zahlreichen Opfer aus Heimen, Internaten und anderen öffentlichen Kinderaufbewahrungsstätten nur träumen. Hier werden stattdessen Arbeitskreise gegründet, die dann feierlich zu „Missbrauchskommissionen" ernannt werden. Exakt nach kirchlichem Vorbild gilt dabei: Transparenz ist verpönt, jede Kritik ein geradezu blasphemischer Untergriff. Und als oberste Maxime gilt: Schweigen. Wenn eines der Opfer zum Beispiel fragt, warum nur ein Teil der versprochenen „Entschädigung" ausbezahlt wurde, dann erntet es beredtes Schweigen.
Geredet wird nur dann, wenn längst verstorbene „Einzeltäter" und deren nationalsozialistisches Gedankengut als „verantwortlich" identifiziert wurden. Und vor allem: Wenn die Straftaten laut Gesetz längst verjährt sind. Dazu werden dann Studien in Auftrag gegeben und dicke Bücher veröffentlicht, aus denen Krokodilstränen kullern.
Es ist die ganze Gesellschaft, die dieses System aus Aussitzen, Vertuschen und Schweigen unterstützt. Selbst die Medien spielen dabei eine tragende Rolle. Je lauter die Betroffenen ihre Schmerzen hinausbrüllen, desto dichter wird der Mantel des Schweigens.
Wolfgang Hoffmann, Jahrgang 1959, ist Musiker, Unternehmer und Autor. Siehe: http://www.woho.at