Man sollte ein Buch nie nach seinem Umschlag beurteilen. Besonders dann, wenn ein sowohl in Ökonomie als auch Theologie ausgebildeter Autor dessen Urheber ist, könnten darin ja durchaus spannende Perspektiven geboten werden. Das war der Grund, weshalb der Rezensent zum vorliegenden Elaborat gegriffen hat, dessen Titel schwer an Banalität zu übertreffen ist.
Leider schmiegt sich der Text über weite Strecken perfekt an die platte Überschrift, deren zweite Zeile lautet: Vom Sinn und Wesen des Kapitals. Der Autor enthüllt dem staunenden Leser in der Einleitung seine sensationelle Erkenntnis: „Die grundlegende kapitalistische Transaktion ist der Tausch Geld gegen Träume“ um darauf anzukündigen, in der Folge über „Formen menschenfreundlichen Wirtschaftens“ nachdenken zu wollen.
Der Begriffsbestimmung, dass Kapital „die Speicherungsform von Geld oder Vermögen“ darstellt, die „ihren Ursprung in Arbeit“ hat und „der Motor der Wirtschaft“ ist, kann man ohne weiteres folgen. Dass Kapital eine Zeitkomponente aufweist, „Symbolik“ und „Potentialität“ bedeutet, ist ebenfalls unbestreitbar, wenn auch keine bahnbrechend neue Einsicht. Dem Kapital wird – auf 15 Seiten – attestiert, eine helle Seite zu besitzen. Hier erfährt der Leser etwa, dass Kapital „ein Werkzeug gestaltender Freiheit“ ist. Immerhin.
Gleich danach wird – auf der beinahe doppelten Seitenzahl – die dunkle Seite des Kapitals analysiert. Zu dieser zählt nach Meinung des Autors u. a. die Aufstachelung von Neid, Gier und Hass. Dass derjenige, der es zu etwas bringt, Neid und Missgunst auf sich zieht, ist eine Binsenweisheit. Dass sich in diesem Umstand eine „dunkle Seite“ des Geschaffenen manifestieren soll, ist allerdings eine doch recht originelle Interpretation. An dieser Stelle darf natürlich auch der Hinweis auf die Bibel nicht fehlen, die dahingehend ausgelegt wird, dass „Kapital sich sehr wohl als Gott betrachten lässt“ und: „der Gott des Kapitals verlangt Opfer“. Das sitzt! Der Applaus linker Politiker, Gewerkschafter, Aktivisten der katholischen Sozialakademie und des neuen Bischofs von Rom ist dem Autor damit sicher.
Mit dem Eintreten für die Abkehr von der bloßen Messung der monetär bewerteten Wirtschaftsleistung – hin zur Beurteilung eines nicht sonderlich überzeugend definierten „Bruttosozialglücks“, ist der Autor dann auch schon im Hauptstrom der zeitgenössischen Kapitalismuskritik angelangt. Etwas weiter hinten erfahren dann zur Krönung auch noch Silvio Gesells bizarre Schwundgeldidee und die „Gemeinwohlökonomie“ wohlwollende Erwähnung.
In einer Ökosozialen Marktwirtschaft, in der Nachhaltigkeit (ohne die es in diesem Zusammenhang offenbar nicht mehr geht) und – Bingo – „soziale Gerechtigkeit“ hochgehalten werden sollen, liegt nach Meinung des Autors – er ist Direktor des in Deutschland beheimateten Instituts für Sozialstrategie (http://institut-fuer-sozialstrategie.de/) – die Zukunft. Fazit: Das Leben ist eindeutig zu kurz, um es auf die Lektüre dieses Buchs zu verwenden.
Die Wirtschaft ist für den Menschen da
Ulrich Hemel, Patmos Verlag 2013
254 Seiten, gebunden
ISBN: 978-3-8436-0344-7
19,99,- Euro
Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.