Das neue Jahr beginnt, wie das alte geendet hat: Mit einer Fortsetzung der Verschuldung öffentlicher Haushalte; mit inzwischen sogar von den Hauptstrommedien erkannten Kaufkraftverlusten für die Bürger und mit weiterhin tobendem Regulierungswahnsinn.
Die Ankündigung der US-Notenbank Fed, bei den Anleihenkäufen ein wenig bremsen zu wollen, ist alles andere als der Entschluss, mit der seit Jahren betriebenen Geldmengenausweitung aufzuhören. Und schon bald steht in den USA eine Neuauflage des ritualisierten Streits um eine Anhebung der Staatsschuldenobergrenze ins Haus. Die vorgeblich für eine sparsamere Haushaltsführung kämpfenden Republikaner werden – wie schon im Vorjahr – unter dem Druck der veröffentlichten Meinung erneut nachgeben. Die Obama-Administration wird daraufhin zu einem neuen Schuldenrekord stürmen und verstärkten Druck auf Euroland ausüben, es ihr gleichzutun. Im Westen also nichts Neues.
Aber auch mit dem Regulierungsirrsinn geht es weiter. Ob Glühlampen, Duschköpfe, Klospülungen, Privatwaffen, etc – nichts entgeht dem Ge- und Verbotsfuror der im Machtrauschmodus agierenden Eurokraten. Um das Setzen von Rahmenbedingungen geht es ihnen schon lange nicht mehr. Stattdessen ist permanenter Interventionismus angesagt. Und immer ist dabei der Bürger der Dumme. Entweder er bekommt gar nicht (mehr) zu kaufen, was ein freier Markt ihm jederzeit zu liefern bereit und imstande wäre, oder er hat – dank der durch Behördenauflagen bedingten Verteuerung der Produktionsprozesse infolge eines aufwendigen Papierkriegs – höhere Preise oder Nachrüstkosten zu schlucken und erleidet dadurch weitere Kaufkraftverluste.
Manch einer vermutet hinter dieser Entwicklung eine Verschwörung von Big Government und Big Business zu Lasten der Konsumenten. Doch nicht immer müssen Verschwörungen oder finstere Absichten im Spiel sein. Oft genug reicht auch der pure Unverstand der Initiatoren bestimmter Beschlüsse als Erklärung aus. Man denke etwa an die angeblich der Sicherheit dienende Registrierung von Privatwaffen, die außer Schikanen für die Betroffenen und höheren Verwaltungskosten nichts bringt.
Viele Regulierungen ziehen steigende Umsätze in bestimmten Branchen nach sich. Etwa dann, wenn Vorschriften erlassen werden, welche die Nutzung bestimmter Altgeräte oder -anlagen nur unter der Bedingung aufwendiger Nachbesserungen erlauben oder gar Neuanschaffungen erfordern. Schlichte Gemüter neigen dazu, das als wirksame Maßnahmen zur „Wirtschaftsbelebung“ zu bejubeln. Dass es sich dabei in Wahrheit aber um Fehlallokationen von Ressourcen und um Marktverzerrungen handelt, begreifen sie nicht. Für alternative, in aller Regel bedeutend wirtschaftlichere Investitionen stehen dann nämlich weniger Mittel zur Verfügung.
Unsinnige Bürokratie für Wirte
Es geht aber noch schlimmer. Als anschauliches Beispiel seien die mutwilligen Erschwernisse für die Gastronomie genannt, die derzeit geplant werden (Stichworte Allergenausweis und Rezepturverpflichtung). Die dräuende Vorschrift, die alle Gastronomen dazu zwingen wird, die in den angebotenen Speisen enthaltenen Inhaltsstoffe genauestens zu dokumentieren, wird kleineren Betrieben, in denen nach Gusto und Intuition des Küchenchefs, oft aber jedenfalls ohne Rezept gekocht wird, erhebliche Schwierigkeiten bereiten.
Wie etwa sollte der Wirt um die Ecke einer derartigen Verpflichtung Rechnung tragen, sofern er nicht auf industriell hergestellte Fertigprodukte ausweichen oder die Hälfte seiner Zeit für eine wild gewordene Bürokratie anstatt für den Dienst an seinen Kunden aufwenden möchte? Der anmaßende Plan, jede noch so kleine, unwahrscheinliche oder überhaupt nur in der Phantasie von Paranoikern existierende Gefahr ausschalten zu wollen, führt stets zur Behinderung von Innovationen, zur Beschäftigung von immer mehr Menschen in völlig unproduktiven Tätigkeiten (als Überwacher, Kontrolleur und Dokumentationsbeauftragter) und damit letztendlich zur Reduktion der Wirtschaftlichkeit des Gesamtsystems. Unsere internationalen Wettbewerber, die des Irrsinns lichte Höhen bislang nicht so entschlossen erklimmen, werden die Begeisterung der Europäer an der Selbstbeschädigung erfreut zur Kenntnis nehmen…
Internationale, mehrheitlich amerikanische Ausspeisungsketten, die ihre nicht unbedingt gourmettauglichen Produkte in weltweit standardisierter Form feilbieten, werden mit der Kennzeichnungspflicht kaum Probleme bekommen. Ihre Kosten wären – umgelegt auf ihre schmale Produktpalette bei gewaltigen Stückzahlen – marginal. Mittelständische Betriebe mit einem vielfältigen Angebot indes werden entweder in erhebliche Schwierigkeiten geraten oder sich veranlasst sehen, ihrerseits auf die Lieferungen von Industrieprodukten umzusteigen und sich aufs Aufwärmen und Anrichten zu beschränken. Prost Mahlzeit! Wenn dann auch die kulinarisch verwöhnten Bürokraten in Brüssel nur noch ödes Junkfood zu fressen bekommen, wird ihnen möglicherweise ein Licht aufgehen.
Einmal mehr geht eine Vorschrift der EU klar zu Lasten von kleinen und mittleren Unternehmen. Das Muster ist immer das gleiche: Bürokraten verabscheuen die Vielfalt und lieben die Vereinheitlichung. Alles soll so homogen wie möglich und damit leicht kontrollierbar sein. Durch behördliche Auflagen erzwungene Angebotsstandardisierungen haben zwei Hauptwirkungen: Sie führen einerseits zu einer Verringerung der Angebotsvielfalt und anderseits zu einer Wettbewerbsverzerrung zugunsten großer Betriebe, die gegenüber den Kleinen Kostenvorteile infolge von Skaleneffekten lukrieren können.
Schon heute stehen Gastronomiebetriebe in der Insolvenzstatistik ganz weit oben. Durch Behördenauflagen, die in der Praxis vermutlich so gut wie unerfüllbar sind, wird sich das Angebot weiter ausdünnen, denn Kapitalausstattung und Margen liegen in dieser Branche heute schon auf einem beklagenswert niedrigen Niveau. Die EU setzt mit ihrem aktuellen Vorhaben einen – absolut vermeidbaren – weiteren Schritt in Richtung einer noch stärkeren Unternehmenskonzentration.
Die dafür vorgebrachten „Sicherheitsargumente“ sind mehr als fadenscheinig: Den (wenigen) Restaurantbesuchern, die tatsächlich an gefährlichen Lebensmittelunverträglichkeiten leiden, ist es zumutbar, bei der Bedienung entsprechende Auskünfte einzuholen. Dass ihretwegen alle anderen Kunden künftig mit unlesbaren Speisekarten, erhöhten Kosten und/oder freudlosem Fraß aus der Mikrowelle gequält werden sollen, ist schwerlich einzusehen.
Eines ist jedenfalls sicher: Bei nächster sich bietender Gelegenheit werden die Zerstörer des Mittelstandes mit Sicherheit wieder „Maßnahmen zur Förderung der beruflichen Selbständigkeit“ oder „Offensiven zur Unternehmensgründung“ ankündigen. Das wirft ein grelles Licht auf deren wirtschaftlichen Sachverstand: Entweder die Eurobonzen agieren tatsächlich – zum kollektiven Schaden der Binnenwirtschaft – als bezahlte Handlanger der Großindustrie, oder sie und ihre Helfershelfer sind einfach unfähig, die Konsequenzen ihrer Handlungen abzuschätzen.
In beiden Fällen ist Das Urteil F. A. Hayeks eindrucksvoll bestätigt, der sich schon in den 1940er Jahren zur Feststellung genötigt sah, dass in politischen Systemen „…die Übelsten an die Spitze kommen.“ Wer könnte ihm widersprechen?
Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.