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Wiener Spaziergänge – Frohe Festtage

Wer mit offenen Augen und ohne politisch korrekte Scheuklappen durch Wien – oder eine beliebige andere Stadt – spaziert, der erfährt mehr über den Zustand unserer Gesellschaft und über ihre Zukunft, über die herrschenden Machtverhältnisse und die Regierenden, als aus der Second-Hand Realität der Mainstream-Medien. Wer mehr auf seine eigenen Beobachtungen und Erfahrungen vertraut, als auf die Analysen diverser Experten, Politiker, Journalisten und anderer politisch korrekter Meinungsmacher, der lässt die linken Schattenspiele in Platons Höhle hinter sich.

Jedes Mal, wenn ich in Wien unterwegs bin, gibt es dutzende Dinge, die mich ärgern, aufregen, verwundern, überraschen und manchmal auch ängstigen oder freuen.

Kurz vor Weihnachten. Ich warte auf einen Bus der Wiener Linien. An der Seitenwand des Wartehäuschens lächelt mich ein durch Photoshop verjüngter, erschlankter und von den Zeichen des Alkoholkonsums befreiter Bürgermeister mit rotem Schal an. Herr Häupl wünscht den Wienern „Schöne Festtage“.

Ja, es ist noch gar nicht so lange her, dass auch die Wiener Genossen das Wort „Weihnachten“ öffentlich in den Mund genommen haben. Doch damit ist jetzt Schluss. Man will schließlich nicht die vielen nichtchristlichen Mitbürger vor den Kopf stoßen. Obwohl, es geht gar nicht um die religiösen Gefühle der Nicht-Christen insgesamt, schließlich haben Hinduisten, Buddhisten oder Shintoisten keine Probleme mit Weihnachten. Viele von ihnen feiern es sogar. Es geht primär um die neue Kernwählerschicht der SPÖ, die Moslems.

Die Rechtgläubigen will man mit Weihnachtswünschen oder christlicher Symbolik nicht verärgern. Auf die zweite wichtige SPÖ-Wählergruppe wollen die Rathaussozialisten aber (vorerst) nicht ganz vergessen. Ganz klein im Hintergrund des SPÖ-Plakats ist ein beleuchteter Christbaum zu sehen. Das muss für die Pensionisten reichen.

Die werden ohnehin täglich mit Unsummen an Steuergeldern und Gebühren durch ZiB1 und die Wiener Boulevardblätter weich gekocht. Außerdem baut der kluge Genosse vor. Welche der beiden Wählergruppen das größere Zukunftspotential hat, ist aufgrund der österreichischen Einwanderungspolitik und der demographischen Entwicklung für die SPÖ ziemlich einfach zu beantworten.

Aber alles halb so schlimm. In Frankreich oder Deutschland ist man da schon viel weiter. In einem Gymnasium in Stuttgart hat man etwa die Weihnachtsfeier gestrichen und durch eine multikulturelle „Feier der Werte“ ersetzt. Multikulti als neue Glaubenslehre.

Noch fortschrittlicher ist Frankreich, dort hat vor wenigen Tagen ein Expertenteam unter Federführung des hohen Staatsrats Thierry Tuot ein Positionspapier verfasst. Darin wird unter anderem gefordert, arabisch als verpflichtende „Fremd“-Sprache in französischen Schulen einzuführen. Wohin der europäische Zug fährt, ist angesichts solcher Pläne unschwer zu beantworten. Der Atlantik ist groß, das Mittelmeer klein und der Pazifik das neue Zentrum.

Solcherart in Gedanken versunken, merke ich zunächst gar nicht, dass der Bus, wie so oft in letzter Zeit, viel zu spät dran ist. Aber vielleicht ist das schon eine Maßnahme im Sinne von Herrn Tuot. Schließlich sind Pünktlich-, Berechenbar- und Planbarkeit Untugenden, die in einer multikulturellen Gesellschaft europäisch-orientalischer Prägung nicht mehr zeitgemäß sind.

Werner Reichel ist Journalist und Autor aus Wien. In wenigen Wochen erscheint eine Sammlung von Texten aus den Jahren 2012 und 2013 als eBook (Kindle Edition).

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