Beginnt man tiefer in die riesige Datenfülle der PISA-Tests vorzudringen, stößt man auf erstaunliche Fakten. Die medial weitgehend ignoriert worden sind.
Zumindest bisher.
Zur Lüge von den erfolgreichen Gesamtschulstaaten im hohen Norden Europas
Die Propaganda, „die nordeuropäischen Gesamtschulstaaten“ (die anderen – England, Frankreich, Italien, … – wagt ohnehin kaum mehr jemand als Argument für die Gesamtschule ins Treffen zu führen) seien dem österreichischen Schulwesen überlegen, wie PISA zeige, wird durch die aktuellen Ergebnisse einmal mehr widerlegt:
- Einzig Finnland schneidet bei PISA gut ab: Platz fünf in den Naturwissenschaften, Platz sechs in der Lesekompetenz und Platz zwölf in der Mathematik.
- Norwegen und Dänemark liegen in der Lesekompetenz vor Österreich, in der Mathematik und den Naturwissenschaften hinter Österreich, sind also in zwei von drei Kompetenzen hinter Österreich.
- Schweden und Island landen in allen drei überprüften Kompetenzbereichen hinter Österreich.
Zum Thema Nachhilfe
Die aktuellen PISA-Daten belegen einmal mehr, wie verlogen die politische Stimmungsmache in Österreich ist.
Außerschulische Mathematiknachhilfe nehmen von den bei PISA 2012 getesteten 15-Jährigen in (in Prozent)
Japan |
69,8 |
Südkorea |
66,6 |
Finnland |
48,3 |
Dänemark |
42,2 |
Schweden |
41,2 |
OECD-Durchschnitt |
39,3 |
Deutschland |
30,6 |
Norwegen |
25,2 |
Österreich |
24,9 |
Quelle: PISA 2012-Datenbank, ST55Q02, Abfrage vom 3.Dezember 2013
Werden sich diese Daten bis in die Arbeiterkammer durchsprechen?
Zur Bildungsferne leider gar nicht so weniger Elternhäuser
Höchstens 10 Bücher gibt es im Elternhaus der von PISA 2012 getesteten 15-Jährigen in (in Prozent)
Südkorea |
4,6 |
Finnland |
8,6 |
Norwegen |
8,9 |
Japan |
9,1 |
Deutschland |
9,3 |
Schweden |
10,4 |
Dänemark |
13,1 |
Österreich |
13,6 |
Quelle: PISA 2012-Datenbank, Abfrage vom 3.Dezember 2013
Schüler, in deren Haushalt es höchstens zehn Bücher gibt, bleiben im OECD-Mittel über 100 PISA-Punkte, d.h. über zweieinhalb Lernjahre (der durchschnittliche Leistungsfortschritt im Lauf eines zusätzlichen Schuljahres entspricht bei PISA etwa 40 Punkten), hinter denjenigen zurück, in deren Haushalt sich über 100 Bücher befinden.
Zum Ausmaß des Themas „Migration & Integration“
Mit der eigenen Mutter sprechen von den bei PISA 2012 getesteten 15-Jährigen meistens nicht in der Unterrichtssprache in (in Prozent)
Südkorea |
0,3 |
Finnland |
2,9 |
Deutschland |
21,8 |
Österreich |
22,7 |
Quelle: PISA 2012-Datenbank, EC07Q01, Abfrage vom 3. Dezember 2013
Mit dem eigenen Vater sprechen von den bei PISA 2012 getesteten 15-Jährigen meistens nicht in der Unterrichtssprache in (in Prozent)
Südkorea |
0,3 |
Finnland |
2,7 |
Deutschland |
20,1 |
Österreich |
21,2 |
Quelle: PISA 2012-Datenbank, EC07Q02, Abfrage vom 3. Dezember 2013
Mit dem besten Freund bzw. der besten Freundin sprechen von den bei PISA 2012 getesteten 15-Jährigen meistens nicht in der Unterrichtssprache in (in Prozent)
Südkorea |
0,3 |
Finnland |
0,8 |
Österreich |
12,5 |
Deutschland |
13,0 |
Quelle: PISA 2012-Datenbank, EC07Q04, Abfrage vom 3. Dezember 2013
Zum Leistungsrückstand von 15-Jährigen mit Migrationshintergrund
Es gibt viele Definitionen für „Migrationshintergrund“. Einige von ihnen können als Unterscheidungsmerkmal in der PISA-Datenbank verwendet werden, viele andere leider nicht. Ich habe in einer ersten Analyse „Ist deine Mutter im Land geboren?“ als Unterscheidungsmerkmal gewählt. Hier die Ergebnisse.
PISA 2012-Ergebnisse für Mathematik (in Punkten bzw Prozent)
Mutter im Land geboren |
Mutter außerhalb des Landes geboren |
Anteil der 15-jährigen, deren Mutter außerhalb des Landes geboren ist |
|
Österreich |
517 |
468 |
21,2 % |
Finnland |
524 |
470 |
6,1 % |
Deutschland |
529 |
474 |
15,3 % |
PISA 2012-Datenbank, ST20Q02, Abfrage vom 4. Dezember 2013
- Die Leistungsdifferenz ist in allen drei Staaten fast gleich groß und beträgt mehr als den Leistungsfortschritt eines Schuljahres.
- Der Vergleich zwischen Finnland und Deutschland relativiert den „PISA-Erfolg“ des einzigen Staates aus dem hohen Norden, der besser als Österreich abgeschnitten hat, gehörig: Deutschland liegt sowohl bei den 15-Jährigen mit Migrationshintergrund als auch bei denen ohne Migrationshintergrund vor Finnland.
Mag. Gerhard Riegler ist Vorsitzender der Österreichischen Professorenunion.
Der ursprünglich gegenderte Text ist in Hinblick auf die bessere Lesbarkeit (und die Ermöglichung Sinn erfassenden Lesens) eingedeutscht worden.