Abonnenten können jeden Artikel sofort lesen, erhalten anzeigenfreie Seiten und viele andere Vorteile. Ein Abo (13 Euro pro Monat/130 pro Jahr) ist jederzeit beendbar und endet einfach durch Nichtzahlung. 

weiterlesen

Gläubige Deutsche, ungläubige Österreicher

Die fast gleichzeitigen Angelobungen zweier neuer Regierungen in den beiden deutschsprachigen Nachbarländern bringen seltsame Unterschiede zu Tage. Von der Eidesformel bis zu weiblichen Verteidigungsministerinnen.

Wohl können die österreichischen Regierungsbildner mit Stolz sagen, dass sie in totaler Atemlosigkeit am Ende doch noch mit den deutschen zeitlich gleichzeitig ins Ziel gekommen sind. Obwohl die großen Nachbarn früher gewählt hatten. Obwohl sie deutlich schneller mit den Verhandlungen fertig waren.

Aber bei der eigentlichen Angelobung war ein ganz anderer Kulturschock zu beobachten: In Österreich mokierten sich die Medien (wie immer Armin Wolf an der Spitze) über einen neuen Landwirtschaftsminister, der mit einer religiös-tirolerischen Formel mit Bezug auf das Herz Jesu seinen Eid ablegte. Kicher, kicher. Während viele seiner Kollegen nur „Ich gelobe“ sagten. In Deutschland hingegen hatten sämtliche 15 Minister aus allen Regierungsparteien keinerlei Gewissensprobleme, ihr Gelöbnis mit „So wahr mir Gott helfe“ zu ergänzen (Sie hatten dort übrigens ein auch in der Sache viel inhaltsreicheres und präziseres Gelöbnis als das österreichische abzulegen).

Dieses „So wahr mir Gott helfe“ sowie seine häufige Weglassung hierzulande zeigt ein dramatisches Kulturgefälle, über das in einem Kulturland eigentlich intensive Diskussionen ausbrechen müssten. Gilt doch Deutschland nicht gerade als bigottes Land. Regieren doch auch in Deutschland Schwarz und Rot. Aber in Österreich gibt es diese Diskussion nicht, die den eigenen Wurzeln, der eigenen Identität gelten müsste. Ist der heimischen Linken wirklich schon der kulturelle Endsieg geglückt, dass niemand mehr diesen Unterschied kritisiert?

Deutschland ist sich da seiner Wurzeln und Identität offensichtlich viel sicherer. Zum Glück freilich ist Deutschland viel wichtiger als Österreich.

Die Deutschen diskutieren ein ganz anderes Thema: die erste weibliche Verteidigungsministerin. Es kursieren recht widersprüchliche Interpretationen für diese Ernennung: Ist es zu dieser gekommen, weil die Berliner Bundeskanzlerin jetzt Ursula von der Leyen für die eigene Nachfolge aufbauen will? Oder will Angela Merkel umgekehrt eine gefährlich populäre Nebenbuhlerin durch eine Mission impossible dem eigenen Absturz näherbringen, wie sie es ja schon bei etlichen Männern getan hat?

Warum aber nicht an die eigentlich logische Erklärung denken, dass Ursula von der Leyens bisheriger Job dem neuen Koalitionspartner übergeben werden musste? Dass daher ein neuer Job, das dritte Ministerium für die Frau zu finden war. Warum, so fragt man sich weiter, ist eine weibliche Verteidigungsministerin überhaupt noch etwas Besonderes? Gerade in Berufsarmeen wie der deutschen stehen ja alle Karrieren längst auch Frauen offen. Allein in den EU-Ländern gibt es oder gab es schon von Finnland bis Spanien bis Frankreich bis Slowenien bis Schweden bis zu den Niederlanden bis Luxemburg bis Dänemark bis Tschechien bis Litauen weibliche Armee-Minister.

Warum also nicht auch Ursula vdL einfach nach Ihrer Leistung beurteile? Freilich kann man das nur in der Hoffnung tun, dass ihre Ernennung – wie die der anderen weiblichen Verteidigungsminister – nur mit ihrem politischen Gewicht zu tun hat. Und nicht mit einer Quote. Es sind gerade die Feministinnen (insbesondere auch jene in Redaktionsstuben) mit ihrem Quotengewäsch, die all diese Ministerinnen ins Zwielicht rücken. Freilich hat auch Ursula von der Leyen eine Zeitlang mit Quotenzwangforderungen populistische Schlagzeilen erreichen wollen. Was ihr nun kräftig schadet.

Davon dass Deutschland wie Österreich eigentlich auch etwas mehr Debatte über den Zustand der Landesverteidigung bräuchten, über die Notwendigkeiten der eigenen Sicherheit im 21. Jahrhundert und über die globale Dimension einer Sicherheitspolitik: Davon wollen wir gar nicht reden, so peinlich fehlt das alles. Freilich fällt schon auf, dass in Österreich über kein Ressort so wenig geredet wurde wie über das Verteidigungsressort. Weder im Wahlkampf noch am Wahltag noch während der Regierungsbildung noch rund um die Angelobung der Regierung war es irgendwie ein Thema. So wahr ihnen Gott helfe.

zur Übersicht

Kommentieren (leider nur für Abonnenten)

Teilen:
  • email
  • Add to favorites
  • Facebook
  • Google Bookmarks
  • Twitter
  • Print




© 2024 by Andreas Unterberger (seit 2009)  Impressum  Datenschutzerklärung