Sie sind und bleiben unverbesserliche Kriegstreiber! 1870/71 führen die ruchlosen Teutonen Krieg gegen Frankreich, das von einem (20 Jahre zuvor an die Macht geputschten) Friedensengel regiert wird; 1900 tönt der Kaiser anlässlich der Verabschiedung des Expeditionskorps zur Niederschlagung des Boxeraufstands in China: „Pardon wird nicht gegeben! Gefangene werden nicht gemacht!“ Hunnen! 1914 stürzen die Deutschen die Alte Welt in eine katastrophale zweite Auflage des Dreißigjährigen Krieges. Kaum sind sie dafür mit Gebietsverlusten, Massenvertreibungen und Plünderungen gebührend bestraft, düpieren sie die Welt mit ihrem „Wirtschaftswunder“ (das mit den bescheidenen Marshall-Plan-Krediten übrigens wenig bis nichts zu tun hat).
Anno 2013 sind sie, zum größten Verdruss ihrer europäischen „Partner“ und ihrer transatlantischen „Freunde“, Exportweltmeister und brechen, den krausen Vorstellungen der Spitzenbürokraten der „Freunde“ zu Folge, schon wieder einen Krieg vom Zaun. Diesmal nicht mit MG42, Stuka und Sturmgeschütz, sondern mit wirtschaftlichen Mitteln. Alleinige Ursache des verheerenden Zustands, in dem sich Staatsfinanzen und Beschäftigungssituation der „Südstaaten“ befinden, ist demnach – wieder einmal – der „Deutsche Sonderweg“ (der darin besteht, zu arbeiten anstatt zu streiken). Das Säbelrasseln gehört eben einfach zur deutschen Natur…
Stand für die seriöseren unter den europäischen Staatsmännern einst die Idee von Markt und Freihandel als zukunftsträchtiges europäisches Friedensprojekt im Mittelpunkt, hat der Wind längst um 180 Grad gedreht: Für die Neobolschewiken der EU-Kommission ist Planwirtschaft Trumpf. Ganz im Sinne dieser Logik droht Olli Rehn, seines Zeichens Wirtschaftskommissar der EU, den Deutschen ein Verfahren an und will sie bestraft sehen – und zwar wegen seit Jahren zelebrierter „Exportexzesse“. Nicht etwa kollektiver mediterraner Schlendrian, Ineffizienz und Korruption stehen in der Kritik, sondern die als aufreizend empfundene (deutsche) Tüchtigkeit. Dafür könnte es am Ende sogar empfindliche Strafen setzen. Bastelstunde im Irrenhaus. Wer nach den Gründen für wachsende Politikverdrossenheit und EU-Skepsis sucht – hier wird er fündig!
Nun muss man allerdings wissen, dass Herr Rehn nicht nur Kommissar ist (was allein schon einiges darüber verrät, wes Geistes Kind er ist, denn anständige Menschen zieht es nun einmal nicht in die Politik – schon gar nicht nach Brüssel!), sondern auch Ökonom. Eine brandgefährliche Synthese! Bekanntlich wimmelte es ja auch in der selig entschlafenen UdSSR von an maßgeblichen Positionen tätigen Volkswirten. Die lichtvollen Höhen, zu denen diese die Wirtschaft ihres Landes führten, sind noch in lebhafter Erinnerung. Je mehr beamtete Ökonomen, desto mieser die Wirtschaftslage. Ein ehernes Gesetz. Euroland bildet da keine Ausnahme.
Herr Rehn stößt sich also daran, dass in der Mitte Europas tüchtig gearbeitet wird und alle Welt demzufolge auf Produkte „Made in Germany“ scharf ist. Das darf nach seiner, leider durchaus maßgeblichen, Meinung nicht sein. In der Tat exportiert die deutsche Volkswirtschaft deutlich mehr als sie importiert. Logische Folge ist ein beachtlicher Leistungsbilanzüberhang.
In einer freien Wirtschaft läuft es so: Wenn Betrieb A stärker begehrte Produkte herstellt als der mit ihm konkurrierende Betrieb B, wird letzterer Maßnahmen ergreifen (müssen), um seine Wettbewerbsfähigkeit zu steigern. Andernfalls verliert er Kunden und läuft am Ende Gefahr, Pleite zu machen.
In der Europäischen Union herrschen – nach den Vorstellungen der Zentralbürokratie – völlig andere Regeln. Hier sinnt man daher auf Mittel und Wege, dem leistungsfähigeren Wettbewerber möglichst viele Prügel vor die Füße zu werfen, um ihn wirkungsvoll daran zu hindern, zum Nutzen seiner Kunden tätig zu werden. Genau darauf laufen die Pläne des Kommissars hinaus. Deutsche Unternehmen sollen schlechter, unwirtschaftlicher und teurer arbeiten, nicht etwa alle anderen besser und kostengünstiger. Man sollte so viel Torheit nicht für möglich halten!
Der Vorwurf Herrn Rehns an deutsche Adressaten basiert offensichtlich auf einem tief verinnerlichten, planwirtschaftlichen Denken: Denn selbstverständlich sind die deutschen Exportüberschüsse keineswegs das Ergebnis einer von langer Hand geplanten Verschwörung ebenso bösartiger wie kriegslüsterner Krauts, sondern die Folge der Summe freier Entscheidungen aller Konsumenten auf den internationalen Märkten. Sowohl innerhalb als auch außerhalb des Binnenmarktes geben viele von ihnen deutschen Produkten einfach den Vorzug vor allen anderen. Daran ist nichts verkehrt. Ende der Durchsage. Auf welche Weise und zu welchen Kosten von deutschen Betrieben produziert wird, geht (neben Eigentümern und Mitarbeitern) allein die Käufer der Waren etwas an. Brüsseler Geistesathleten vom Schlage Olli Rehns aber ganz sicher nicht!
Um zu begreifen, inwiefern etwa der griechischen Tsatsiki-Industrie oder französischen Froschzüchtern damit gedient wäre, wenn Brüssel deutsche Auto- oder Maschinenbauer dazu zwänge, ab sofort miese Produkte zu überhöhten Preisen anzubieten, muss man schon Kommissar sein. Ohne einen ausgedehnten Aufenthalt im sozialistisch verstrahlten Brüssel würde keiner auf die außerirdisch blödsinnige Idee verfallen, die strukturellen Probleme des „Club Méditerranée“ (inklusive Frankreichs) ausgerechnet dadurch lösen zu wollen, dass man die Leistungsfähigkeit der deutschen Industrie reduziert.
Dass die deutschen Bürger (namentlich die Sparer und Nettosteuerzahler unter ihnen) ihre Exporterfolge innerhalb der Eurozone letztlich aus der eigenen Tasche bezahlen, da die Rechnungen für ihre Lieferungen – etwa nach Griechenland - zu einem guten Teil nicht prompt beglichen, sondern langfristig, und zwar mutmaßlich uneinbringlich, kreditiert werden, ist wieder eine andere Geschichte – Stichwort „Targetfalle“.
Tatsache ist, dass die deutschen Verkäufe nach Übersee ein deutlich stärkeres Wachstum aufweisen als jene in Euroland. Wer sich also anschickt, die Konkurrenzfähigkeit der deutschen Betriebe zu reduzieren, schädigt damit am Ende ganz Europa. Durch Bummelei bei der Arbeit, Frühpensionierungen, Streiks, „soziale Umverteilung“ und mittels als „öffentliche Investitionen“ getarnter, staatlicher Geldverbrennungsaktionen, wird die EU nicht weiterkommen. Von dem einstigen Ziel, dadurch zum „dynamischsten Wirtschaftsraum der Welt“ zu werden, wie anno 2000 in Lissabon vollmundig angekündigt, ganz zu schweigen. Planwirtschaft funktioniert eben nicht. Weder in der UdSSR, noch in ihrem Nachfolgemodell namens EU.
Herr Rehn wäre daher gut beraten, wirtschaftsfeindliche linke Regierungen – wie jene Frankreichs – oder Griechenlands beamtete Kleptokraten, ins Visier zu nehmen, anstatt die vorbildlich arbeitenden deutschen Betriebe und deren Mitarbeiter…
Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.