Seit etwa zwei Jahren schielt meine Tochter ziemlich stark und ist aus diesem Grund auch seit etwa einem dreiviertel Jahr im AKH der Stadt Wien in einer Spezialambulanz in Behandlung. Die Erlebnisse der letzten eineinhalb Wochen lassen mich jedoch wieder einmal derartig an unserem Gesundheitssystem zweifeln, dass ich diese Erlebnisse einfach niederschreiben muss.?
Schwerpunkt der Therapie meiner Tochter ist – neben einer Brille – auch das tägliche Verkleben eines Auges mit einem Augenpflaster. Diese Pflaster erhielten wir bis dato mittels Rezept vom AKH in unserer Apotheke. Bei der letzten Kontrolluntersuchung wurde uns mitgeteilt, dass wir das Rezept jederzeit telefonisch anfordern können. Als ich letzte Woche in der Gegend zu tun hatte, dachte ich mir, dass ich das Rezept ja gleich persönlich abholen kann. Ich ging also in die Ambulanz, stellte mich an und wurde dann aufgefordert Platz zu nehmen. Meine Nachfrage warum, und dass ich das Rezept ja eigentlich auch telefonisch beantragen hätte können, wurde mit der Antwort „Na wie stellen Sie sich denn das vor, dass wir Ihnen das Rezept über das Telefon schicken?" beantwortet. Na ja…
Nach zehn Minuten Wartezeit hatte ich dann schlussendlich das Rezept. Die Anmerkung, dass meine Tochter bei der KFA (Krankenversicherung der Bediensteten der Gemeinde Wien) versichert ist, bewog die agierende Ärztin dazu, großzügig zwei Packungen auf das Rezept zu schreiben. „Bei der KFA wird das schon gehen". Was mich an diesem Rezept stutzig machte, war, dass meine Tochter weder eine Versicherungsnummer noch eine Krankenversicherung hatte. Den Satz am Ende des Rezepts („Dieses Rezept ist zu jedem Termin mitzubringen") beschloss ich einfach zu ignorieren. Anscheinend ist die Sinnlosigkeit dieses Satzes auf einem Rezept noch keinem Menschen im AKH aufgefallen.
Am Abend ging ich in die Apotheke um dort die Information zu erhalten, dass dies ein Privatrezept ist, das zuerst bewilligt werden muss – na ja, eigentlich eh klar, das wussten wir ja auch schon. Nach zwei Tagen des herumärgerns mit dem Fax-Bewilligungsservice der KFA pilgerte ich am darauf folgenden Tag zur KFA und erhielt dort das Rezept nach etwa 15 Minuten Wartezeit bewilligt. Ordnungsgemäß mit fünf Stempeln und mehreren unleserlichen Buchstabenwellenkombinationen.
Erst als ich dann in der Straßenbahn saß, fiel mir einer der wunderschönen Stempel besonders auf: „Bezug zum KFA-Tarif über den Bandagisten". Was mich nun nachdenklich machte … ein Rezept beim Bandagisten einlösen? Und beliefert der Hersteller der Pflaster die Bandagisten tatsächlich zu günstigeren Konditionen als den Apothekengroßhandel? Bandagisten-Lobby? Nein, also das in Österreich wohl sicher nicht! Na ja, schauen wir mal… Am Abend wieder in die Apotheke, die mittlerweile so entgegenkommend war, die Pflaster zu bestellen, damit ich nach der Bewilligung nicht mehr darauf warten muss. Und es kam, wie es kommen musste: Die Apothekerin sagte mir, dass sie das Rezept auf Grund des oben beschriebenen Stempels nicht einlösen darf bzw. kann.?
Also am nächsten Tag in der Früh zu einem großen Bandagisten in der Piaristengasse. Der erste Blick auf das Rezept entlockte der Dame hinter dem Schalter ein „Was ist denn das?". Ich klärte sie auf, eine Recherche in ihrem Computer ergab: „Das haben wir nicht. Lassen Sie mir Ihre Telefonnummer da, ich werde mich erkundigen." Eine Stunde später kam der Anruf: „Wir haben das nicht in unserem Tarif. Ich kann es Ihnen Privat besorgen, Sie bezahlen es und reichen unsere Rechnung dann bei Ihrer Kasse ein." Meine Ablehnung dieser Lösung stieß auf nicht gerade großes Verständnis.
Am Abend wieder zum Bandagisten, um das Rezept wieder abzuholen. Am nächsten Tag wieder in den achten Bezirk zur Krankenkasse. Nach kurzer Erklärung in der Einreichstelle durfte ich sofort (ja, es gibt auch Sachen, die ohne Wartezeit gehen) zum Arzt hinein, der mich – nachdem er sein Telefonat beendet hatte – in äußerst amikaler Weise begrüßte und sagte: „Setz Dich doch hin, Du brauchst nicht stehen" Naja…
Ich erklärte ihm die Situation und dass ich eigentlich nicht einsehe, warum ich tagelang mit einem einfachen Rezept durch die Gegend rennen muss. Mit dem Ziel der Schaffung eines gemeinsamen Feindbildes erklärte Herr Doktor den Bandagisten zum Trottel (O-Ton). Irgendwer muss ja an der Situation auch Schuld sein. Dann erklärte er mir ausführlich, dass der Bezug dieser Pflaster über den Bandagisten für die Kasse tatsächlich billiger ist als über die Apotheke. Den genauen Cent-Betrag, den sich die Kasse dadurch erspart, ließ er jedoch aus.
Und außerdem sei die Sache ja ganz einfach. „Beim nächsten Mal gehst Du zum Bandagisten, zahlst dort die Pflaster und kommst dann mit der Rechnung – natürlich mit dem Original – wieder zu uns. Und dann sagst Du uns einfach Deine Kontonummer und wir überweisen Dir den Betrag abzüglich der Rezeptgebühr auf Dein Konto". Da waren jetzt schon so viele „Dus“, dass ich dachte ich bin bei einem schwedischen Möbelhaus… na ja…
Meine etwas zynische Bemerkung, dass es durchaus verständlich ist, dass sich die Kasse etwas erspart, wenn ich mehr Rennereien habe, quittierte der Herr Doktor mit den Worten: „Wenn Du der Post vertraust, kannst Du die Rechnung und das Rezept auch in ein Kuvert stecken und uns schicken. Ganz einfach, nur die Kontonummer und Bankleitzahl dazu und wir überweisen Dir…" „Danke vielmals, sehr großzügig."
Kulanter Weise ließ sich die KFA dann aber doch dazu hinreißen, dieses eine Mal ausnahmsweise noch eine Ausnahme zu machen und mir dieses Rezept wie bisher zu bewilligen, damit ich es in der Apotheke einlösen kann. Herr Doktor machte sich dann mit einem TippEx-Stift und einer kleineren Anzahl an Stempeln ans Werk, um das Rezept (oh, wie abwegig) wieder apothekentauglich zu machen. Beim Verlassen der KFA hatte ich den Eindruck, dass der Herr Doktor mit seiner Lösung sehr zufrieden war… na ja… Und immerhin spart sich die Kasse was…
Am Abend also wieder in die Apotheke, die mir sehr freundlich (jedoch nicht ohne den einen oder anderen Kommentar zum Vorgehen der Kasse) die bereits wieder zurück geschickten Pflaster erneut bestellte. Und heute – eineinhalb Wochen nach der Ausstellung des Rezeptes – habe ich nun tatsächlich zwei Packungen Augenpflaster für meine Tochter in der Hand. Bei den geringen Sozialversicherungs-Beiträgen, die wir zahlen, kann man das Patientenservice ja ruhig ein bisschen hinten anstellen…
Der Autor ist selbstständiger IT-Dienstleister in Wien, seine Frau ist Angestellte der Stadt Wien, weshalb er um Anonymität bitten muss. Beruflich und privat sind beide sehr stark im Gesundheitsbereich aktiv.