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Die Männer und die Frauen: ein schwarz-blaues Dilemma

Warum unterließen am Wahltag so viele Männer das Kreuz bei den Schwarzen? Und warum unterließen das so viele Frauen bei den Blauen? Bei keiner der sonstigen Parteien ist das Verhältnis zwischen den Geschlechtern so unterschiedlich wie bei diesen beiden (nur die kleine Stronach-Partei hat ebenfalls ein starkes Männer-Übergewicht). Das ist eine der vielen spannenden Fragen, die eine nähere Analyse des Wahlergebnisses stellt. Und worauf die Antwort sehr spannend ist.

Wie verteilen sich die großen Bevölkerungsgruppen auf die Parteien? Dafür gibt es natürlich keine Wahlergebnisdaten, sondern nur Umfragen. Bei diesen präsentieren die Meinungsforscher zum Teil unterschiedliche Daten. Ich halte mich im Folgenden an die von SORA. Mir ist klar, dass andere Institute andere Zahlen haben. Diese sind jedoch in der großen Tendenz ähnlich.

Die ÖVP hat laut der SORA-Umfrage am Wahltag bei den Frauen 29 Prozent gewonnen, bei den Männern aber nur 19. Erstaunlich. Die ÖVP wäre daher extrem gut beraten, sich über ihren Männermangel den Kopf zu zerbrechen. Ihr haben zweifellos einige feministische Ansätze geschadet.

Sowohl das Quotenzwang-Gerede etlicher schwarzer Politiker wie auch die krampfhaft männlich-weiblich strukturierten Reißverschluss-Listen (in einigen Bundesländern, wie etwa in Wien) verstören bei einer konservativen Partei. Zumindest bürgerliche Wähler mögen es nicht, wenn offensichtlich Geschlecht und Bünde entscheiden und nicht die Qualität eines Bewerbers. Die Schwarzen haben dadurch eindeutig mehr Männer vertrieben als Frauen zusätzlich gewonnen. Auch werfen noch Viele der Partei ihre unheilvolle Rolle beim holprigen Umdichten der Bundeshymne und beim Eingendern von Sprache und Universitäten vor.

Die Freiheitlichen hingegen haben bei den Männern 32 Prozent der Wähler gewonnen, bei den Frauen jedoch nur genau die Hälfte. Ein solches Auseinanderklaffen ist ein historisch extrem erstaunliches Phänomen, bei den Freiheitlichen jedoch schon länger merkbar. Der FPÖ schadet zweifellos bei den Frauen, dass sie überhaupt keine Frau in einer relevanten Rolle hat, mit der sich Geschlechtsgenossinnen identifizieren könnten. Barbara Rosenkranz, die letzte weithin bekanntgewordene FPÖ-Frau, war im Auftreten nicht gerade ein modellhafter Frauentyp. Ein solcher fehlt bei den Freiheitlichen in Wahrheit schon seit dem Abschuss von Susanne Riess-Passer.

Die ÖVP hat hingegen in Maria Fekter eine starke Frau in einer Schlüsselposition. Diese imponiert gerade bürgerlichen Frauen, weil sie eine eigenständige Persönlichkeit ist, die mutige und kantige Positionen bezieht, aber nie feministische Phrasen absondert. Ähnlich waren auch früher Plassnik, Klasnic und Gehrer VP-Frauen mit politischem Gewicht, aber ohne Feminismus-Gequatsche (lediglich bei Gehrer blitzte es anfangs hier und da auf).

Eine weitere Ursache des freiheitlichen Frauenproblems: die FPÖ hat wegen der relativ starken Rolle der schlagenden Verbindungen den bei Frauen nicht sonderlich anziehenden Geruch des Männerbündlerischen. Zwar ist auch die ÖVP seit Michael Spindelegger wieder stark in der Hand des CV. Das stört aber Frauen aus mehreren Gründen viel weniger. Erstens gibt es beim CV nicht die für viele unverständliche Unsitte des Mensurenschlagens. Zweitens ist er religiös fundamentiert. Und drittens gibt es seit einigen Jahrzehnten farbentragende katholische Verbindungen auch für weibliche Studenten. Sie sind zwar eigenständig organisiert, aber mit dem CV eng verschwistert. Außerdem ist ein guter Teil der schwarzen Promis nur Ehrenband-CVer, also erst im Spitzenamt solcherart aufgenommen worden. Daher macht der CV, wenn er überhaupt zum Thema wird, keinen abschreckenden Eindruck auf Frauen.

Die ÖVP hat hingegen ein anderes großes Problem. Das sind die Angestellten. Dafür gibt es einen klaren Grund: Die ÖVP hat überhaupt niemanden mehr in ihren Reihen, der die Angestellten-Lebenswelt wiederspiegeln würde. In der fast exklusiven Dominanz von Berufspolitikern, Unternehmern, Bauern und Beamten muss man unter den VP-Politikern Angestellte geradezu mit der Lupe suchen.

Die ÖVP ignoriert mit den Angestellten schon in der eigenen Identität völlig jenen Berufsbereich, der in den letzten Jahrzehnten am raschesten gewachsen ist. Sie spricht nicht die Sprache des Bürotratsches, sondern nur die der Spitzenmanager, während die Freiheitlichen zumindest die Sprache der einfacheren Angestellten sehr gut drauf haben.

Der FPÖ-Klub ist auch im Bereich der Freien Berufe nach wie vor stark präsent. Das ist eine weitere Berufsgruppe, welche die ÖVP in den letzten Jahren vergessen oder übersehen hat. Rechtsanwälte, Notare, Zahnärzte & Co sind zwar nicht die ganz große Masse der Wähler. Sie sind aber für die Welt des bürgerlichen Mittelstands entscheidende Meinungsführer, die in früheren Epochen die ÖVP stark geprägt hatten. Josef Klaus, Hermann Withalm, Michael Graff waren hervorragende Exponenten aus dieser kleinen Gruppe, Wilfried Haslauer ist das zumindest in Salzburg heute noch.

Der VP-Wirtschaftsbund-Chef Christoph Leitl hat sich hingegen mit einem reinen Kammervorfeld umgeben, das andere Selbständige nicht mehr anspricht. Zugleich ist die WKO durch Leitl der früheren intellektuellen Stärke entblößt worden. Dort wo der Wirtschaftsbund ordnungspolitisch noch interessant ist, ist er das völlig an der Kammer vorbei (siehe etwa die Namen Haubner, Kopf und eben Fekter).

Die ÖVP hat in der personellen Zusammensetzung ihrer Parlamentarier auch andere wichtige Kompetenzbereiche aufgegeben, die eigentlich für eine bürgerliche Partei konstitutiv sein müssten. Justiz, Kultur, Medien, Technik, Medizin, Globalisierung: Überall herrscht im Gegensatz zu früheren Jahrzehnten ein Vakuum. Durch Wissenschaftsminister Töchterle ist ein solches wenigstens Richtung Universitäten und Geisteswissenschaften wieder ein wenig geschlossen worden. Aber sonst kann es ja wohl nicht im Ernst Strategie der Schwarzen sein, mit Zampano Sebastian Kurz all ihre vielen Defizite zudecken zu wollen.

Es gab nicht einmal den Versuch Spindeleggers, die – für die Listenerstellung entscheidenden – Bundesländer dazu zu bewegen, zumindest in soziologischer Hinsicht und mit Rücksicht auf die erwähnten Themenschwerpunkte wieder besseres Personal für den Nationalrat zu nominieren. Für eine bürgerliche Partei kann es überhaupt kein Trost sein, dass Werner Faymann beschlossen hat, die SPÖ auf eine Außenstelle der Gewerkschaften zu reduzieren. An bürgerliche Parteien werden von den Wählern aber eben größere Ansprüche gestellt als an sozialistische.

Noch einmal zurück zu Männern und Frauen: Ich kenne zwar keine aktuelle Studie, welche die anhaltende Geltung der folgenden politischen Weisheit bestätigen würde. Aber wenn, dann wäre es schlimm für die ÖVP: Früher ist man jedenfalls immer davon ausgegangen, dass Männer schneller veränderungsbereit und Wechselwähler sind, während sich Frauen immer erst mit Zeitabstand dem Verhalten der Männer anschließen. Sie bleiben länger bei ihrem traditionellen Verhalten. Sollte diese Regel noch immer gelten, könnte das zu einer langfristigen Verschiebung von der ÖVP zur FPÖ auch beim weiblichen Teil der Wählerschaft führen (obwohl es bei dieser Wahl kaum Wählerflüsse von Schwarz zu Blau gegeben hat).

Umgekehrt hat die Strache-FPÖ ein ganz anderes gravierendes Problem: Sie wird nicht von Akademikern gewählt. Der FPÖ-Anteil beträgt dort nur blamable 4 Prozent. Hingegen war die FPÖ bis in die 80er Jahre noch eine typische Akademikerpartei.

Sie teilt dieses Problem übrigens in hohem Ausmaß mit der SPÖ, die heute offenbar von kaum mehr als jenen Akademikern gewählt wird, die der SPÖ ihren Posten zu verdanken haben (nur 9 Prozent der Akademiker wählen noch SPÖ). Das ist ein dramatischer Unterschied zu den Zeiten Bruno Kreiskys, der einst gerade auch bei Universitätsabsolventen gut angekommen ist. Absolut führend sind bei den Akademikern jedenfalls ÖVP und Grüne; und die Neos haben in dieser Gruppe immerhin SPÖ wie FPÖ überholt.

Dafür können die Roten, aber auch die Schwarzen bei einer Gruppe hervorragend punkten: bei den Pensionisten. Dort konzentrieren sich ja auch jene Wähler, die ein Leben lang dasselbe gewählt haben.

 

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