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Wird die ÖVP die Lektion begreifen?

Nach dieser schweren Wahlniederlage für Rot wie Schwarz ist nichts mehr so, wie es vorher war. Sollten die beiden Parteien das nicht begreifen und sich jetzt nach ein paar Wochen des vordergründigen Streits um einen Koalitionsvertrag wieder bequem ins gleiche alte Koalitionsbett legen, dann ist ihnen wirklich nicht mehr zu helfen. Zwar bietet auch der eindrucksvolle Zuwachs der FPÖ noch keine klare Alternative. Zwar kann man angesichts der Aufsplitterung der Proteststimmen auf viele Häufchen nicht wirklich behaupten, dass die Wähler klar und einheitlich gezeigt hätten, wo es anstelle der Stillstandsregierung Faymann denn nun hingehen solle. Aber eindeutig haben sie – und die Nichtwähler wohl erst – gerufen: So darf es nicht mehr weitergehen. (Mit einer nachträglichen Ergänzung)

Insbesondere die bürgerlichen Wähler – was freilich eine wilde, keineswegs homogene Mischung aus liberalen, konservativen, christlichen, modernen, altvatrischen Menschen bedeutet – sind nicht mehr willens, in einem seit 1983 mehrheitlich rechten Land fast ständig hinnehmen zu müssen, dass am Ende immer ein Sozialdemokrat Bundeskanzler wird. Lediglich Wolfgang Schüssel und Jörg Haider haben es einst gewagt, diese Regel zu durchbrechen.

Vor allem der große Wahlerfolg der Freiheitlichen ist endlich ernsthaft zur Kenntnis zu nehmen und nicht nach ein paar Tagen wieder zu ignorieren. Der FPÖ hat gegen Ende des Wahlkampfes wohl zweierlei genutzt: erstens das deutliche Zurücksinken von Frank Stronach, dessen Stern schon wieder im Verglühen ist. Und zweitens die lächerlichen Attacken von SPÖ-Gruppierungen, die aus einem Foto gleich die Wiederkehr der Nationalsozialisten abgeleitet haben (zum fünfhundertsten Mal), aber auch völlig überflüssige Äußerungen von Kardinal Schönborn rund ums Asylthema, das den Menschen nach wie vor wichtig ist. Freilich nicht im Sinne Schönborns.

Die FPÖ wird nun überlegen müssen, ob sie die völlig überzogenen Sozial-Forderungen ihres Wahlprogramms weiterhin zum Nennwert nimmt und sich damit trotz ihres Erfolgs gleich wieder zur Oppositionspartei macht. Denn Unerfüllbares kann auch ein Wahlsieger nicht erfüllen – sondern nur auf den Oppositionsbänken weiter versprechen. Die FPÖ könnte aber auch so, wie sie es schon bei den Europathemen gemacht hat, alle Hintertüren offen lassen.

Die ÖVP und Stronach wiederum sollten zumindest den Versuch wagen, die Freiheitlichen mit in die Verantwortung zu nehmen. Die ÖVP wäre gut beraten, trotz der SPÖ-Liebe der Herrn Leitl und Pröll, intensiv zu prüfen, wieweit H.C.Strache noch immer nur der Protest-Rabauke ist, und ob Schwarz-Blau-Stronach nicht doch erfreuliche Dynamik ermöglicht. Immerhin dürfte diese Dreierformation stärker als Rot-Schwarz ins Parlament einziehen.

Der ÖVP muss nämlich klar sein: Sollten sich in der heute sehr aufgespaltenen Opposition die Dinge konsolidieren – vielleicht schon beim nächsten Mal –, sollten dort einmal wirklich glaubwürdige politische Inhalte zu finden sein, wird es endgültig aus sein mit Rot-Schwarz. Und diese Konsolidierung kann eigentlich nur rund um die FPÖ oder höchstens in einer einzigen weiteren Rechtspartei erfolgen, welche Stronach-, BZÖ- und den bürgerlichen Teil der Neos-Stimmen zusammenführt.

Freilich steht die gefährliche Drohung im Raum, dass Rot und Schwarz auch beim nächsten Mal nach Verlust der Mehrheit noch weitermachen und halt einfach die Grünen von der Reservebank zur Mehrheitsabsicherung mit dazunehmen werden. Die Grünen wetzen dort ja schon lange ungeduldig herum, denn sie wollen unbedingt mitspielen. Für die ÖVP wäre Rot-Schwarz-Grün freilich die endgültige Selbstzerstörung.

Neben dem massiven FPÖ-Zugewinn hat dieser Wahltag jedenfalls noch eine zweite zentrale Botschaft der Wähler: eine donnernde Ohrfeige für Rot-Schwarz. Diese ist vor allem angesichts der Tatsache gewaltig, dass beide Parteien auch schon vor fünf Jahren schwer verloren haben. Die Menschen empfinden immer mehr den Anspruch von Rot-Schwarz auf pragmatisierte Dauerherrschaft als Zumutung. Daran ändert der Umstand nichts, dass dieses System sehr stark von den Medien mitgetragen wird, die als Alternative nur Rot-Grün akzeptieren wollen.

Eine solche Dauerherrschaft widerspricht aber dem Grundprinzip der repräsentativen Demokratie. Wenn man den Menschen sonst schon keine direkte Mitsprache erlaubt, dann sollte Demokratie wenigstens eines bedeuten: Dass man in regelmäßigen Abständen eine Partei, eine Koalition abwählen und anderen eine Chance geben kann.

Nicht so in Österreich. Da wollen Rot und Schwarz offenbar auf ewig miteinander regieren. Sie halten ihre Macht für so unveränderbar wie das Kälterwerden der Temperaturen im Herbst. Dabei sind sie schon von einst weit über 90 Prozent auf 50 gefallen. Dazu kommt noch, dass einst fast alle wählen gegangen sind, in den letzten Jahrzehnten wurden das immer weniger.

Auch nichtpolitische Menschen spüren, dass die rot-schwarze Macht einfach viel zu tief in alle Poren der Republik eingedrungen ist. Der Eindruck wird durch die Lage in den Bundesländern noch verschlimmert – ärgstes Beispiel sind die drei im Osten. Dazu kommt die totale SPÖ-Herrschaft im ORF. Dazu kommt die totale Rot-Schwarz-Herrschaft im Verfassungsgerichtshof. Und ebenso übel ist die gewaltige, jetzt auch noch verfassungsrechtliche Macht von Wirtschafts-, Landwirtschafts- und Arbeiterkammer sowie Gewerkschaft. Das gibt es in keinem anderen westlichen Land.

Kein Wunder, dass die Menschen nach Alternativen lechzen, auch wenn sie letztlich eher unsicher sind, ob die jetzt bei Strache oder Stronach, bei Glawischnig oder Strolz-Haselsteiner zu finden sind.

Können Rot und Schwarz noch irgendwie überleben? Das ginge wohl nur, wenn sie endlich die Grundstimmung unter den Menschen begreifen. Wenn sie den Bürgern mit einem Wechsel zur direkten Demokratie, aber auch zu einem echten Mehrheitswahlrecht endlich mehr Mitsprache einräumen, wenn sie also von ihrem totalitären Anspruch einen Abstrich hinnehmen. Wenn sie von den Schulen bis zu den Familien mit linken Experimenten aufhören würden.

Das für die Freiheitlichen besonders triumphale steirische Wahlergebnis – sie sind dort vermutlich Nummer 1! – bringt aber auch eine deprimierende Botschaft. Rot und Schwarz haben besonders dort kräftig verloren, wo sie – als einzigem Land! – mutige Reformen und Einsparungen versucht haben, die die Steiermark zumindest ein wenig sanieren könnten. Das steirische Ergebnis heißt ja wohl auch: Die Österreicher haben den Ernst der weltwirtschaftlichen Lage, die Konsequenzen der Schuldenkrise nicht wirklich begriffen. Wie sollten sie aber auch: Insbesondere Faymann selber, aber auch Teile der ÖVP haben ihnen ja dauern vorgespiegelt, dass eh alles bestens wäre, dass man die Folgen der Schuldenwirtschaft problemlos ignorieren könnte.

Wenn man den Menschen die Wahrheit verschweigt, dann passiert in der Politik halt leicht etwas Ungeplantes: dass andere die Früchte der Lüge ernten.

PS: Noch ist der Einzug der Neos nicht ganz fix. Aber sollte er gelingen, können sie sich mit einem ähnlichen Prozentsatz der Stimmen für erfolgreich halten, wie ihn in Deutschland FDP oder "Alternative" erzielt haben. Die jetzt ja beide schwer deprimiert außerhalb des Bundestags sitzen. Skurril, wie das Wahlrecht halt so spielt. 

PPS: Nachträgliche Ergänzung zur Wahlanalyse (die wohl erst nach Auszählung aller Wahlkarten endgültig sein kann):
Bei den TV-Berichten aus den diversen Parteihauptquartieren war wohl der stereotype Jubel bei der SPÖ am peinlichsten. Immerhin hat ja die Hochrechnung gezeigt, dass die SPÖ unter allen Parteien die zweithöchste Niederlage (nach dem BZÖ) erlitten hat. Und dass sie das weitaus schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte verbuchen muss. Die Partei glaubt offenbar wirklich, sich das vernichtende Ergebnis schönjubeln zu können. Wenn schon da so viel Realitätsverlust zu spüren ist, wie soll die Partei dann imstande sein, die Realitäten des Landes endlich ernstzunehmen?

Sehr ernstnehmen sollten Parteien wie Medien auch den dramatischen (weiteren) Rückgang der Wahlbeteiligung. Wenn trotz deutlich größeren Parteienangebots deutlich weniger Österreicher wählen, dann sollte das allen zu denken geben. Nicht nur den Parteien, sondern auch den Medien. Und allen politisch denkenden Landsleuten. Lag‘s am mäßigen Angebot? Oder lag es daran, dass immer weniger Menschen begreifen, wie wichtig letztlich alle politischen Entscheidungen sind?

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