Als Resultat des Zerstörungsprozesses in Syrien und der nicht enden wollenden Gewalteskalation mussten bis heute bereits sechs Millionen Syrer ihre Heimstätten verlassen und sind auf der Flucht – in eine verzweifelte und ungewisse Zukunft. Ein Drittel davon hat das Land bereits verlassen, zwei Drittel irren im Land umher, in ständiger Angst vor den Schrecken des nächsten Tages. Weit mehr als eineinhalb Millionen, über fünfundzwanzig Prozent der Flüchtlinge, sind Christen – das ist der überwiegende Teil der christlichen Minderheit in Syrien. Christen sind deshalb in weitaus überproportionalem Ausmaß betroffen, weil sie – im Unterschied zu den meisten anderen Flüchtlingen – nicht einfach „nur“ Opfer blinder, sondern ganz gezielter, fanatischer Gewalt sind.
Das macht das Leid für die nichtchristlichen Flüchtlinge nicht geringer. Aber es bürdet uns in Europa die Verpflichtung auf, in der Aufnahmepolitik gegenüber syrischen Flüchtlingen bewusst differenziert vorzugehen.
Ich begrüße mit Nachdruck die Entscheidung der österreichischen Bundesregierung und die bereits getroffene Zusage der Frau Innenministerin, in einer ersten großzügigen Maßnahme 500 syrische Flüchtlinge in Österreich aufzunehmen und dabei die christlichen Opfer zu bevorzugen. Umso mehr bin ich empört über die öffentlichen Äußerungen uninformierter Kritiker, die sich mit polemischen Worten dagegen wenden, ausschließlich christliche Familien nach Österreich zu holen. Ihr Ruf nach „Gleichbehandlung“ muslimischer Flüchtlinge ist billiger Populismus und geht ins Leere.
Im Falle von Naturkatastrophen, Krieg, Bürgerkrieg oder flächendeckendem Terror helfen westliche Organisationen wie Caritas, Diakonie, Rotes Kreuz und andere traditioneller Weise überall auf der Welt und ohne Ansehen der Religion oder der ethnischen Zugehörigkeit der Opfer.
Obwohl davon auch zahllose moslemische Menschen profitieren, wurde keine der genannten Organisationen bis zum heutigen Tag je von einem islamischen Staat oder einem der zahllosen reichen arabischen Erdöl-Magnaten unterstützt.
Besonders zu beachten ist, dass moslemische Flüchtlinge aus Syrien überall in der Region des Nahen Ostens bzw. in der „Nachbarschaft“ – auch im maronitischen Libanon, in den Golfstaaten und nicht zuletzt in der Türkei – Schutz und Aufnahme finden bzw. finden können – Gott sei Dank! Moslemische Flüchtlinge finden auch Unterstützung und Hilfe von den wohlhabenden Erdöl-Ländern und den islamischen Hilfsfonds.
All das trifft für die Christen des Nahen Ostens genau nicht zu. Sie sind buchstäblich in verzweifelter Hilflosigkeit und nicht selten „Freiwild“ in einer Region, die dereinst die Wiege des Christentums war. Ihre Zuflucht kann daher derzeit nur im Westen sein!
Ich rufe daher die Bundesregierung auf, ihre Zusage, die Aufnahme syrischer Flüchtlinge auf Christen zu beschränken, rasch umzusetzen. Aus Gründen der effektiven Integration sollten dabei besonders die Verwandten von syrischen Familien bevorzugt werden, die bereits in Österreich ansässig sind. Ich bitte die österreichische Bevölkerung um Unterstützung dieses humanitären Großprojektes.
Chorepiskopos Prof. Dr. Emanuel Aydin
in der Funktion des Metropolit-Assistenten für die Flüchtlinge aus dem Nahen Osten