Ein Viertel (26 Prozent) der österreichischen Bevölkerung hat den Eindruck, dass es zu viele gesetzliche Bestimmungen gibt, durch die sich der Staat in Bereiche des täglichen Lebens einmischt. Weitere 46 Prozent empfinden derartige Einmischungen als „lästig, aber auszuhalten“.
Man ärgert sich oft im Einzelfall, aber man nimmt das Phänomen der staatlichen Regelungswut (der Mikronominierung des Alltagslebens) selten als „Trend“ wahr. Aber es gibt diesen Trend. Anderswo (USA, UK) hat er sogar einen Namen: Nanny-State.
Von ihm ist die Rede, wenn der New Yorker Bürgermeister große Flaschen, die kohlensäurehaltige Getränke enthalten, verbieten will, oder den (bislang gescheiterten) Versuch unternimmt, Potato chips (Pommes frites) nur in kleinen Tüten zuzulassen. Der Einzelfall scheint harmlos – wenn auch „belämmert“ (wie auch die Forderung der deutschen Grünen, in Kantinen einmal pro Woche einen verpflichtenden „Veggie-day“ einzuführen); aber er ist Ausdruck einer politischen Grundhaltung.
Weniger wäre mehr
Es gibt die „Man-muss-irgendetwas-tun“ Politik. Die ist vermutlich alt. Wenn ein Problem in der Öffentlichkeit auftaucht, schreit es danach beseitigt zu werden – ins Ohr mancher Politiker, die mit ihrer Handlungsbereitschaft Stärke beweisen wollen (oder Problembewusstsein oder Sensibilität, etc.). Dabei spielt es keine Rolle, ob das „Problem“ durch politische Aktion gelöst werden kann, ob Maßnahmen zur Verfügung stehen, die „greifen“ und ob es ein Problem ist, das den Staat etwas angeht. Entscheidend ist, dass man den Willen zur Tat zeigen kann. Hilfestellung leisten da, „allzeitbereit“, selbst- und sogenannte Experten, Lobbyisten, NGOs, die „betroffen“ sind und Medien, die den Nachrichtenraum füllen müssen.
In der Folge werden Einrichtungen geschaffen, die sich um das Problem kümmern sollen: Es wird beobachtet; es werden Pläne erstellt, Maßnahmen getroffen, Kampagnen gestartet; es wird überwacht und analysiert, Aktionspläne werden revidiert, Budgets reserviert und aufgestockt usw. Die mit den Maßnahmen befassten Einrichtungen arbeiten nach bestem Wissen und Gewissen – und werden (auch aus Eigeninteresse) zu dauerhaften Institutionen.
Besonders gut für die Erfindung solcher Aktivitäten scheinen sich „Gesundheits-, Sicherheits-, und Umweltprobleme“ zu eignen; und natürlich alle Fragen der „Gender-Politik“. Auf dem letztgenannten Gebiet z.B. tut sich ein weites Feld für „Sprachpolizist_Innen“ und Sprachverbesser aller Art auf: Bis hin zu „Bibelübersetzer_Innen“ („der Ewige/die Ewige“ usw.).
Fettleibigkeit? Muss vom Staat bekämpft werden. Rauchen im Auto? Sollte verboten werden – sicherheitshalber. Energieverschwendung? Glühbirnenverbot und Duschkopfverordnung. Die Wirksamkeit (Relevanz) der jeweiligen Maßnahmen steht kaum zur Diskussion; und auch nicht die Frage, ob der Staat oder die EU der notwendigerweise zuständige Akteur ist.
Hauptsache, es geschieht etwas („Man-muss-irgendetwas-tun“). Bezahlung in barem Geld wird ab einer bestimmten Höhe in manchen EU-Ländern verboten (wegen Korruptionsverdacht). Ölflaschen in Lokalen sind aus dem Verkehr zu ziehen (aus Hygienegründen oder wegen einer Olivenöllobby?); Salz- und Zuckergehalt sind in bestimmten Lebensmitteln zu reduzieren (selbstverständlich der Gesundheit wegen und im Vertrauen darauf, dass die Konsumenten es nicht merken und nicht nachsalzen bzw. -zuckern).
Jede Maßnahme erfordert Kontrolle. Es bedarf der Kontrollore. Das kostet Geld. Dieses wird durch Budgets bereitgestellt. Es kommt von den Steuerzahlern. Diese bezahlen somit das „Gehäuse der Hörigkeit“ (M. Weber), das „zu ihrem Besten“ gereichen soll, selbst.
Selten hört man davon, dass eine derartige Einrichtung, ist sie erst einmal geschaffen, abgeschafft wird: Weil sie sich überlebt hat, nichts bewirkt, oder sich selbst für überflüssig hält.
Im alten Athen, das eine direkte Demokratie hatte, lief der Antragsteller für ein neues Gesetz Gefahr, eine Zeit lang des Landes verwiesen zu werden; paradoxerweise auch dann, wenn der Antrag von einer Mehrheit angenommen wurde (zitiert nach Moses Finley. Antike und moderne Demokratie, Reclam 1980). Zu suchen wäre ein modernes Äquivalent für Bürokratiestopp.
Vor einiger Zeit ist in Österreich eine Initiative entstanden, die auf die staatlichen Bevormundungstendenzen aufmerksam machen will. Wenn Sie diese Bemühung unterstützen wollen, besuchen sie:
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Dort finden Sie mehr zum Thema und die Möglichkeit, die Initiative, der auch der Autor dieser Zeilen angehört, zu unterstützen.
Rudold Bretschneider ist seit Jahrzehnten in diversen Cheffunktionen bei GfK (früher Fessel-GfK) tätig und einer der prominentesten Marktforscher und politischen Analysten des Landes.