Buchbesprechung: Wir sollen sterben wollen – Todes Helfer

Zentraler Punkt zweier der drei Aufsätze in diesem Buch ist der neue § 217 des deutschen StGB, der die gewerbsmäßige Sterbehilfe untersagt, die private aber – quasi durch die Hintertür – erlaubt. Der Philosoph Andreas Krause Landt und der Medizinhistoriker Axel W. Bauer warnen davor, mit dem individuellen „Selbstbestimmungsrecht“ hinsichtlich der willkürlichen Beendigung seines Lebens am Ende eine Art von „Fremdbestimmungsrecht“ durch Dritte zur Verfügung eines „sozialverträglichen“, frühzeitigen Ablebens herbeizuführen.

Wer heute an Sterbehilfe denkt, hat gewöhnlich einen alten, bettlägerigen, sterbenskranken, schwer leidenden Patienten im Blick, der selbst nicht mehr Hand an sich legen kann und daher der Assistenz eines barmherzigen Helfers bedarf, um seine Qualen vorzeitig zu beenden. Rund 90 Prozent jener Menschen, die im selbst gewählten Tod ein geringeres Übel erblicken als im Weiterleben, seien indes keineswegs an unheilbaren oder gar tödlichen Leiden erkrankt, sondern an Depressionen, die das Denken der Betroffenen maßgeblich verengen und einschränken. Dieser Umstand lasse es daher nicht zu, deren Todeswunsch als „frei und selbst bestimmt“ zu qualifizieren.

Eine wirksame Psycho- oder Medikamententherapie wäre in diesen Fällen meist imstande, die Todessehnsucht zu beseitigen. Mittlerweile allerdings sei es so weit gekommen, dass nicht mehr nur als aussichtslos und unheilbar eingestufte Erkrankungen mit hohem Leidensdruck als „guter Grund“ für das vorzeitig herbeigeführte Lebensende gelten würden, sondern auch schon die bloße Befürchtung, dass etwas Schlimmes drohen könnte (dazu wird das Beispiel von Gunther Sachs angeführt, der zum Zeitpunkt seines Freitodes im Jahre 2011 lediglich den Ausbruch einer Alzheimer-Erkankung befürchtet habe). In Holland, mit seinen diesbezüglich extrem „liberalen“ Bestimmungen, dürften heute bereits 16-Jährige – ohne die Zustimmung der Eltern – ein Programm zur Sterbehilfe in Anspruch nehmen.

Die Strafbarkeit jeder Art von Sterbehilfe müsse allein schon deshalb erhalten bleiben, um sicherzustellen, dass eine „Hilfe aus Mitgefühl“ nicht in Wahrheit aus eigennützigen Motiven (wie etwa Habgier eines potentiellen Erben) gewährt wird. Wer aufrichtig meine, etwa seinen schwer und unheilbar kranken Ehepartner dabei unterstützen zu müssen, seine Qualen zu beenden und aus dem Leben zu scheiden, der würde wohl auch bereit sein, eine nachfolgende Anklage und Strafe in Kauf zu nehmen.

Der Medizinhistoriker Bauer meint, dass die auffallend wohlwollende Haltung verantwortlicher Politiker – namentlich der Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger – vor dem Hintergrund der Überalterung der Gesellschaft und den daraus resultierenden Schwierigkeiten bei der Rentenfinanzierung zu sehen sei: Vorzeitiges Ableben zwecks Entlastung der Pensionskassen. Sterbehilfe sei letztlich nichts weniger als ein Synonym für Euthanasie. Wer aber dieser das Wort rede, würde die Büchse der Pandora öffnen – mit völlig unabsehbaren Konsequenzen. Fazit: Das Buch bildet einen bedenkenswerten und erfreulich ideologiefreien Debattenbeitrag zu einem äußerst heiklen Thema.

Wir sollen sterben wollen
Todes Helfer
Über den Selbstmord
Andreas Krause Landt/Axel W. Bauer/Reinhold Schneider
Manuscriptum Verlagsbuchhandlung, 2013
199 Seiten, broschiert
ISBN: 978-3-937801-78-0
€ 14,90,-

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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