Eine OECD-Sonderauswertung von PISA-Ergebnissen beschuldigt Österreichs Lehrer, reiche Kinder bei der Notengebung zu bevorzugen. Dabei ignoriert man die Korrelation von schulischem bzw. beruflichem Erfolg mit Intelligenz – und deren teilweise Erblichkeit.
Seit 50 Jahren beklagt Österreichs linker Mainstream die konstant hohe Erblichkeit von Bildung – obwohl er die Schul- und Bildungspolitik fast ebenso lange dominierte. Nun hat man einen neuen (alten) Buh-Mann ausgemacht: die Lehrer. Weil Schüler aus beruflich erfolgreichen Elternhäusern seit Jahrzehnten bessere Noten schreiben, und alle Menschen offensichtlich gleich talentiert sein müssen, deuteten die schulfernen Sozialwissenschaftler an, man hätte die Noten von „Rich Kids“ wohl hinaufkorrigiert.
Tolerant und (links-)liberal
Die Ergebnisse von Tests und Schularbeiten lassen sich aber auch bei bösestem Vorsatz nicht fälschen, schon seit geraumer Zeit müssen Notenschlüssel und Erfolgskriterien auf jedem Test abgedruckt werden.
Auch Schülerkataloge verraten heute nur mehr wenig über die soziale Lage von Eltern – geschweige denn ihr Einkommen. Und ein Lehrer, welcher Nachforschungen über die soziale Stellung eines Schülers (oder gar von 150) anstellen wollte, wäre sofort auffällig – und geächtet. Denn es ist vielen Lehrern geradezu wesensimmanent, besonders für die Schwächeren zu fühlen. Nicht zufälligerweise sind Pädagogen in jeder Gesellschaft stets toleranter, weltoffener und (links-)liberaler als andere Bevölkerungsgruppen.
Was bedeutet Korrelation?
Für die Frage, wie weit die eine Variable, Intelligenz, zur Ausprägung einer anderen, Schulerfolg, führt, müssen Testergebnisse so ausgewertet werden, dass man deren Korrelation r messen kann. Der Wert r nimmt einen Wert zwischen 0 und 1 ein.
Je größer die Stichprobe ist, desto niedriger kann r sein. So genügt bei 30.000 untersuchten Personen bereits ein Wert von 0.2, um einen starken Zusammenhang der beiden Variablen zu untermauern. Bei nur befragten 30 Personen müsste r hingegen 0.9 einnehmen.
Talente bedingen Schul- und Berufserfolg
Die Korrelation zwischen Intelligenz und Schulerfolg gehört zu den höchsten in der psychologischen Diagnostik. Für Schulnoten liegt sie laut American Psychological Association bei r = 0,50, für Schulerfolg bei r = 0,55. Bei Asendorpf von der Berliner Humboldt Universität korrelieren „höchste abgeschlossene Ausbildung“ (bis zu einem Alter von 40) und Intelligenz sogar mit 0,7.
Im Jahr 2009 verdichtete Kramer von der Uni Bonn in einer aufsehenerregenden Metastudie 244 Intelligenz-Studien mit über 30.000 Probanden – beginnend von 1928 bis 2006 – zur Meta-Aussage: Intelligenz korreliert mit beruflicher Lernleistung extrem stark (r=0.62), ebenso mit Einkommen (0.35) und beruflichem Erfolg (0.33). Entgegen oft vorgebrachter Einwände, solche Tests wären wenig valide, zeigte sich, dass gerade Intelligenztests zu den Testverfahren mit der höchsten Validität gehören.
Arme nicht weniger intelligent
Dabei ist der Rückkehrschluss, Wenig-Verdiener wären weniger intelligent, nicht zulässig. Auf der einen Seite trachten immer mehr Menschen immer seltener nach hohem Einkommen – schon eher nach Freizeit oder Sicherheit. Auf der anderen Seite verhindern auch negative Umweltfaktoren entsprechende Entwicklungen: So schaffen es manche Gesellschaften noch immer nicht, hochtalentierten, aber allein erziehenden Frauen eine angemessene Karriere zu ermöglichen.
„Intelligenz ist erblich“
So eröffnete der deutsche Tagesspiegel 2012 eine Diskussion, der sich mittlerweile auch „Spiegel“ & Co angenommen haben. Grundtenor: Intelligenz ist (ziemlich) erblich. Je älter Menschen würden, desto größer wäre der Einfluss ihrer Gene. Das Postulat der 68er-Generation, „bei entsprechender Förderung könnten selbst Hilfsarbeiter Uniprofessoren werden“, hätte sich als frommer Wunsch herausgestellt. „Der Durchschnitts-IQ von naturwissenschaftlichen Akademikern liegt 30 Punkte über dem von Packern“, so der Wissenschaftspublizist Dieter Zimmer („Die Zeit“).
Was Menschen – privat gefragt – als selbstverständlich ansehen, nämlich die Erblichkeit von Merkmalen, wird von Österreichs Mainstream als „Biologismus“ abgekanzelt, eine öffentliche Diskussion damit verboten. Dabei ist die Erblichkeit von Talenten fast so hoch wie die der Körpergröße. Bei US-Mittelschichtkindern werden die Talente laut Turkheimer von der University of Virginia zu 72 Prozent von Genen beeinflusst, bei solchen aus der US-Unterschicht (mit ihren extremen Ausformungen von Armut) hingegen fast gar nicht.
Mit „5er“ aufsteigen
Österreichs Schule muss die Potentiale seiner Schüler aber besser ausschöpfen. Stattdessen drängt es junge Menschen aus dem System, nur weil sie auf einem einzigen Gebiet, etwa der Mathematik, untalentiert sind. Man zwingt Eltern und Kinder, große Energien für den (oft aussichtslosen) Ausgleich einer Teil-Schwäche zu verschwenden, anstatt sich auf die (erträglichere) Förderung der vielen anderen Talente zu konzentrieren.
Auch Ganztagesschulen, modernere Gebäude mit Freizeitmöglichkeiten und „Summer School“-Angebote nach US-Vorbild könnten lernschwache Kinder künftig stärker fördern.
Noten messen nicht Leistung
Wo PISA Recht hat, ist der Vorwurf, Österreichs Schulnoten würden nicht immer die tatsächliche Leistung messen. So wurde jeder fünfte Wiener Volksschüler in Deutsch mit „Sehr Gut" (3 Prozent) oder „Gut" (17%) benotet, obwohl er laut Erhebung massive Probleme beim Lesen hatte.
Neben den natürlichen Problemen, die sich aus einer starken Zuwanderung ergeben, liegt es aber auch an der mangelnden Güte vieler Testfragen. Oft werden diese (trotz neuer Vorgaben) so konstruiert, dass mit der auswendig gelernten Wiedergabe eines homogenen, abgeschlossenen Stoffgebietes die meisten Punkte erzielt werden. Auf Verknüpfungen mit anderen Inhalten beziehungsweise die eigenständige Anwendbarkeit wird weniger geachtet.
Dies ist aber (auch) der Entwicklung der letzten 20 Jahre geschuldet: Statt – vereinfacht gesagt – wie früher 8 Fächer mit jeweils 4 Wochenstunden gibt es heute 16 Fächer mit jeweils 2. Damit erwirbt man pro Fach zwar weniger Kompetenzen, verbreitet seine Kenntnisse aber durch neue Fächer wie Computer, Internet oder Rhetorik horizontal.
„Lehrer-Verschwörung“ abgesagt
Die meisten hoch begabten Schüler kommen weltweit aus Mittel- und Oberschicht. Aber nicht weil ärmere Kinder an der Schulpforte abgewiesen oder von sadistischen Lehrern bewusst diskriminiert und ausgegrenzt würden, sondern weil die Kinder ihre Intelligenz von jenen Eltern geerbt haben, denen schon ihre eigene Intelligenz zu sozial hohem Status verholfen hatte.
Wer jetzt eins und eins zusammenzählt, den Einfluss der Talente auf Noten und Einkommen und deren teilweise Erblichkeit, der kann die These, Lehrer würden Schüler aufgrund ihrer Herkunft mehr oder weniger bewusst diskriminieren, nicht mehr aufrechterhalten.
Der Betriebswirt und Wirtschaftspädagoge Michael Hörl ist Lehrer an den Tourismusschulen Salzburg Klessheim. In seinem letzten Buch, „Die Gemeinwohl-Falle“, befasste er sich mit den Mythen des „linken Mainstreams“.