In den USA dräuen Rassenunruhen. In Europa stehen die politisch korrekten Medien kopf. Ein Fall vermeintlicher Rassenjustiz ist die Ursache. Es kann – ja es darf nicht sein, dass ein Weißer, der einen Schwarzen erschießt, am Ende straffrei ausgeht. Unmöglich. Egal wie die Faktenlage aussehen mag. Über die Details des Vorfalls wurde genügend geschrieben. Das braucht an dieser Stelle nicht wiederholt zu werden. Hier geht es um einige Auffälligkeiten, die im Hinblick auf die kollektive Erregung im Fall des in Florida getöteten Jugendlichen festzustellen sind.
Da wäre zunächst einmal der Umstand, dass die Rassismuskeule ausschließlich in solchen Fällen geschwungen wird, in denen der (in den Augen hauptberuflicher Besserwisser natürlich schuldige, aber dennoch freigesprochene) Täter „Caucasian“ ist. Weiß, männlich, hetero – das reicht. Außerdem, so wird von den Hauptstrommedien vermittelt, stecken anscheinend sämtliche Strafrichter der USA mit dem Ku-Klux-Klan unter einer Decke, was die auffällig hohe Zahl schwarzer Häftlinge erklärt (rund 50 Prozent aller in Gefängnissen Einsitzenden, bei einem Bevölkerungsanteil von etwa 13 Prozent).
Mehrheitlich weiße Geschworene entscheiden ohnehin routinemäßig gegen die Interessen schwarzer Delinquenten oder Opfer. Klar. Weniger klar ist allerdings, weshalb kein Sturm kollektiver Entrüstung anhebt, wenn ein offensichtlich schuldiger Täter freigesprochen wird, wenn er schwarz und die urteilende Jury zufällig ebenfalls mehrheitlich schwarz ist. So geschah es im einige Jahre zurückliegenden Fall des Sport- und Filmstars O. J. Simpson, der mutmaßlich einen Doppelmord begangen hat, vom Strafgericht aber – trotz erdrückender Indizienbeweislast – freigesprochen wurde.
Verurteilen weiße Geschworene einen Schwarzen oder sprechen einen beschuldigten Weißen frei: Rassismus. Liegen die Dinge umgekehrt: Gerechtigkeit. Wählen Weiße einen Weißen zum Präsidenten: reaktionäre Rassisten. Votieren Schwarze für einen Schwarzen: reife Demokraten und emanzipierte Bürger. Das ist die wunderbare und phantastisch einfach funktionierende Welt der politischen Korrektheit.
Eine weitere Auffälligkeit in der Berichterstattung ist die – stets kritisch-abschätzige – Betonung des Umstandes, dass der Todesschütze einer privaten Bürgerwache („Neighbourhood watch“) angehört, deren es in den USA viele gibt. Ein Skandal! Wie kann eine Gemeinschaft von Bürgern auf die in den Augen brav auf die Rolle des hilflosen Untertanen konditionierter Europäer völlig abartige Idee kommen, selbst für ihre Sicherheit sorgen zu wollen? Ja, dürfen´s denn des? Dafür ist doch nur und ausschließlich der beamtete Freund und Helfer zuständig, der im Fall des Falles ja auch immer und überall prompt zugegen ist.
Wer hätte je von einem Fall gehört, in welchem der nächste Polizist zum Zeitpunkt einer Straftat meilenweit entfernt und das Opfer auf sich allein gestellt war? Merke: Sind alle privaten Aktivitäten schon grundsätzlich verdächtig – ohne staatliches Gütesiegel geht ja bekanntlich gar nix – bedeuten nichtstaatliche Maßnahmen im Sicherheitsbereich geradezu den Auftakt zur Anarchie. Mon Dieu! Das darf nicht sein! Wehret den Anfängen!
Stand your ground!
Die dritte Besonderheit betrifft den in den USA stark entwickelten, in der Alten Welt mit gebührender Fassungslosigkeit kommentierten, Willen zur Selbstverteidigung. Diesem wird durch das in rund 30 Bundesstaaten geltende „Stand-your-ground-law“ Vorschub geleistet. Während man als Europäer von Kindesbeinen an eingebläut bekommt, im Falle einer gewalttätigen Bedrohung möglichst schnell davonzulaufen oder mit dem Täter zu „kooperieren“ – sich also dem Unrecht zu beugen – ist man in den USA eher geneigt, dem Unrecht Widerstand zu leisten und sich, notfalls mit Waffengewalt, zu wehren – und zwar ohne zuallererst den Großen Bruder um Hilfe anzuflennen.
Das ist für die Journaille in Euroland Anlass genug, von „Selbstjustiz“ zu phantasieren. Dem Rechtsbruch keinen Raum zu geben, ist unerhört (zumindest, so lange es nicht um Steuerhinterziehung geht). Täter werden zu Opfern, Opfer zu Tätern umgedeutet. Wer sich eines Angreifers erwehrt, ist ein latent gefährliches Subjekt, das nur auf den rechten (sic!) Moment gewartet hat, um seine mühsam unterdrückten Gewaltphantasien endlich auszuleben. Wollte doch der Angreifer nur seinen Beitrag zur „sozialen Umverteilung“ leisten, so ist der Selbstverteidiger der wahre Feind der Gesellschaft, der sich – welche Anmaßung – mit seiner Rolle als Untertan, Steuerzahler und hilfloses Verbrechensopfer nicht still bescheiden will.
Ist eine derartige Weltsicht nicht der klare Beweis für die Tendenz des allsorgenden Wohlfahrtsstaates, am Ende in die totale Dekadenz zu führen?
Dass es zu einem „Notwehrexzess“ kommen kann, wenn das Opfer bewaffnet ist, soll nicht bestritten werden. In solchen Fällen wird anschließend, wie im aktuellen Fall in den USA auch geschehen, das Gericht über die Angemessenheit der Gewaltanwendung durch den Angegriffenen zu entscheiden haben. Die Pflege des Grundsatzes, dass Recht dem Unrecht niemals zu weichen hat, ist indes dennoch uneingeschränkt zu bejahen.
Damit sind wir auch schon bei der Kritik an der „Waffenkultur“ in den USA. Gäbe es keine legal erwerbbaren Feuerwaffen, so die hundertfach widerlegte Behauptung der einschlägigen „ExpertInnen“, würden morgen schon keine Gewalttaten mehr verübt werden. Dass eine restriktive Waffengesetzgebung und eine hohe Zahl an Gewaltdelikten klar miteinander korrelieren – ein Waffenverbot daher eben nicht die ersehnte Verbesserung bringt, kann nicht wahr sein, weil es nicht wahr sein darf!
Mit Zahlen und Fakten sind die Gläubigen der Antiwaffenreligion nicht zu überzeugen: Dass die überwiegende Mehrzahl der Gewaltdelikte – beiderseits des Atlantiks – mit anderen Mitteln als mit Schusswaffen begangen wird, wird nicht zur Kenntnis genommen. Dass viele – in keiner Statistik aufscheinende – Gewaltverbrechen gar nicht erst zur Ausführung oder zum Erfolg kommen, weil wehrhafte Bürger sich rechtzeitig entsprechend ausgerüstet und ihr Werkzeug auch eingesetzt haben, spielt keine Rolle. Ein unversehrtes Verbrechensopfer interessiert kein Schwein. Wichtig ist einzig und allein, dass der Täter den Tatort unversehrt verlassen kann. An dessen „Karriere“ hat ja ausschließlich „die Gesellschaft“ Schuld! Die bedingungslose Behauptung des staatlichen Gewaltmonopols gilt auch dann noch als „heilig“, wenn es ausschließlich zum Nachteil der Bürger eingesetzt wird.
Für die im alleinigen Besitz von Einsicht und Moral befindlichen Lohnschreiber in den Hauptstrommedien liegt der Fall klar auf der Hand: Die USA werden – Obama hin oder her – in Wahrheit von den unverbesserlichen Rassisten der NRA (National Rifle Association, „Waffenlobby") regiert. In Europa hätte ein „Fall Trayvon Martin“ niemals passieren können. Denn hier gibt es zum Glück keine „rassistischen Hobbypolizisten“ – schon gar keine bewaffneten. Hier stirbt jeder nach einem langen, erfüllten Leben im Bett – selbst der übelste Gauner…
Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.