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Neos und Piraten: Sympathieträger auf Irrwegen

Zumindest zwei Neuparteien werden als zusätzliche Auswahl auf den Stimmzetteln stehen. Sind sie unserer Aufmerksamkeit würdig? Im Prinzip ist das ja jede Partei nach fast sieben Jahren rot geführter großer Koalition des Stillstands, Steuererhöhens und Schuldenmachens. Kommen sie zumindest als geringeres Übel aber auch für eine Stimmabgabe in Frage?

Nun: die Begeisterung für die beiden Gruppen hält sich in engen Grenzen. Auch wenn es klar ist, dass blutiger Amateurismus bei jeder Neugründung unvermeidlich, ja vielleicht sogar irgendwie sympathisch ist. Aber die inhaltlichen Konturen sind doch zu verwaschen und widersprüchlich.

Piraten: Von den Linken gekapert

Die Piraten haben im Laufe der Zeit sogar anfangs erfreulich gewesene Positionen abgebaut. War es doch bei ihren Anfängen geradezu erfrischend und eine Hauptursache ihres Erfolgs, dass sie gegen das leistungsfeindliche, aber im linken Mainstream sehr modische Quotendenken und Gendern gewesen sind. Dieses hat ja auch in CDU und ÖVP manche Opportunisten angesteckt (siehe die Wiener ÖVP-Liste, siehe die Quotenforderungen eines Michael Ikrath oder einer Ursula von der Leyen, siehe die schwarze Mitverantwortung in Deutschland und Österreich für zahllose feministische Gesetze, Frauenbeauftragtinnen und Genderprofessuren).

Aber inzwischen hat in Deutschland wie auch Österreich (sofern man hier überhaupt Piratenformationen entdecken kann) ein übles Spiel eingesetzt: Einige linksgrüne Politruks haben sich bei den Piraten stark positionieren und dort auch diesbezüglich etliche ihrer Inhalte einschleusen können. Das hat viele im politischen Agitieren unbedarfte Piraten-Sympathisanten wieder vertrieben, die das nicht wollen, die aber keine Zeit für und keine Lust an unendlichen Sitzungen haben.

Die Linken hingegen haben mit ihren basisdemokratischen – also undemokratischen – Methoden schon seit vielen Jahren auf den Unis gelernt, wie man Abstimmungsmehrheiten und Machtpositionen erringt. Solche Kaperungsaktionen sind zwar fast immer gegen den Willen der Mehrheit erfolgt, waren aber letztlich bei ÖH wie Piraten sehr erfolgreich.

Auch die Illusion, durch unendlich langes elektronisches Basteln zahlloser Mitautoren sinnvolle Texte und Programme erstellen, abändern, wieder abändern und irgendwann im allgemeinen Konsens vollenden zu können, hat sich weitgehend aufgelöst. Man muss fast sagen leider. Im Grunde haben wir das ja auch schon bei unseren Gesetzestexten erlebt: An den meisten ist so lange herumgebastelt worden, in ministeriellen Kommissionen und Legislativabteilungen, in Begutachtungen und Parlamentsausschüssen, bis zwar viele Worte, aber auch viele Widersprüchlichkeiten und Unklarheiten gedruckte Rechtskraft erlangt haben. Man sieht es ja jetzt beispielsweise beim Thema direkte Demokratie, wo in den letzten Monaten so viele Interessen- und Bedenkenträger quergeschossen haben, dass nichts mehr von dem übrigbleiben dürfte, was Schwarz (oder genauer gesagt: der Kurz-Spindelegger-Flügel) und Blau sowie die Mehrheit der Bürger ursprünglich wollten.

Konkret können die Piraten bei den Wählern seit längerem nur noch zwei inhaltliche Eindrücke hervorrufen (wenn überhaupt). Erstens: Bei den Piraten wird jeder politische Kopf sofort abgeschossen, sobald sich einige Wähler auch nur dessen Namen gemerkt haben. Und zweitens: Piraten bekämpfen das Internet-Urheberrecht; oder noch verkürzter: Piraten wollen, dass jeder elektronisch alles stehlen können soll. Das hat die Piraten ziemlich übers Kreuz mit der Künstler- und Autorenszene gebracht, die ja anfangs sehr Piraten-affin war. Das ist aber auch beim Rest der Bevölkerung nicht wirklich mehrheitsfähig.

Ein weiteres Internet-Thema, der Kampf gegen die Schnüffeleien ausländischer Geheimdienste, ist zwar sehr aktuell. Es ist aber zumindest verbal auch von allen anderen Parteien aufgegriffen worden (ohne dass irgendjemand konkret wüsste, was man gegen Amerikaner, Chinesen oder Russen denn im Internet Wirksames tun könnte). Außerdem scheint vielen Wählern die freie Internet-Stehlerei ja verwandt zu sein mit der freien Internet-Schnüffelei. Diese Debatte hilft den Piraten daher auch nicht viel.

Neos: Beim Schulthema erfreulich

Die zweite Neo-Partei, die Neos, hat wenigstens keine Negativentwicklung durchgemacht. Sie hat auch am raschesten alle für eine Kandidatur nötigen Unterschriften zustandegebracht (und es sind mir zumindest keine Hinweise bekannt, dass sie das nur mit Hilfe von Parteigängern anderer Parteien geschafft hätten, die damit einer anderen Partei schaden wollen).

Beim Bildungsthema haben die Neos ihre Haltung sogar vom massiv Negativen ins massiv Positive geändert: Waren sie zuerst Anhänger einer zwangsweisen Gesamtschule gewesen, so sind sie jetzt zu Unterstützern von Vielfalt und Entscheidungsfreiheit geworden.

Das ist ein absolut richtiges und noch dazu genuin liberales Konzept. Das überrascht umso mehr, als die Neos trotz ihrer Wurzeln bei unzufriedenen ÖVP-Angestellten insgesamt sehr stark von grünem und LIF-Personal geprägt sind. Und beide Gruppierungen haben ja absolut nichts mit echt liberalem Denken zu tun. Das LIF ist einst überhaupt nur mit roter Schützenhilfe ins Leben gekommen. Die SPÖ hatte geglaubt, durch einen solchen Etikettenschwindel Schwarz und Blau schwächen zu können. Aber in der Realität hat das LIF primär politisch korrekte Linkswähler angezogen.

Beim LIF wurde vor allem durch Heide Schmidt Liberalismus als stark sozialdemokratisch gefärbter Staatsinterventionismus mit antikirchlicher, sozial-gutmenschlicher und proschwuler Schlagseite missverstanden. Was auch heute noch nachweislich auf Neos/LIF abfärbt: Beispielsweise hat der wichtigste Vorkämpfer des katastrophal gescheiterten Antikirchen-Volksbegehrens einen prominenten Platz auf den Neos-Kandidatenlisten erhalten (Platz 18 auf der Bundesliste, Platz 2 auf der Wiener Landesliste). Das ist nicht wirklich ein Signal, dass die Neos etwas wirklich anderes als das alte LIF wären. Noch dazu haben auch die heutigen Überreste des LIF sogar ganz offiziell Plätze auf den Neos-Listen gefunden.

Noch mehr enttäuscht an den Neos, dass sie bei dem gerade für eine Möchtegern-liberale Partei zweifellos wichtigsten Thema extrem schwach aufgestellt sind: nämlich beim Komplex Wirtschaft. Da haben sie offenbar keinen einzigen wirklichen Experten anzubieten. Das hat schon bei vielen Veranstaltungen für Kopfschütteln sorgt. Wirtschaft ist halt ein wenig komplizierter als die plakative Forderung, dass die Parteien zu viel Geld bekämen. Das habe ich schon bei Jörg Haider gehört und hat auch dort nicht gestimmt.

Aus dem weiten Bereich der Wirtschaft und des Sozialen sei das Pensionsthema als Beispiel konkret herausgegriffen. Da agieren die Neos schlicht und plakativ: sie verlangen eine 15-prozentige Kürzung aller Pensionen ab 5000 Euro. Das ist eine Forderung auf dem Niveau von rotem oder blauem Populismus. Man rechnet sich einfach aus: Wo treffe ich kaum jemanden und bekomme doch Schlagzeilen. Dabei vergessen die Neos freilich zweierlei:

  1. Nach vielen Erfahrungen der Vergangenheit droht die Geldentwertung heute toll klingende Bezüge dieser Größe bald zu bloßen Durchschnittspensionen zu reduzieren (anders als durch Geldentwertung können die Staaten nämlich ihre Megaschulden gar nicht abbauen).
  2. Es ist absolut illiberal und gleichmacherisch, mit dem Rasenmäher entlang der absoluten Höhe von Pensionen drüberzufahren, statt zu prüfen: Wieviel Prozent dieser Pensionshöhe ist versicherungsmathematisch von den jeweiligen Pensionisten und ihren einstigen Arbeitgebern (real oder im Fall des Staates zumindest fiktiv) ins System einbezahlt worden? Sind die Betroffenen mit 50 oder 70 Jahren in Pension gegangen? Was ist mit Firmen- und Privatpensionen?
    Nur eine solche Prüfung würde eine gerechte Lösung des Pensionsproblems ermöglichen. Denn in vielen Fällen sind höhere Pensionen viel stärker durch Einzahlungen gedeckt und niedrigere Pensionen viel weniger.

Und geradezu an der Intelligenz der Neos muss man zweifeln, seit sie sich in Zeiten wie diesen als die flammendsten EU-Fanatiker positionieren. Gewiss ist der Binnenmarkt absolut unverzichtbar, gewiss könnte einigen Geldgebern solcher EU-Jubel erwünscht sein. Aber sämtliche bekannten Umfragen zeigen einen steilen Rückgang jeder Form von EU- oder gar Euro-Begeisterung. Da ist die Profilierung als Super-EU-Partei zweifellos selbstbeschädigend.

Weggeworfene Stimmen, die strategisch nichts nützen

Am stärksten aber spricht gar nicht ein Programmpunkt, sondern etwas ganz anderes gegen eine Stimmabgabe für beide Parteien: Sie haben beide nach allem menschlichen Ermessen keinerlei Chance auf einen Einzug ins Parlament. Daher wird jede Stimme für sie eine weggeworfene.

Das gilt vor allem dann, wenn man als Wähler am Wahltag ein anderes strategisches Hauptziel hat (weil man sich sowieso mit keiner Partei programmatisch voll identifizieren kann). Als solches kommen für bürgerliche, liberale, konservative, christliche, heimatverbundene Wähler im Grund nur drei Möglichkeiten in Frage:

  • ein möglichst starkes Gegengewicht gegen Rotgrün,
  • die Abwahl eines roten Bundeskanzlers ,
  • ein Ende der absoluten Mehrheit für Rot-Schwarz.

Bei all diesen Zielen ist eine Stimme für Piraten und Neos – bei aller Sympathie für manche ihrer Exponenten – leider überhaupt nicht hilfreich. Um einem dieser Ziele bei der Stimmabgabe zu dienen, kommen letztlich nur Schwarz, Blau und Stronach – sofern man auch an keinen neuerlichen Parlamentseinzug des BZÖ glaubt – in Frage. So sehr auch gegen Verhalten und Programmpunkte dieser drei Parteien konkrete Kritik zu üben ist.

Klar ist freilich auch, dass keine Stimmabgabe für eine dieser drei Parteien allen genannten Zielen gleichzeitig helfen kann. Die Wahl bleibt daher auch nach dieser Festlegung enorm schwierig.

 

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