Die linken Zauberlehrlinge

Tausende Austro-Türken sind vor wenigen Tagen in Wien für Recep Tayyip Erdogan auf die Straße gegangen. Ein endloses Meer an roten Fahnen mit weißen Halbmonden zog durch die Stadt. Ausgelöst hatte die Massendemo der grüne Bundesrat mit türkischen Wurzeln Efgani Dönmez. Er hatte in einem Zeitungsinterview gefordert, alle Anhänger des türkischen Ministerpräsidenten mit einem One-Way-Ticket in die Türkei zu schicken. Die Antwort auf den Dönmez-Sager kam prompt und war eine eindrucksvolle Machtdemonstration. Rund 15.000 erboste AKP-Sympathisanten setzen mitten in Wien ein klares politisches Zeichen. Und diese Botschaft ist – zumindest bei den etwas klügeren linken Politkern – auch angekommen.

Dass die Polizei und die meisten Mainstreammedien die Demo mit 8.000 Teilnehmern klein zu reden versuchten, belegt das ungute Gefühl der Regierung und ihrer subalternen Medienmitarbeiter. Die gute Vernetzung, der Organisationsgrad, die Reaktionsschnelligkeit und die Mobilisierungskraft der islamisch-konservativen türkischen Community in Österreich scheint einige MultiKulti-Propagandisten aus ihren rosaroten Träumen gerissen zu haben. „Auf Knopfdruck auf der Straße“ titelte etwa die Wiener Zeitung.

Die Spitzen von SPÖ, ÖVP und der Grünen sahen dem Treiben kommentarlos und beunruhigt zu. Der junge ÖVP-Integrationsstaatsekretär Sebastian Kurz wurde von seinen in Deckung gegangenen Regierungskollegen vorgeschickt und musste ganz dezente Kritik üben. Er appellierte an die österreichisch-türkischen Erdogan-Fans: „Konflikte, die es derzeit in der Türkei gibt, nicht in Österreich auszutragen."

Von SPÖ und Grünen hieß es wiederum, man müsse in einer Demokratie schließlich auch Meinungen und politische Einstellungen akzeptieren, die einem nicht gefallen würden. Hört, hört! So etwas aus dem Mund von Politikern zu vernehmen, die ansonsten keinerlei Probleme haben, ihnen nicht genehme Demonstrationen, Konzerte und Veranstaltungen zu verbieten und zu unterbinden, lässt tief blicken. Wenn etwa Wiens Grünenchefin Maria Vassilakou meint, in Wien „gibt es auch Strömungen, die uns nicht gefallen,“ und im selben Zeitungsinterview zusammenhangslos und vom Thema ablenkend auf politische Gegner ihrer Kragenweite hinschlägt, nämlich „radikale Abtreibungsgegner und religiöse Fanatiker, die Frauen vor Kliniken belästigen“, da kann man sich nur noch fragen: Geht’s noch erbärmlicher?

Ihr grüner Parteikollege Klaus Werner Lobo hatte wenige Monate zuvor das Konzert der Mundart-Rockband Die Hinichen in Wien erfolgreich verhindert, weil ihm deren Texte nicht politisch korrekt genug waren. Im oberösterreichischen Wels hat die SPÖ wiederum mit Unterstützung von ÖVP und Grünen ein Konzert der Südtiroler Band Frei.Wild unterbunden. Die Gruppe war den Politkern zu heimatverbunden und zu rechts. Man habe kein Interesse an einem Auftritt, so der SPÖ-Vizebürgermeister von Wels. Ja, ja man muss auch andere Strömungen akzeptieren.

Aber es ist halt eine Sache, nicht genehmen Künstlern Auftritte zu verbieten, und mutig gegen eine weitgehend selbst aufgeblasene rechtsextreme Gefahr zu kämpfen. Eine völlig andere ist es, die politische Einstellung Tausender bestens organisierter AKP-Sympathisanten in Österreich zu kritisieren, noch dazu, wenn diese zu den wichtigsten Wählern der eigenen Partei, der SPÖ, gehören. Wenn es ernst wird, trennt sich eben die Spreu vom Weizen. Deshalb ist auch die Frage, ob sich der „große Demokrat“ Bundespräsident Heinz Fischer zur Causa Dönmez und ihren Folgen geäußert hat, eine rein rhetorische.

Die Pro-Erdogan Demo in Wien hat die Machtverhältnisse in Österreich klar aufgezeigt. Sie war ein unmissverständliches Signal an die heimischen Politiker: Vorsicht! Und diese haben wiederum – in dem sie nichts sagten und taten – eindeutige Signale zurückgesendet. Jetzt weiß jeder, woran er ist und wo er steht.

Rot-Grün-Türkische Widersprüche

Vor allem auch, weil die Erdogan-Gegner gerade einmal 600 Menschen auf die Straße brachten. Auch die Claims innerhalb der österreichisch-türkischen Gemeinschaft sind damit abgesteckt. Für viele Sozialsten ein herber Schock. Schließlich gehören Österreicher mit türkischen Wurzeln neben den Pensionisten zur wichtigsten Kernwählerschicht der SPÖ. Seit Jahren bemühen sich die unter dramatischem Wählerschwund leidenden Sozialisten um diese für ihren politischen Machterhalt so wichtige und stetig wachsende Gruppe.

Dass die vielen tausenden Türken in Österreich die SPÖ aber nicht aus Sympathie oder gar politischer Überzeugung, sondern aus Opportunismus und aus taktischen Gründen wählen, dürfte spätestens nach dieser Großdemo den meisten roten Strategen und Funktionären klar geworden sein. Eine bittere Erkenntnis, vor allem auch für die radikale SPÖ Gender-Mainstream-Fraktion. Dass nämlich ein großer Teil ihrer eigenen Wähler die Visionen einer Frauenministerin Heinisch-Hosek oder einer Wiener Frauenstadträtin Sandra Frauenberger nicht nur nicht teilen, sondern ihnen feindlich gegenüberstehen, dürfte den missionarischen roten Feministinnen nun klar sein.

Aber in gesellschaftlichen Übergangszeiten können eben kuriose Konstellation entstehen: Mit der geliehenen Macht Tausender österreichischer Erdogan-Fans kann die SPÖ derzeit ihre linke Gender-Politik um- und durchsetzen. Das ist wirklich skurril. Doch die SPÖ weiß nun auch, dass ihre Macht ein Ablaufdatum hat und dass der Mohr spätestens dann gehen kann, wenn er seine Schuldigkeit getan hat. Auf Dauer lassen sich diese Widersprüche und diese innere Zerrissenheit nicht mehr kitten und zudecken. Bei den Grünen treten sie schon jetzt offen zu Tage.

Der Dönmez-Sager und die Großdemo haben die Verwerfungen und Widersprüche in der politischen Landschaft und der österreichischen Gesellschaft deutlich sichtbar gemacht. So will der Grüne Peter Pilz, der seit vielen Jahren mit seinen Genossen jede Art vernünftiger und zukunftsorientierter Einwanderungspolitik verhindert hat, plötzlich in einer Panikreaktion einen Gesinnungstest für einbürgerungswillige Zuwanderer einführen. Da kommt wohl seine linksextreme Gesinnung aus den Tagen bei den Revolutionären Marxisten wieder ungeschminkt an die Oberfläche.

Feuer ist auch bei den Grünen in Tirol am Dach. Dort hat gerade der grüne Funktionär Mustafa Isilak klargestellt, dass er die Homo-Ehe ablehnt. Die Gleichstellung von Homosexuellen stehe „im Widerspruch zu seiner Religion“, so der grüne Gemeinderat. Sein Parteikollege in Schwaz, Tarik Özbek, hat wiederum öffentlich seine Sympathie für Erdogan bekundet. Bisher konnten die Grünen die Probleme, Verwerfungen und Widersprüche, die die Multikulti-Ideologie mit sich bringt, mit ein paar hohlen Phrasen und der Faschismuskeule einfach aus der Welt schaffen. Diese Zeiten scheinen nun vorbei zu sein.

Auch die Grünen müssen sich nun der Realität stellen und sich mit den Konsequenzen der Politik, die sie mit zu verantworten haben, auseinandersetzen. Das ist jene Politik, die der grüne Leitwolf Joschka Fischer einst so beschrieben hat: „Deutschland muss von außen eingehegt, und innen durch Zustrom heterogenisiert, quasi verdünnt werden.“

Und kaum haben das die roten und grünen Sozialisten eindrucksvoll geschafft, rufen bereits die ersten „Die ich rief, die Geister, werd ich nun nicht los.“

Werner Reichel ist Journalist und Autor aus Wien. 2012 ist „Die roten Meinungsmacher – SPÖ-Rundfunkpolitik von 1945 bis heute” im Deutschen Wissenschaftsverlag erschienen. Derzeit arbeitet er an einem Buch über Geschichte, Politik, Ideologie und Ziele der österreichischen Grünen. 

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