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90 Jahre Tolomeis Assimilierungsprogramm

Dieser Tage jährte sich zum 90. Mal der Tag, an dem Ettore Tolomei sein 32-Punkte-Programm zur Assimilierung der Südtiroler im Bozner Stadttheater verkündete.

Auch wenn die Südtiroler inzwischen Rom einige Rechte abgerungen haben, so lebt der Geist Tolomeis bei den italienischen Politikern weiter: Noch heute gelten in Südtirol faschistische Gesetze. Die von ihm erfundenen Ortsnamen sind gesetzlich, die deutschen nur geduldet. Die Denkmäler aus Mussolinis Zeiten werden vom Staat geschützt. Wenn Italien den Tag der Befreiung vom Faschismus feiert, dann meint man den vom deutschen Faschismus, nicht vom italienischen. Das merkt man besonders in Südtirol – dort ist der Exerzierplatz des italienischen Faschismus.

Nicht nur die Berlusconi-Partei mit ihren Postfaschisten ist zutiefst nationalistisch, auch die Sozialdemokraten. 1920 lehnten sie im Parlament die Annexion Südtirols noch strikt ab. Der stellvertretende Ministerpräsident und Finanzminister Luzzatti bot der Südtiroler Delegation des Deutschen Verbandes sogar die Rückgliederung zu Österreich an. Heutzutage empfinden die Vertreter der Partito Democratico (PD) hingegen die Zustände als ihre Italianitá und die Annexion als kein Unrecht (siehe Abstimmverhalten am 08.05.2012 im Bozner Landtag und Unterstützung des Alpinitreffens am 12./13.05.2012).

Roms Politiker betrachten, ganz im Sinne Tolomeis, die Autonomie nicht als Minderheitenschutz, sondern als Regionalpolitik, bei der man Regelungen nach Belieben kippen kann. Die Autonomie sei angeblich eine inneritalienische Angelegenheit. Allein deshalb habe, so Felix Ermacora in seinem Buch „Südtirol – Die verhinderte Selbstbestimmung“, die Autonomie Südtirols keinen Vorbildcharakter. Er bezeichnete diese Autonomie als „ein Modell zur friedfertigen Auslöschung einer Volksgruppe“. Ermacora wies auch auf die Tatsache hin, dass es auf Betreiben Mussolinis und Tolomeis bis zum heutigen Tag eine „Ausrichtungs- und Koordinierungsbefugnis“ gibt, wodurch Südtirol durch Italien geknebelt und bevormundet wird.

Mario Monti hat sich über Gesetze und Vereinbarungen hinweggesetzt und die Autonomie bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt. Auch vom sozialdemokratischen Ministerpräsident Letta dürfte nichts Gutes zu erwarten sein: Ein „neues“ Mailänder Abkommen ist nicht in Sicht. Das vom Südtiroler Landtag verabschiedete und von der Opposition heftig kritisierte Toponomastik-Gesetz wird von Rom angefochten. Das bestehende Südtiroler Schulsystem steht auf der Kippe…

Die Kompromisse der romtreuen SVP, die fast bis zur Selbstverleugnung gingen, konnten diesen Trend nicht aufhalten. Das Südtiroler Volk steht bei der bevorstehenden Befragung zur Selbstbestimmung und im Oktober 2013 bei den Landtagswahlen vor der Wahl, ob es die schleichende Assimilierung im Sinne Tolomeis hinnehmen oder ob es Rom selbstbewusst die Stirn bieten will.

Äußerungen italienischer Politiker betreffend Südtirol

Der designierte Außenminister Franco Frattini (Forza Italia) am 25.04.2008 in der „Tiroler Tageszeitung“: „Man muss und kann das Südtiroler Statut im europäischen Sinne revidieren. Die EU sieht keine auf ethnischer Basis gegründeten regionalen Gebiete vor. Ich bin daher auch gegen eine Euregio Tirol.“

Renato Brunetta (Popolo della Liberta), Minister für öffentliche Verwaltung, am 08.02.2009 in der „Il Gazzettino“: „Regionen mit Sonderstatut müssen der Vergangenheit angehören… In drei bis fünf Jahren wird alles anders sein. Regionen, die bis dato Privilegien besitzen, darf es bis dahin nicht mehr geben.“

Giorgio Napolitano, Staatspräsident, bezweifelte in einem Kommuniqué vom 11.02.2011 die Existenz einer österreichischen Minderheit in Südtirol.

Mario Monti, Ministerpräsident, am 26.10.2012 im „Kurier“: „Ich glaube dadurch, dass 1992 der Konflikt vor der UNO gelöst wurde, gibt es keine Notwendigkeit für so eine Rolle Österreichs. Wir reden hier von inneritalienischen Problemen, da braucht es keine Kompetenzen für Wien.“ Süffisant ergänzte er: „Die Provinz Südtirol hat im Rahmen der italienischen Verfassung alle Möglichkeiten, um ihre Positionen durchzusetzen.“

Im Vorfeld der Parlaments- und Senatswahlen im Februar 2013 kündigten Luigi Bersani und Francesco Palermo (PD) an, die Südtiroler Autonomie vom „ethnischen Ballast“ befreien zu wollen.

Der Autor ist Deutscher, EDV-Spezialist und auf Grund der Zugehörigkeit seines Vaters zur bedrohten sorbischen Volksgruppe und als ehemaliger Mitkämpfer der DDR-Bürgerrechtsbewegung in Sachen Minderheitenschutz besonders engagiert.

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