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,Weis(s)e Wirtschaft´: Reformfelder der Steuerpolitik

Österreich ist ein Beamtenstaat. Wer hier lebt und studiert hat, drängt in den Öffentlichen Dienst. Natürlich nicht des eigenen Vorteils wegen, sondern um selbstlos das „Gemeinwohl“ zu befördern. Unternehmer dagegen – insbesondere Kaufleute – genießen geringes Ansehen (nicht grundlos hat Shakespeare ihnen mit seinem Shylock ein Schandmal gesetzt). Nur den eigenen Vorteil im Auge, raffgierig, unbarmherzig ihre bedauernswerten Lohnsklaven ausbeutend, geben Selbständige im Lande Metternichs ein hervorragendes Feindbild für die Sozialisten in allen Parteien und Schreibstuben ab.

Wenn in einem für seine glühenden Etatisten und Paternalisten berüchtigten Land eine Denkfabrik ins Leben gerufen wird, die sich den ambitiösen Namen „Weis(s)e Wirtschaft“ gibt und selbstbewusst „Sachverstand und Verantwortung“ auf ihr Panier schreibt, ist man, als Nichtbeamter, versucht, spontan in Freudenschreie auszubrechen. Erwartet man doch, dass hier nicht, wie üblich, das Hohelied auf den Staat gesungen, sondern den Interessen der Bürger gedient wird – all jener also, die nicht zu den Schergen Leviathans zählen und somit lebenslänglich fremden Leuten auf der Tasche liegen.

Nach einem Blick auf die Homepage der Organisation beschleichen einen indes rasch Zweifel, da ausgerechnet ein Finanzbeamter als deren Chef fungiert. Auch im „wissenschaftlichen Beirat“ der Gesellschaft wimmelt es von – zweifellos honorigen und verdienten – Persönlichkeiten, die aber leider nie in ihrem Leben einen auf Gewinn gerichteten Betrieb von innen gesehen, geschweige denn einen geführt oder gar gegründet haben. Ob nun aber Beamte, Professoren und Ärzte (einer davon ist Betriebsrat an einer Universitätsklinik), das Zeug dazu haben, jenen frischen Wind zu entfachen, der nötig wäre, um die nach üppig wuchernder Bürokratie und endemischer Obrigkeitshörigkeit muffelnde Alpenrepublik zu durchlüften, sei dahingestellt.

Wie dem auch sei – man folgt der Einladung zu einer Diskussionsveranstaltung der „Weis(s)en Wirtschaft“ zum Thema „Reformfelder der Steuerpolitik“. Wer sich hier radikale Forderungen in Richtung einer – längst überfälligen – Steuerreduktion erwartet hatte (Österreich liegt mit einer Steuerquote von 43,7 Prozent im Spitzenfeld der Staaten der Eurozone und um 3,6 Prozent über deren Durchschnitt), wurde herb enttäuscht. Das heißt, derjenige wurde enttäuscht, der mit den Namen der Diskutanten und/oder den Organisationen denen sie dienen, nichts anfangen konnte. Dem Kenner schwante indes schon vorher nicht Gutes. Ein Steuerrechtsprofessor als Impulsreferent, auf dem Podium ein Arbeiterkämmerer, eine Expertin des Wifo, ein Mitarbeiter des Economia-Instituts für Wirtschaftsforschung und der bereits genannte Angehörige des Finanzministeriums – was war da zu erwarten?

Es lohnt nicht, im Detail auf den Inhalt des Impulsvortrags oder die Stellungnahmen der Diskutanten einzugehen. Eine Zusammenfassung reicht. Weitgehende Einigkeit herrschte nämlich bei der Beurteilung des Staatshaushaltes in seiner Gesamtheit: Die Ausgabenseite scheint demnach ehern festzustehen. Da der böse Föderalismus angeblich jede substantielle Einsparung verhindert, lohnt es auch nicht, an dieser starren Front in Aktionismus zu verfallen. Der „Verfassungskonvent“ ist ja schließlich deshalb nicht weitergekommen, weil jede einzelne Geldverbrennungsanstalt von den „verantwortlichen“ Pfründnern mit Zähnen und Klauen verteidigt wird. Auf den Umstand, dass der Staatshaushalt – trotz seit Jahrzehnten unentwegt steigender Steuereinnahmen – immer weiter aus dem Ruder läuft, wird kein Wort verwendet.

Aufkommensneutrale Steuerreform?

Hier handelt es sich eben, darüber herrscht stillschweigender Konsens, um eine seit den Tagen Kreiskys (der bei seinem Regierungsantritt anno 1970 ein so gut wie ausgeglichenes Budget übernahm), spezifisch kakanische Naturgesetzlichkeit. Und da man schließlich selbst – mittelbar oder unmittelbar – von Steuern lebt (netto jedenfalls keine zahlt!) findet man sich damit eben ab – wenn auch kräftig knirschenden Zahnes.

Einigkeit herrscht auch darüber, dass der „Faktor Arbeit“ einer steuerlichen Entlastung bedarf. Gewisse Beurteilungsunterschiede finden sich lediglich in der Frage, wer dann – nach einer „Steuerreform“ – auf welche Art noch brutaler enteignet werden soll, als bisher. „Aufkommensneutraliät“ ist das unausgesprochene Zauberwort, da ja auf der Ausgabenseite bekanntlich … siehe oben. So viel scheint sich jedenfalls abzuzeichnen: Ohne die Einführung von Vermögens- und/oder Erbschaftssteuern wird es nicht gehen. Dass diese letztlich nur aus kosmetischen Gründen implementiert werden, da mit einem nennenswerten Aufkommen nur bei Ansatz konfiskatorischer Tarife jenes Volumen zu generieren wäre, das nötig ist, um eine mit freiem Auge erkennbare Steuerreform zu „finanzieren“ (also wenigstens sechs Milliarden Euro), steht auf einem anderen Blatt. Schließlich wurden diese Steuerarten ja nicht zuletzt wegen ihres geringen Nettoertrages vor rund 20 Jahren abgeschafft.

Darauf, dass Erbschaften „ein die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit steigernder Vermögenszuwachs“ seien (so der steuerkundige Impulsreferent), kann nur kommen, wer den Elfenbeinturm des Staatsrechtlers nie verlassen hat. Völlig zurecht wird von einem der Zuhörer in der Publikumsrunde dazu angemerkt, dass es schon ein recht starkes Stück ist, wenn im Zuge mehrerer hintereinander auftretender Todesfälle (mit entsprechendem Erbgang), der Staat am Ende den Löwenanteil eines privaten Vermögens an sich bringt. Steuertheoretische Erörterungen sind für denjenigen wenig trostreich, der hart gearbeitet, und die trotz horrender Einkommenssteuern ersparten Werte unter Hinweis auf eine angeblich „fehlende fiskalische Berücksichtigung der Vermögenswerte“ letztlich auch noch an den Fiskus abliefern darf.

Substanzsteuern sind Raub! Punktum. Diesen damit rechtfertigen zu wollen, dass von ihm angeblich keine „wachstumsschädlichen Gefahren“ ausgehen (so die Wifo-Expertin), dokumentiert auf haarsträubende Weise einen völlig moralfreien Utilitarismus.

Heute entfallen auf jeden Bürger Österreichs Staatsschulden in der Höhe von 31.000 Euro. Jeder Erwerbstätige trägt 55.250 Euro (implizite Schulden sind in beiden Fällen noch gar nicht berücksichtigt). Auf Basis des Jahres 1980 bedeutet das eine Steigerung um 852 Prozent. Damit ist klar, dass jedes Nachdenken darüber, auf welche Weise man die Tributpflichtigen noch weiter auspressen könnte, sinnlos ist, solange die Dynamik auf der Staatsausgabenseite nicht gebrochen und die Zahl der Unproduktiven im Lande nicht deutlich reduziert wird.

Letztere sind ins Verdienen zu bringen – nicht fürs Nasenbohren zu bezahlen. Das wird indes nur gelingen, wenn es Anreize gibt, sich nicht in die Hängematte zu legen, sondern produktiv tätig zu sein – im wahrsten Sinn des Wortes etwas zu unternehmen. Fahrradbeauftragte, Gender- und Gleichbehandlungsbürokraten bringen das Land nämlich nicht weiter. Ohne eine drastische Steuerentlastung wirtschaftlich tätiger Akteure, gleich ob angestellt oder selbständig, wird ein Kurswechsel in Richtung Belebung der Wirtschaft nicht funktionieren. Eine Steuersenkung indes ist nur über eine massive Beschränkung der Staatsaktivitäten zu haben. Sich darüber den Kopf zu zerbrechen, sollte das zentrale Anliegen der „Weis(s)en Wirtschaft“ sein, nicht aber hochgradig entbehrliche Debatten über aufkommensneutrale Steuerreformmodelle…

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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