Es geht ums Holz, es geht um geplante Fehlinvestitionen, es geht um eine verfehlte Ökostrompolitik. Und es geht darum, wie durch erfolgreiches Lobbying Geld beim Fenster hinausgeschmissen wird.
Der Ursprung des Unheils fand im Jahr 2002 statt. Da entdeckten Österreichs Politiker die Energiewende. Mit hoch subventionierten Einspeisetarifen sollte auf Teufel komm raus eine neue Energiewelt geschaffen werden. Für Wind und Solar, wo man noch darauf hoffen kann, einmal an die Marktreife heranzukommen, wurden hohe Einspeisetarife geschaffen, aber man kam nur langsam vom Fleck. Der wahre Boom fand wo anders statt.
Österreich ist ja fast zur Hälfte von Wald bedeckt und dieser Schatz sollte gehoben werden – und zwar in Form von Biomasse- und Biogaskraftwerken. Von 2002 bis 2005 wurde die Biomasse-Stromerzeugung von 82 auf über 400 MW (also um 500 Prozent) erhöht, ähnlich lief es bei Biogas. Es gab eine Bonanzastimmung und die Waldbauern waren froh. Weil aber die Rohstoffkosten drastisch stiegen, gab es danach kaum mehr einen Zuwachs bei Biogas- und Biomassekraftwerken. Die meisten Werke machen seither Verluste, viele mussten bereits den Gang zum Konkursrichter antreten.
Während im Vorjahr die Einspeisetarife für Wind und Solar gekürzt wurden, setzte großes Jammern bei der Biomasselobby ein und – trotz der warnenden Worte der E-Control, die Finger von der Biomasse zu lassen – wurden die Tarife sogar noch erhöht. Was aber auch nicht ausreicht die Werke kostendeckend zu führen. Und mit Riesenschritten naht der Zeitpunkt (etwa 13 Jahre wird gefördert), wo die Zuschüsse auslaufen sollen, denn irgendwann sollten ja Marktpreise gelten.
Aber allen war klar, dass dies nie erreicht werden kann, also müssten dann einige hundert heimische Biomassekraftwerke (ähnliches gilt bei Biogas, davon gibt es allerdings weit weniger) in die Pleite schlittern. Aber es wäre nicht Österreich, wenn es dafür keine Lösung gäbe: Nach Ablauf wird einfach weitergefördert: Mit 8,5 Cent bei Biomasse (das ist etwa die Hälfte der derzeitigen Tarife) und mit 7 Cent bei Biogas. Ein zeitliches Ablaufdatum dafür gibt es nicht.
Und nun tritt die Zellstoff- und Papierindustrie auf den Plan. Wegen des vermehrten Bedarfs stiegen die Holzpreise, außerdem gab es nicht genug Holz aus heimischen Wäldern, womit die Holzimporte aus den Nachbarländern anstiegen. Eine neue, ungewohnte Situation für die Holzindustrie, denn sie war gewöhnt mit sogenannten Zuteilungsscheinen die Preise und Mengen bei den Waldbauern zu bestimmen. Die neuen Marktverhältnisse führten nun eben zu einem freien Wettbewerb.
Und die Lage könnte sich noch wesentlich verschärfen. In Kärnten muss ein altes Kraftwerk spätesten 2015 aus Umweltgründen geschlossen werden. Als Ersatz sollte ein Gaskraftwerk Strom und Wärme liefern. Die Stadt Klagenfurt und der Verbund wollten bauen, aber überraschenderweise fiel die UVP (Umweltverträglichkeitsprüfung) negativ aus. Worauf sich der Verbund aus Klagenfurt verabschiedete und heilfroh war von diesem – schon vor dem Bau –„stranded investment" verschont zu bleiben.
Und nun treten die bekanntermaßen besonders wirtschaftlich geschulten Kärntner Politiker auf den Plan. Ein Biomasse-Kraftwerk muss her. Flugs wurde geplant, ein Bestbieter (die Firma Riegler-Zechmeister) ausgewählt, eine UVP braucht es angeblich diesmal nicht, und im März 2014 soll trotz der Kritik Baubeginn sein. Der Klagenfurter Bürgermeister Christian Scheider (FPK) will am Biomasse-Werk in Klagenfurt festhalten und leitet das Behördenverfahren ein.
Das Biomassemonstrum wäre mit 95 MW das größte in Österreich, soll nur 60 Millionen kosten und 300.000 Festmeter Holz verschlingen, die mit 15.000 Lkw-Fahrten im Jahr herbeigeschafft würden. Da es vorrangig um die Fernwärmeversorgung der Stadt Klagenfurt geht, gibt es auch die Königsidee, das Biomassewerk nur zur Fernwärmeversorgung zu bauen. Ein völlig unsinniger Plan, da die Kosten ohne gekoppelte Stromerzeugung noch mehr explodieren. Was den Klagenfurt Bürgermeister zum Versprechen veranlasst, dass die Fernwärme auch in Zukunft 30 Prozent billiger als in anderen Städten angeboten werden würde. Die Erfahrungswerte scheint man bei der Hypo-Alpe-Adria abgeschaut zu haben. Dabei existiert im 20 Kilometer entfernten Funderwerk eine ausreichende Wärmequelle, man müsste nur eine Leitung nach Klagenfurt bauen.
Ein Vergleich könnte die Kärntner sicher machen. Wien eröffnete im Jahr 2006 ein Biomassewerk für Strom und Wärme und ließ sich dafür feiern. Die Feierstimmung ist längst vergangen, das Werk arbeitet mit einer negativen Eigenkapitalverzinsung. Das Werk in Simmering hat 60 Millionen gekostet, 66 MW Wärmeleistung, 103 Lkw täglich bringen Holz aus dem nahen Wienerwald (auch aus der Ukraine sollen Mengen kommen), insgesamt 245.000 Festmeter. Eine Bestandsaufnahme, auch seitens des Rechnungshofes, hat ergeben, dass die Holzkosten nicht durch die Erlöse gedeckt sind, es fände eine Ressourcenverschwendung statt, und das Werk könne nur einen bescheidenen Beitrag zum Wärme- und Strombedarf Wiens liefern. Damit die Bilanz etwas besser aussieht, sollte im Rahmen des vorerst gescheiterten Energieeffizienzgesetzes ein Betrag von 35 Millionen zusätzlich für Kraft-Wärme-Kraftwerke ausgeschüttet werden. Wird interessant werden, was nach der Wahl passieren wird.
Auch wenn Österreich eine Deckelung der Ökostromförderung hat, womit das ärgste verhindert wird, sollen einige Zahlen zeigen, wie weit wir aus dem Lot sind. Für die Biomasseförderung entstehen Kosten von 271 Millionen, für Wind belaufen sie sich auf 147 Millionen bei ungefähr gleichen Strommengen. Über die gesamte Laufzeit gesehen wird für eine Kilowattstunde 15 Cent bei Biomasse bezahlt, bei Gas sind es 18,5 und bei Wind 7,8 Cent. Die Photovoltaik schlägt mit 49 Cent zu Buche, macht aber mengenmäßig nur einen ganz kleinen Anteil aus. Der Marktpreis für Strom lag 2012 bei 4,93 Cent, aktuell liegt er bei 4 Cent.
Die ganze Problematik ist auch im Ökostrombericht nachzulesen. Bei den rohstoffabhängigen Ökostromtechnologien (Biomasse, Biogas) sind keinerlei Annäherungen ihrer Erzeugungskosten an das Marktpreisniveau zu beobachten.
Es sind keine wesentlichen Lern- oder Skaleneffekt zu erkennen, welche zu einer Reduktion der Investitionskosten führen würden. Bemerkenswert ist, dass Stromerzeugungen aus Landwirtschaftsprodukten (Biogasanlagen) in Kürze voraussichtlich teurer sein werden als Stromerzeugung aus Photovoltaikanlagen. Derselbe Fall könnte, abhängig von den Preisreduktionen bei Photovoltaikanlagen, auch für Anlagen auf Basis von fester Biomasse eintreten. Das Gesamtbild im Bereich der geförderten Ökostromtechnologien würde sich insofern verschieben, als man sich bei den in Österreich relevanten Technologien Wind und Kleinwasserkraft am ehesten in der Nähe des Marktpreises bewegen wird. Bei der Photovoltaik ist weiterhin mit Reduktionen der Einspeisetarife zu rechnen, was sie hinter Wind und Kleinwasserkraft zur Nummer drei machen könnte. Für die rohstoffabhängigen Technologien sieht dies etwas anders aus.
Die Anlagenkosten sind in den letzten Jahren wider Erwarten nicht gefallen, sondern haben sich im Gegenteil eher erhöht. Kombiniert mit gestiegenen Rohstoffpreisen könnte hier ein Überdenken der Ausbauziele notwendig sein.
Die Aufrechterhaltung des Betriebs von Biomasseanlagen nach Auslaufen der Förderung gemäß Ökostromgesetz scheint derzeit wirtschaftlich nicht lukrativ zu sein. Demnach fürchten viele Anlagenbetreiber, ihre Anlagen schließen zu müssen.
Bei Biomasse und Biogas wird die Entwicklung der Rohstoffpreise eine entscheidende Rolle spielen. Sollten diese weiter steigen, wird sich das negativ auf die Zielerreichung auswirken. Sinken aber die Rohstoffkosten, so kann es zu beachtlichen Windfall profits für Anlagen kommen, die einen Vertrag mit der Ökostrom-Abwicklungsstelle OeMAG zu dem Zeitpunkt abgeschlossen haben, zu dem die Rohstoffkosten gerade auf Höchstniveau waren.
Die heimischen Bundesforste haben viel Lehrgeld zahlen müssen bzw. zahlen lassen. Rund 200 Millionen Euro wurden gemeinsam mit der Kelag über die gemeinsame Tochtergesellschaft SWH investiert. Eigenkapital wurde dafür kaum verwendet, finanziert wurde über Förderungen und Fremdkapital. Nun hat man die Reißleine gezogen und von insgesamt 30 Werken, bis auf zwei, alles an Partner abgegeben. Zum Handkuss kamen dabei die Banken, die Federn lassen mussten. Die Bundesforste selbst haben nur eine Million abschreiben müssen. An dem großen Biomassewerk in Wien-Simmering ist man allerdings nach wie vor direkt mit 30 Prozent beteiligt (der Rest liegt bei der Wien Energie), daran soll sich nichts ändern. Auch dieses Werk wird langfristig kaum Gewinne erwirtschaften können, sobald die geförderten Tarife 2019 auslaufen. Darüber wollen sich die Bundesforste aber noch nicht den Kopf zerbrechen.
Dieter Friedl ist Österreichs führender Energie-Journalist. Er gibt 14-tägig den unabhängigen elektronischen „Energiedienst“ heraus, der unter der E-Mail Adresse kontakt@elisabethgall.at abonniert werden kann. Der „Energiedienst“ informiert über alle Energiefragen.