Mit Steuern steuern

„Mehrheit der Deutschen will Steuererhöhungen“ meldet „Die Welt“. Demnach befürworten 72 Prozent der Wahlberechtigten die Anhebung der Steuern für die „Gutverdienenden“. 62 Prozent sprechen sich für die Einführung von Vermögenssteuern aus.

Frankreichs sozialistischer Staatspräsidentendarsteller Francois Hollande möchte – unter dem tosenden Applaus der Neidgenossen – „Steueroasen in aller Welt ausradieren“ und dadurch den Erdball in eine einzige Steuerwüste verwandeln.

Angesichts der kollektiven Hatz auf perfide Steuersünder, wie etwa den Ex-Kicker Uli Hoeneß, kann der deutsche Bundespräsident nicht länger an sich halten und verkündet: „Wer Steuern hinterzieht, verhält sich asozial". Wer wäre wohl eher legitimiert, über asoziales Verhalten zu räsonieren, als ein von Steuern lebender Mann, der keinen Tag seines Lebens produktiv gearbeitet hat?

Dass auch die üblichen Verdächtigen unter den österreichischen Geistesathleten – speziell solche aus dem Dunstkreis von Gewerkschaften und Arbeiterkammern – ihre begehrlichen Blicke verstärkt auf jene Bürger richten, die ihr Einkommen nicht versoffen und verhurt, sondern zur Vermögensbildung genutzt haben, sei der Vollständigkeit halber nicht unerwähnt.

Jeder vom Bürger zum Staat umverteilte Euro bedeutet nicht nur einen Wohlstandsverlust, sondern bringt auch eine Zunahme der (Kontroll-)Macht des Leviathans über den Bürger mit sich. Angesichts dessen ist es erstaunlich, dass die Tage offenbar vorbei sind, in denen mit dem Ruf nach Steuersenkungen auf dem politischen Parkett gepunktet werden konnte. So kurios es auch scheint, verspricht ausgerechnet in einer Zeit historisch höchster Abgabenlasten die erklärte Absicht, die Steuerschraube noch weiter anziehen zu wollen, Wahlerfolge.

Ob die feuchten Träume der Obertanen dabei nun um die Erfindung oder Einführung neuer Tribute, wie Kapitaltransaktions- oder Vermögenssteuern, oder um die Verschärfung bereits bestehender Enteignungsinstrumente (wie die Einkommenssteuer) kreisen, erscheint nebensächlich. Das einzige, worauf die Umverteiler zu achten haben, ist, den Steuerhammer selektiv auf kleine, in der Massendemokratie unbedeutende Gesellschaftsgruppen niedersausen zu lassen, als da wären: Unternehmer, Mietshausbesitzer, „Spekulanten“, (kurz: Eigentümer von Vermögen aller Art) und „Besserverdiener“.

Die genannten Minderheiten zu Sündenböcken zu erklären, die unausgesetzt beschuldigt werden, an der herrschenden Krise die Alleinschuld zu tragen und daher jetzt – „Gerechtigkeit muss sein!“ – entsprechend bluten sollen, ist eine leichte Fingerübung, da es die Politelite verstanden hat, die Hauptsrommedien zu ihren treuesten Symbionten zu machen. Die Damen und Herren Redakteure sind artig mit von der Partie, wenn das Lied vom treu sorgenden, verantwortungsvoll im Sinne des „Gemeinwohls“ agierenden Staat angestimmt und zugleich der ruchlose Egoist und ausschließlich den eigenen Vorteil suchende Private verdammt wird. Die „Vierte Macht“ im Staate ist – einer konsequenten Negativauslese und Korrumpierung der Bericht erstattenden Zunft sei Dank – mittlerweile zum zuverlässigsten Wasserträger staatlicher Allmachtsbestrebungen und zugleich zum erbarmungslosen Zensor jeglicher Staatskritik degeneriert.

Steuern sind niemals gerecht

Allerdings gibt es keinen Schatten ohne Licht: Immerhin könnte das die allgemeine Moral zerstörende Prinzip der Demokratie nicht deutlicher enthüllt werden, als durch den immer lauter erschallenden Ruf einer Mehrheit nach immer höheren Steuerlasten für eine Minderheit. Demokratie bedeutet eben knallharte Diktatur der Mehrheit. Diese Tatsache jedermann ungeschönt vor Augen zu führen, ist schon etwas wert.

Für privat handelnde Personen gelten Tabus. Kaum jemand würde den Raub an seinem Nachbarn gutheißen oder den Versuch unternehmen, diesen zu rechtfertigen. Auch leuchtet es jedermann ein, dass ein Verbrechen nicht dadurch zur Wohltat mutiert, indem man es im Kollektiv begeht. Ein in der Gruppe verübter Raub ist eben kein kleineres Übel als die Tat eines Einzelnen. Interessanterweise gibt es aber ab dem Moment keinerlei Halten und keinen moralischen Einwand mehr, da die Ausführung des Raubes mittels eines Stimmzettels an politische Parteien – die damit völlig ungeniert und ungestraft werben dürfen – delegiert und am Ende durch Staatsschergen vollzogen wird. Die Sozialisten in allen Parteien waren, sind und bleiben nichts weiter als von ihren (anonymen) Wählern gedungene Räuber.

Es ist kaum zu fassen: Rechtschaffene Menschen, der Großteil davon würde nie im Leben daran denken, kriminell zu werden – 72 Prozent der Bundesbürger – heißen die willkürliche Ausplünderung von Menschen gut, deren Fehler darin besteht, es materiell weiter gebracht zu haben, als sie selbst. Das reicht, um diesen – ohne dabei von Gewissensbissen geplagt zu werden – den Steuervogt an den Hals zu hetzen, der ihnen in der Folge seine Beute (oder wenigstens einen Teil davon) übergeben soll. Dass diejenigen, die ihre Enteignung nicht widerstandslos hinnehmen und entsprechende Gegenstrategien entwickeln, als „asozial“ denunziert werden, fügt dem Unrecht den blanken Hohn hinzu.

Steuern sind niemals gerecht. Stets werden sie gewaltsam und nicht im Konsens erhoben und stets schaffen sie zwei Klassen von Menschen: Eine, die sie bezahlt und eine, die davon lebt. Doch selbst wenn diese Tatsache unbeachtet bleibt, ist eines klar: Wer sich den Kampf für die Gerechtigkeit aufs Panier schreibt und dabei ein Minimum an Glaubwürdigkeit bewahren will, der kann eines keinesfalls tun: Willkürlich gestalteten (progressiven) Steuertarifen das Wort reden. Genau das aber tun alle in den Parlamenten Österreichs und Deutschlands vertretenen Parteien – möglicherweise ohne zu wissen, dass progressive Steuern ein Instrument sind, das von Karl Marx einst dazu erdacht wurde, um die bürgerliche Gesellschaft zu zerstören…

Montesquieu schreibt in seinem wichtigsten Werk „Vom Geist der Gesetze“ zum Thema Steuern folgendes: „…die Wirkung (…) übermäßiger Besteuerung ist, dass die Freiheit ihrerseits die Knechtschaft hervorbringt und die Wirkung der Knechtschaft ist die Verminderung der Steuereinnahmen.“ Mit dem letzten Satz hat der hellsichtige Mann bereits den Jahrhunderte später gefundenen „Laffer-Effekt“ beschrieben. Die tragbare Steuerlast ist eben endlich! Eine Seite zuvor stellt der Baron fest: „Die maßvollen Staaten bieten eine Entschädigung für den Steuerdruck: eben die Freiheit. Die despotischen Staaten bieten ein Entgelt für die Freiheit: eben die geringfügigen Steuern.“ Der selige Mann lebte allerdings in einer absoluten Monarchie. Er hatte keine blasse Vorstellung vom Ausmaß der in einer Massendemokratie herrschenden Despotie – bei zugleich maximalen Steuerlasten…

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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