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Das Faszinierende, aber zugleich Abstoßende in der Politik: Nichts ist so absurd, dass es nicht noch übertroffen werden könnte. Jetzt ist Italiens Präsident Giorgio Napolitano ungeplant sein eigener Nachfolger geworden. Mit 87 Jahren beginnt er also eine weitere siebenjährige Amtszeit. Wie auch immer das biologisch enden wird – Napolitano war offensichtlich die einzige Möglichkeit in einer tiefen Lähmung und in einem Stillstand des Landes.
Jetzt muss man in Österreich wohl den 81-jährigen Frank Stronach fragen, ob er sich wirklich schon alt genug fühlt, um schon zum Politiker zu werden. Solche und andere Pointen über Napolitanos Alter liegen jetzt zwar irgendwie auf der Hand. Aber der Mann hat sich gewiss nicht um eine neuerliche Kandidatur gedrängt.
Er und damit der Status quo sind jedoch offenbar die einzige Lösung zumindest für die Besetzung des römischen Quirinale. Für den Rest der Probleme ist die Lösung freilich nur einige Millimeter nähergekommen. Ob Napolitano noch einmal Erfolg haben wird, eine prinzipiell großkoalitionäre Expertenregierung, aber ohne direkte Parteikandidaten einzusetzen, muss offen bleiben.
Dass besonders das Lager des (mit 76 Jahren übrigens auch nicht mehr ganz taufrischen) Silvio Berlusconi begeistert über die Wahl des einstigen Kommunisten zum Staatsoberhaupt ist, ist auch nur auf den ersten Blick pikant. Denn Napolitano agiert schon lange nicht mehr ideologisch und stur links. Er hat beispielsweise Berlusconi gegen Rüpeleien des deutschen SPD-Chefs Steinbrück massiv verteidigt.
Berlusconi kann sich aber vor allem auch darüber freuen, dass sich neuerlich zeigt: Ohne ihn geht in Italien gar nichts. Ohne ihn nur Chaos. Er ist jetzt doch in der von ihm so ersehnten zumindest partiellen großen Koalition mit der Linken gelandet (mit der das Tagebuch im Gegensatz zu allen anderen Kommentatoren übrigens schon unmittelbar nach der Parlamentswahl gerechnet hat).
Der Jubel Berlusconis über diese Wahl hat noch weitere Elemente. Beppe Grillo mit seiner lustigen Bewegung ist jetzt nachweislich total draußen, obwohl er von der Linken so heftig umworben worden war. Grillo schäumt zwar noch mit wilden Demonstrationen über das Ergebnis der Präsidentenwahl. Aber mit seiner ultimativen Haltung und seinem ständigen Nein hat er sich außerhalb aller politischen Kombinationen gestellt. Er bleibt halt ein Kabarettist.
Noch mehr kann sich Berlusconi über noch einen weiteren Aspekt freuen. Während er die Rechte trotz allen Unkenrufen erfolgreich geeint hat, hat es das linke Lager um seinen Opponenten Bersani total zerrissen. Der zuvor als Kandidat der Linken angetretene Expremier Prodi bekam nicht einmal alle Bersani-Stimmen. Worauf sowohl Prodi wie Bersani erzürnt aufgaben.
Das Bersani-Lager hat nun keinen Chef mehr. Es ist aber eigentlich schon von Anfang an total gespalten und zerrissen gewesen. Auch wenn viele Journalisten Bersani unterstützt haben, ist es als Kitt etwas zu wenig gewesen, einfach nur gegen Berlusconi zu sein.
Denn Christdemokraten, Sozialdemokraten, Exkommunisten und noch sehr kommunistische Kommunisten passen in Wahrheit überhaupt nicht zusammen. Daher sind die Vernünftigen unter ihnen auch längst zur Überzeugung gekommen, dass man sich angesichts des Chaoten Grillo halt doch in einer zumindest operativen Absprache mit Belzebub Berlusconi anfreunden sollte. Denn im derzeitigen Zustand Italiens würde dieser im Falle von Neuwahlen sogar sicher wieder zur Nummer eins werden. Das kann die Linke noch weniger wollen. Sie ist in Italien zwar immer lautstark und intellektuell, aber noch nie regierungsfähig gewesen.
Unsicher ist jedoch, ob diese gemäßigten Abgeordneten der Linken zahlenmäßig ausreichen werden, um mit Berlusconi und dem kleinen Monti-Trüpplein eine Mehrheit zusammenzubringen. Aber eine solche Mehrheit braucht es jedenfalls, um eine weitere technische Regierung zu tragen (etwa gar wieder unter dem derzeit weitgehend von der Bildfläche verschwundenen Monti?). Da ist noch jede Menge Platz für die typisch italienischen Spielchen, Intrigen und Hinterzimmer-Geschäfte.
Der andere Teil der Linken bleibt ja auf dem maximalistischen Standpunkt: Lieber sterben als irgendwie mit Berlusconi. Aber das bringt für Italien ebensowenig eine Lösung wie die ständigen Maximalismen eines Grillo. Beides nimmt sich nur im Fernsehen und in Leitartikel gut aus.
Wir werden jedenfalls noch viel Spaß mit Italien haben. Für Europa, Italiens Wirtschaft und den Euro wird das freilich alles andere als spaßig. Denn das für die EU wichtige viertgrößte Land (das fast gleich groß mit dem zweitgrößten ist) braucht statt Spielchen eigentlich dringend Spar-Reformen.