Neue Abzocke vom ORF-Küniglberg

Am 13. März 2013 wurde im Rahmen der Vollversammlung der „Digitalen Plattform Austria" von der Medienbehörde KommAustria und der RTR GmbH das „Digitalisierungskonzept 2013" vorgestellt. Dabei hat man für die GIS-Zwangsgebührenzahler einiges vor.

Bekanntlich  gibt es neben dem Streaming bzw. zeitversetzen Abruf via Internet im Wesentlichen drei Möglichkeiten, TV zu empfangen: DVB-C über Kabel/Telefon, DVB-S über Satellit und DVB-T direkt von örtlichen Sendemasten. Während der Satellitenempfang aufgrund der Vielzahl der Programme und der nicht erforderlichen Kabelgebühren am stärksten verbreitet ist, hat der terrestrische Empfang DVB-T mit sechs Prozent Anteil nur eine geringe Bedeutung und ist senderseitenmäßig schon jetzt nur mit sehr großem technischen und finanziellen Aufwand (man denke an die vielen Kleinsender aufgrund der Topografie unseres Landes) zu bewerkstelligen. Ein großer Nachteil dieser Verbreitungsmethode ist infolge der limitierten Bandbreiten und wenigen verfügbaren Frequenzen (es werden demnächst ehemalige „alte“ TV-Frequenzen als „digitale Dividende“ an die Mobilfunkbetreiber für deren neue Übertragungsgeneration LTE – Long Term Evolution – versteigert), dass bisher über DVB-T  keine HD-Qualität verbreitet werden konnte.

Neue terrestrische TV-Verbreitung der ORS mittels DVB-T2 unter dem Namen „simpliTV“

Nunmehr hat der ORF nach mehrjährigen Sendeversuchen in Wien beschlossen, dass er (bzw. seine Sendetochter ORS) die terrestrischen Sendeanlagen mit dem neuen DVB-T2-System mit großem finanziellen Aufwand erweitern (und 2016 – nach Ablauf der Sendelizenz – das erst einige Jahre alte DVB-T ersetzen) wird, welches die eben genannten Mängel beheben soll und damit auch eine HD-Übertragung – soweit vom Programmhersteller angeboten – im terrestrischen Bereich ermöglicht. Der Start dieser „Plattform mit geregelter Zugangsberechtigung“ erfolgt cirka Mitte April 2013 in den österreichischen Ballungsgebieten mit über 20 Programmen, später will man weitere ORF-TV-Programme (für Jugend, Regional, ORF-Abo) sowie noch weitere  in- und ausländische Programme (teilweise auch in HD-Qualität) – also insgesamt etwa 40 – auf mehreren  Multiplexern  verbreiten. Bei HD können infolge der jeweils limitierten Bandbreiten etwas weniger Programme in einem „Paket“ untergebracht werden.

Durch diese Maßnahmen will man diese Übertragungsmöglichkeit attraktiver machen und Zuseher vom Kabel- und Sat-Empfang zum Umsteigen bewegen. Ob diese da mitmachen werden? Denn mit Ausnahme eines Playboy-Kanals sind alle Programme auch schon jetzt und künftig in den Kabelnetzen und kostenlos über Satellit zu empfangen. Es könnten also nur einige Kabelbenützer (in den Großstädten, wo keine Schüssel verfügbar ist) auf das kostengünstigere DVB-T2 umsteigen. Viele ehemalige Kabelkunden haben aber bereits auf das sehr preiswerte A1-TV gewechselt, wo weit über 100 TV-Programme über das Telefonfestnetz ins Haus geliefert werden.

Außerdem will man die GIS-Gebührenverweigerer mit dem HD-Angebot ködern, denn die erforderliche Registrierung (Freischaltung des erforderlichen Moduls) wird sicher nicht für die bisherigen Schwarzseher erfolgen. Nicht unerwähnt sollte bleiben, dass für DVB-T2 neue TV-Empfangsgeräte bzw. Zusatzboxen erforderlich sind, welche schon in einigen Wochen in den Geschäften verfügbar sein werden. Für die voll verschlüsselten Programme ist auch eine monatliche Zusatzgebühr von € 10 fällig. Alles in allem: Für neue Geräte, Registrierung, Einschubmodul, womöglich Smartcard und Monatsgebühr: Reine Abzocke.

Derzeit sind auch bei ORF und ORS noch viele Fragen offen oder es wurden widersprüchliche Aussagen getätigt, z.B. ob es eine generelle Grundverschlüsselung geben wird, welche Programme frei verfügbar und welche nur durch Monatsbeitrag zu empfangen sind. Außerdem sind noch einige Verträge nicht unter Dach und Fach, so hat sich z.B. Puls-TV bisher geweigert, die Konditionen für ihre HD-Variante zu akzeptieren. Umgekehrt möchte Servus-TV wiederum, dass sein HD-Programm völlig ohne Hindernisse ausgestrahlt wird. Sicher haben auch die in der Arge „Digitale Plattform“ zusammen gefassten vielen Stellen eigene (finanzielle) Interessen, welche bald erfüllt werden müssen.

Neue Radio-Übertragungstechnologie DAB+ nicht für Österreich

Das UKW/FM-System ist nun bereits 60 Jahre alt und daher hat man international viele Verbesserungsversuche angestellt und schließlich hat sich das DAB+ (Digital Audio Broadcasting) schon in vielen Ländern als neue Generation etabliert. Derzeit findet dort infolge der vielen Millionen an vorhandenen UKW-Geräten noch ein Parallelbetrieb statt, wobei  neu gekaufte Empfangsgeräte meistens schon beide Systeme verarbeiten können. Langfristig will man aber die UKW-Verbreitung beenden. Österreich geht leider einen anderen Weg. Der marktbeherrschende ORF sowie die führenden Privatanbieter haben sich geeinigt, das neue System so lange wie möglich zu boykottieren, um zusätzliche Konkurrenz (damit verbunden eine eventuelle Verkleinerung des Anteils am Werbekuchen) sowie neue Investitionen zu verhindern.

Denn die neuen DAB-Frequenzen erlauben eine Vielzahl von kostengünstigen Ausstrahlungen, somit würden auch neue Mitbewerber entstehen. Im Sommer 2012 hat die für die Frequenzverteilung zuständige Behörde KommAustria eine „Bedarfserhebung“ gemacht und dabei hatten nur wenige kleine Anbieter Interesse gezeigt. Daher wird es frühestens 2015 eine Ausschreibung zur Frequenzvergabe  geben. Und bei positivem Ergebnis werden nicht vor 2016 oder 2017 die ersten österreichischen Programme auf DAB+ mit der wesentlich besseren Tonqualität und zusätzlich mitgelieferten Informationen zu hören sein. In Vorarlberg kann man z.B. schon jetzt über 60 Programme aus der Schweiz und Deutschland auf DAB+ empfangen.  Österreich ist eines der wenigen europäischen Länder, wo man derzeit diese neue Technologie ablehnt.

ORF und ORS brauchen zusätzliches Geld

Aus diesen beiden „technischen“  Beispielen ist ersichtlich, dass der ORF, welcher vehement auf eine weitere Vergütung der Gebührenbefreiungen besteht, die technische Innovation auf dem Radiosektor ignoriert und gleichzeitig nun mit Gewalt und großem finanziellen Aufwand den relativ kleinen terrestrischen Empfängeranteil durch Einführung von DVB-T2 vergrößern will. Man plant, den Seheranteil von DVB-T durch das neue DVB-T2 von sechs auf cirka zwölf Prozent (auf Kosten der anderen Übertragungswege) zu vergrößern. Dahinter stehen sicher auch die Bundesländerfürsten sowie der Wunsch nach noch mehr (auch lokaler) Werbung, da die Senderauswahl in jedem Fall gegenüber Kabel und Satellit kleiner und damit die Zuseherzahlen größer werden „sollten“.

Ob diese ORF-Prognose aufgehen wird? Manche technische Innovationen (z.B. DVB-H, Multitext, mhp, interaktiver Zugang, verschiedene Verschlüsselungssysteme) mussten in der Vergangenheit eingestellt bzw. ersetzt werden. Bei der vor einigen Jahren erfolgten Umstellung vom analogen TV auf DVB-T war schon klar, dass damit das HD-Farbsystem nicht ausgestrahlt werden kann.

Wie gehen die österreichischen Nachbarländer da vor? In Deutschland, der Schweiz und Italien hat man eben viel Geld in die flächendeckende Senderstruktur für DVB-T investiert, auch die Konsumenten haben neue Empfangsgeräte angeschafft, daher ist eine rasche Einführung von DVB-T2 derzeit nicht geplant. Im deutschen Testbetrieb hat sich sogar die bedeutende Sendergruppe RTL wieder zurückgezogen. In Ungarn, wo man erst später mit der Umstellung von analog auf digital begonnen hat, wurde natürlich  gleich auch HD auf DVB-T umgesetzt, wobei man dann aber pro Mux (Frequenzpaket) etwas weniger Programme unterbringen konnte.

Die in Deutschland kürzlich eingeführte so genannte „Haushaltsabgabe“  wird beim ORF derzeit genau verfolgt und es ist anzunehmen, dass nach der kommenden Nationalratswahl auch dieses Thema bei uns diskutiert wird. Denn auch da erwartet sich der ORF zusätzliche Einnahmen, selbst wenn der Verteilungsschlüssel mit den bisherigen Geldempfängern (Bundesländer und Finanzministerium) noch nicht neu vereinbart wurde.

Gerhard O. Pascher ist ein Kaufmann mit  akademischer Ausbildung und Marketingerfahrung in in- und ausländischen Unternehmen

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